Führungskräfte: Auf dem Weg nach oben oft frustriert
VON Janine El-Saghir Allgemein
Für die Studie „Leaders in Transition“ („Führungskräfte im Wandel“) hat die Personalberatung Development Dimensions International (DDI) weltweit 870 Führungskräfte interviewt. 40 % der Befragten kamen aus Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, zehn % aus Grosskonzernen, in denen über 50.000 Menschen tätig sind. Die europäische Stichprobe umfasste 252 Führungskräfte, die in ihrer Karriere mindestens einen Positionswechsel vollzogen hatten. Das Kerngeschäft von DDI besteht in der Auswahl und Entwicklung von Führungskräften inklusive Kompetenz- und Performance-Management. Mit seinen Dependancen in derzeit 26 Ländern ist das Unternehmen selbst global aktiv.
Finanzielle Anreize motivieren nur bedingt
Die Erhebung zeigt, dass heutige Karrierewege komplexer sind als in früheren Jahren und Jahrzehnten. Sie sind durch häufige Übergänge geprägt und verlaufen nur selten linear. Interessant: Ein beruflicher Aufstieg ist durchaus nicht zwangsläufig mit einer höheren Gratifikation verbunden. Nur 56 % aller Beförderungen und Rollenwechsel in Europa hatten auch ein besseres Gehalt zur Folge, im globalen Massstab lag dieser Wert nur bei 54 %. 25 % der Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung und neun % der Spitzenmanager mussten nach einem Rollenwechsel sogar Gehaltseinbussen verschmerzen. Das Fazit der Researcher: Finanzielle Anreize motivieren Führungskräfte in ihren Karriereambitionen nur bedingt.
Karrierefrust und nur begrenzte Unterstützung
Was die Manager tatsächlich motiviert, lässt die Studie zwar im Dunkeln, eine kraftvolle Motivation für ihren Aufstiegswillen müssen sie jedoch auf jeden Fall besitzen: In den Interviews war sehr oft von Karrierefrust die Rede. 34 % der Studienteilnehmer fühlten sich auf ihrem Weg nach oben oft unsicher, ängstlich und frustriert. Zudem fehlt es an Ansprechpartnern für Probleme, die aktive Unterstützung bieten könnten. Ihr direkter Vorgesetzter ist für viele Führungskräfte die letzte Person, die sie um Hilfe bitten. Unterstützung von ihrem neuen Chef bekamen nach einem Rollenwechsel nur 27 % der Befragten, 30 % von ihnen wandten sich dafür stattdessen an ihren früheren Manager. Als hilfreich erwiesen sich vor allem gleichgestellte Kollegen (58 %) sowie das private Umfeld (46 %).
Die gravierendsten Probleme: Mangelnde Transparenz und Führungsfehler
Die meisten Probleme beim Wechsel in eine neue Position ergaben sich aus Führungsfehlern. 42 % der europäischen Befragten nannten als grösste Herausforderung mangelnde Transparenz. Die Gründe dafür lagen in vagen Jobbeschreibungen, unklaren Erwartungen und unzureichender Führung durch die eigenen Vorgesetzten. 33 % der Führungskräfte hatten Schwierigkeiten, sich im politischen Gefüge ihrer Organisation zu orientieren, Tätigkeiten zu delegieren oder ihre Mitarbeiter zu motivieren. In der DDI-Vorgängerstudie aus dem Jahr 2007 spielte dieser Punkt für die Befragten noch keine Rolle – er verweist also auch darauf, dass Führungskräfte heute völlig neuen Herausforderungen gegenüberstehen.
Wachsender Erfolgsdruck in „High-Performance-Organisationen“
Eine Ursache dafür liegt in der immer grösseren Flexibilität der Arbeitswelt. Viele Führungskräfte übernehmen wechselnde Projektleitungsfunktionen oder managen virtuelle Teams, die zum Teil über die ganze Welt verteilt sind. Auch der Erfolgsdruck auf die Manager ist in den vergangenen Jahren immens gewachsen – bei schwindenden personellen Ressourcen. DDI-Deutschland-Geschäftsführer Wolfgang Doerfler stellt heraus, dass es heute kaum noch Unternehmen gibt, die sich nicht als „High-Performance-Organisation“ verstehen oder auf dem Weg dorthin sind.
90 % der Unternehmen: Nachholbedarf bei der Entwicklung ihrer Führungskräfte
Auch die Häufigkeit von Rollenwechseln und Beförderungen scheint zuzunehmen. Während der letzten drei Jahre wurden 64 % der Befragten ein- bis zweimal befördert. Gleichzeitig werden die Anforderungen auf der nächsthöheren Karrierestufe schwieriger und komplexer. Viele Befragte – weltweit 42 %, in der europäischen Stichprobe 31 % – wünschen sich für eine erfolgreiche Bewältigung des Wechsels strukturierte Entwicklungspläne. In beiden Gruppen äusserten 31 % der Studienteilnehmer ausserdem den Wunsch nach mehr formaler Entwicklung – beispielsweise durch Trainings oder Coachings, um ihre Führungskompetenzen zu verbessern. Nachholbedarf im Hinblick auf solche Personalentwicklungsmassnahmen haben aus Sicht der Führungskräfte 90 % der Unternehmen.
Angemessene Unterstützung auf den verschiedenen Stufen der Karriereleiter
Ein häufig unterschätztes Problem: Viele Kandidaten erhalten die Beförderung wegen sehr guter Leistungen auf ihrer aktuellen Stelle, daraus folgt jedoch kein Automatismus für die nächste Position. Um produktiv und effizient zu sein, benötigen Führungskräfte auf den verschiedenen Stufen der Karriereleiter jeweils angemessene Unterstützung. Mitarbeiter, die zum ersten Mal in eine Führungsposition gelangen, sahen für sich im Hinblick auf strategisches Denken und Networking die wichtigsten Entwicklungsfelder. Operative Manager mit bereits vorhandener Führungserfahrung nannten vor allem die Bereiche Mitarbeitermotivation sowie erfolgreiches Delegieren. Strategische Manager wünschten sich Unterstützung bei der Entwicklung von Entscheidungsfähigkeit und politischem Geschick.
Unerwartete Beförderungen machen „glücklich“
Eine Rolle dabei, wie wohl sich Mitarbeiter nach einer Beförderung in der neuen Rolle fühlen, spielt offensichtlich auch die Art und Weise, wie der Karriereschritt zustande kam. Demnach machen unerwartete Beförderungen „glücklicher“ als ein lange vorbereiteter Aufstieg – sehr zufrieden mit der neuen Rolle zeigten sich in der ersten Gruppe 80 % der Befragten, in der zweiten waren es nur 67 %. Mitarbeiter, deren Funktionswechsel erzwungen wurde, brauchten dagegen länger, um die auf der neuen Position geforderte Produktivität zu erreichen und zogen häufiger in Betracht, das Unternehmen zu verlassen.
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