Werbeagenturen brauchen ein neues Selbstimage

Die Urväter der PR waren die Marktschreier. Noch bevor das Geld, die Schrift und die Medien erfunden waren, bildete das laute Anpreisen der eigenen Ware den gängigen Weg, für möglichst viel Absatz zu sorgen. Zwar haben sich die Mittel und Wege der Public Relations in den letzten Jahren deutlich verändert, ihre Gene können die PR-Agenturen bis heute aber nicht verleugnen. Doch jene werden langsam zum Problem.

Neben den Versicherern und Unternehmensberatern stehen die Werbeagenturen seit jeher unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck. Ihre Dienstleistungen kosten Geld – ihr Nutzen ist jedoch häufig nur indirekt zu beobachten. Die Weisheit, dass „50 % des Werbeetats immer ins Leere laufen“, gehört zwar zu den Grundkenntnissen der Unternehmensführung. Den Umkehrschluss, dass das Budget des Kunden möglichst effizient genutzt werden sollte, lassen viele Agenturen hingegen vermissen.

Das heute recht eingeschliffene Branchenimage leistet dabei sowohl den Agenturen als auch ihren Kunden einen Bärendienst. Industrie und Handel sind der selbstverliebten PR-Profis häufig mehr als überdrüssig. Immer mehr hilfesuchende Neukunden verdrehen beim Anblick der typisch überdrehten Marketingprofis genervt die Augen. Die Klischees der Werbeprofis haben heute deshalb ausgedient.

Technikabstinente Kreative per Selbsternennung, welche durch überdrehtes Auftreten ihre Frustration über eine gescheiterte Künstler-, Autoren- oder Designerkarriere anzumerken ist, will heute wirklich niemand mehr sehen. Es nutzt nichts, auf die „schwarzen Schafe“ zu verweisen. Man muss als PR-Profi heute davon ausgehen, dass hinreichend viele Kunden ihre Erfahrungen mit Schaumschlägern und Blendern gemacht haben. Es ist also höchste Zeit, einen selbstkritischen Blick auf die eigene Branche zu werfen.

Zunächst wäre da die Eigen-PR zu nennen. Hier muss man feststellen, dass die von den Kreativen oftmals belächelten Produktionsunternehmen den Agenturen weit voraus sind: Eine zentrale Ansprechperson in Form eines PR- oder Pressechefs ist selbst bei KMU heute gang und gäbe. Gerade PR-Agenturen mit ihren hohen Fluktuationen und ihrem grossen Praktikanten- und Studentenanteil stellen sich im Punkt „Gesicht der Firma“ häufig deutlich laienhafter dar.

Obwohl es nach wie vor unausrottbares Gedankengut in PR-Agenturen ist, muss von der Idee, dass „Jeder alles können muss“, Abschied genommen werden. Es ist deshalb als erste Massnahme zu empfehlen, dass das Aussentalent in der Firma identifiziert, ernannt und vor allem gehalten werden muss. Nichts ist frustrierender für einen Kunden, als permanent andere Ansprechpartner präsentiert zu bekommen.

Womit wir zum Punkt „Kompetenz“ kommen. Ein anderes geflügeltes Wort der Branche lautet: „In den Medien zählt nur, was man kann.“ Das ist im Grunde überall so – nur legt man in der Industrie und im Handel auch Wert auf Zertifikate, welche eine valide Auskunft über die erwartbaren Kompetenzen eines neuen Mitarbeiters geben. Die konsequente Ignoranz jeglicher Zeugnisse und die Rekrutierung häufig zweifelhafter Aspiranten – und sei es über monatelange Praktika – stehen für einen Spleen, den sich die Werbewelt so langsam nicht mehr leisten kann.


Es gibt heute Ausbildungsberufe, Studiengänge und Weiterbildungen, welche auch für Bild-, Text- und Tongestaltung ordentliche Kenntnisse vermitteln. (Bild: auremar / Shutterstock.com)
Es gibt heute Ausbildungsberufe, Studiengänge und Weiterbildungen, welche auch für Bild-, Text- und Tongestaltung ordentliche Kenntnisse vermitteln. (Bild: auremar / Shutterstock.com)


Es gibt heute Ausbildungsberufe, Studiengänge und Weiterbildungen, welche auch für Bild-, Text- und Tongestaltung ordentliche Kenntnisse vermitteln. Um es auf den Punkt zu bringen: Selbsternannte „Hipster“ sind „out“. Betrachtet man die hilfesuchenden Kunden, ist dies auch nur allzu verständlich.

Wer für jede Schraube, welche sein Werk verlässt, geradestehen muss, dem fehlt es einfach an Verständnis und Geduld für Gesprächspartner, welche in vielerlei Hinsicht Defizite aufweisen – und diese mit exaltiertem Verhalten zu kaschieren versuchen. An eine CNC-Fräse darf nur, wer die entsprechende Ausbildung hat. Einen Werbeetat soll hingegen auch der hochgediente Praktikant verwalten dürfen? Wenn Sie dem Kunden diese Sorge nehmen und auf valide Zeugnisse verweisen können, dann haben sie schon einige Steine im Brett gewonnen.

Schliesslich ist der Umgang mit den Kunden auch häufig nicht so professionell, wie er sein könnte. Mit der Unterschrift unter den Kooperationsvertrag ist die Agentur eine Partnerschaft eingegangen, welche auch die Verpflichtung zur Identifikation mit dem Produkt beinhaltet. Dazu gehört eben auch, sich die grundlegenden Kenntnisse rund um den beworbenen Gegenstand anzueignen. Mangelnde technische Affinität, Desinteresse oder sogar moralische Bedenken sind nach der Zusage fehl am Platz.

Dessen sollten sich die Werbetreibenden stets bewusst sein. Die Kunden merken, wenn sie nicht ernst genommen werden. Ob sie dann noch Folgeaufträge anbieten, darf angezweifelt werden.

Es ist an der Zeit, in den Werbeagenturen ein neues Niveau an Qualität und Professionalität zu etablieren. Orientieren können sich die Werbestrategen dabei ohne Weiteres an den Rezepten, welche auch die Industrie neu aufgestellt hat. Professionalität, Effizienz, Qualifikation und vor allem Mut zur Verantwortung sind hier die Schlüsselqualifikationen, welche überzeugen können. Dazu gehören Präsentationen, welche Fakten, Zahlen und nachvollziehbare Strategien liefern. Ebenso Vorschläge, die erkennen lassen, dass man sich mit dem zu bewerbenden Produkt auseinandergesetzt – und eben nicht einfach der Fantasie freien Lauf gelassen – hat.

Letztendlich gehören Mitarbeiter dazu, welche bereits Belastbarkeit und Ausdauer in Form einer ordentlichen Ausbildung bewiesen haben. Diese Punkte demonstrieren vor allem eines: Respekt. Respekt vor der Aufgabe, Respekt vor dem Kunden und nicht zuletzt Respekt vor der eigenen Arbeit. Und Respekt ist nach wie vor der Beginn jeder Beziehung, einschliesslich der Kundenbeziehung.

 

Oberstes Bild: © Goodluz – Shutterstock.com

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