Schweizer Telekom-Anbieter: Druck von vielen Seiten

Nach dem Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende erlebten Telekom-Aktionäre eine böse Überraschung. Ihre Wertpapiere verloren über Nacht und vor allem langfristig an Wert. Eine Erholung der Branche zeichnet sich an den Börsen erst seit Beginn des letzten Jahres ab. Der Stoxx-600-Europe-Index legte seit Januar 2013 um 17 Prozent zu, der Stoxx-600-Europe-Telecommunication-Index stieg im gleichen Zeitraum um 29 Prozent. Der Schweizer Marktführer Swisscom liegt auch hier im absoluten Spitzenfeld, seine Aktie hat seit Anfang 2013 um mehr als 33 Prozent zugelegt.

Die Hausse an der Börse hebt den Druck, unter dem die Telekom-Anbieter stehen, allerdings nicht auf. Beobachter rechnen perspektivisch mit einer Branchenkonsolidierung, nach der in den jeweiligen Märkten nur die grössten Anbieter übrig bleiben werden, denen es gelingt, ihre Position im globalen Wettbewerb zu halten und trotz immenser technischer Investitionen noch Gewinne einzufahren.

Globale Konkurrenz durch Viber, WhatsApp & Co.

Die etablierten Telekom-Firmen haben längst globale Konkurrenz bekommen. „Over-the-top“ (OTT)-Anbieter wie Viber und WhatsApp oder virtuelle Netzwerke mit Facebook wirken in der Branche wettbewerbsverschärfend. Die Swisscom schätzt, dass 2013 in der Schweiz rund 19 Milliarden Nachrichten via OTT versendet wurden. Die Investitionen für den Ausbau der Mobilfunknetze werden jedoch nicht von den alternativen, sondern den etablierten Anbietern getragen. Gleichzeitig hat sich die Kosten- und Tarifstruktur für Telekommunikationsdienstleistungen nachhaltig verändert.

Noch vor wenigen Jahren wurden jede Gesprächsminute und jede SMS einzeln abgerechnet, mit den heute üblichen Flatrates sind auch die Telefonrechnungen der meisten Kunden sehr spürbar gesunken. Die Pauschaltarife stellen unter anderem eine Reaktion der Telekom-Firmen auf alternative Anbieter dar: In der Branche geht durchaus die Angst um, dass perspektivisch die OTT-Angebote das Rennen machen und damit die nationalen Unternehmen zu Providern der technischen Infrastruktur für ihre Nutzung degradieren.

Investitionszwang durch Datenflut und neue Mobilfunkstandards

Neue Herausforderungen ergeben sich auch aus dem Siegeszug von mobilen PCs, Smartphones sowie Tablets. Der Internet-Vergleichsdienst Comparis hat ermittelt, dass 69 Prozent der Schweizer Mobilfunkkunden ein Smartphone nutzen. Eine Folge davon ist, dass die Mobilfunknetze eine immer grössere Datenflut bewältigen müssen. Die Swisscom schätzt, dass die Menge der mobil übermittelten Daten 2013 um 116 Prozent grösser war als noch im Vorjahr. Auch die beiden Wettbewerber Orange Schweiz und Sunrise müssen diese Herausforderungen meistern. Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahren nochmals immens verschärfen.

Die Telekom-Ausrüster, beispielsweise Alcatel-Lucent, Nokia Solutions and Networks, Huawei oder Ericsson, können sich vor diesem Hintergrund auf Grossprojekte und die entsprechenden Profite freuen. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona präsentierten sie im Februar 2014 bereits den Mobilfunkstandard der fünften Generation – zu einem Zeitpunkt, in dem die vierte Generation (LTE – Long Term Evolution) in vielen Ländern noch gar nicht angekommen ist. Wenn die Telekom-Anbieter es nicht schaffen, ihre Netze auf den neuesten Stand zu bringen und dort zu halten, geraten sie auf dem Markt jedoch schnell ins Hintertreffen. Telekom-Kunden erwarten heute, mit ihren Geräten jederzeit und an jedem Ort ins Internet zu gehen. Providern, welche diese Anforderung nicht zuverlässig erfüllen und zudem mit akzeptablen Tarifstrukturen unterlegen können , werden sie auf Dauer kaum die Treue halten.


Roaming mit immer geringerer Funktion als Umsatztreiber. (Bild: Lisa S. / shutterstock.com)


Roaming mit immer geringerer Funktion als Umsatztreiber

Auch das Thema Roaming treibt die Telekom-Anbieter heute an. Die Roaming-Gebühren – also die zusätzlichen Kosten, die im Ausland für mobiles Telefonieren, SMS und Internetnutzung erhoben werden – beschäftigen europaweit die Kunden der Telefongesellschaften, Verbraucherschützer sowie die Politik. Zwar können die Unternehmen mit Roaming nach wie vor viel Geld verdienen – bei der Swisscom, Orange Schweiz und Sunrise beliefen sich die entsprechenden Umsätze 2012 auf insgesamt 857 Millionen Franken. Trotzdem stehen das Roaming für gerade einmal sechs Prozent der Gesamtumsätze – mit perspektivisch fallender Tendenz. Alle drei Unternehmen werden in diesem Jahr ihre Roaming-Gebühren senken müssen, entsprechende Ankündigungen wurden bereits gemacht. Swisscom-Chef Urs Schaeppi sprach hier von Gebührensenkungen im „zweistelligen Prozentbereich“.

Telekom-Marktliberalisierung in der Schweiz – noch lange nicht komplett

Die Liberalisierung des Schweizer Mobilfunkmarktes seit dem Ende der 1990er Jahre hat sich für die Verbraucher eindeutig positiv ausgewirkt. Allerdings ist der Bund mit 51 Prozent auch heute noch der Mehrheits-Eigner der Swisscom, woraus sich durchaus ein Interessenkonflikt ergibt, da er im Hinblick auf den Schweizer Kommunikationsmarkt Regulationsaufgaben wahrzunehmen hat und als Repräsentant der Steuerzahler auftritt. Mit seiner Rolle als Mehrheits-Aktionär und Grosskunde der Swisscom vertragen sich diese Aufgaben nur bedingt. Im Mobilfunk-Segment dominiert die Swisscom den Markt mit einem Marktanteil von rund 62 Prozent, Sunrise und Orange Schweiz besetzen rund 20 respektive 17 Prozent. An dieser Relation wird sich – anders als in den Nachbarländern, wo die früheren Monopolisten deutlich stärker Federn lassen mussten – auf absehbare Zeit auch nichts verändern.

Als deutlich intakter erweist sich der infrastrukturelle Wettbewerb im Schweizer Festnetz-, Internet- sowie TV-Markt. Mit ihren Koaxial-Kabelnetzen machen Anbieter wie UPC Cablecom gegenüber der Swisscom vorerst noch reale Wettbewerbsvorteile geltend. Unter anderem durch die Umstellung ihrer Festnetzkapazitäten auf Glasfaser will die Swisscom mit ihren Wettbewerbern hier perspektivisch zunächst auf Augenhöhe kommen. Der Trend in diesem Marktsegment geht übrigens recht eindeutig zu Quadruple-Angeboten: Festnetz-Telefonie, stationäres Internet, TV sowie Mobilfunk von einem Provider und somit aus einer Hand.

Die Bündelangebote der Swisscom nutzten Ende des vergangenen Jahres bereits eine Million Kunden – 27 Prozent mehr als noch im Vorjahr. UPC Cablecom plant jetzt, mit entsprechenden Angeboten auch in den Mobilfunkbereich vorzudringen. Im Erfolgsfall resultiert daraus für den bisherigen Marktführer Swisscom massiver Druck. Telekom-Anbieter sind dann auf dem Markt erfolgreich, wenn sie ihren Kunden neben einem leistungsstarken Netz auch kompetenten Service und innovative Angebote anzubieten haben. Die Schweizer Anbieter haben hier noch die Erledigung einer Vielzahl von Hausaufgaben vor sich.

 

Oberstes Bild: © Martin Goodshutterstock.com

jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});