Globale Fress-Sucht: Innovative Firmen werden zu Appetizern der Konzerne

Das Verlagern von Fertigungsstätten in Staaten mit signifikant günstigerem Kostenniveau ist für den einen das Charakteristikum für den unersättlichen, profitgierigen Kapitalismus. Betriebswirtschaftler und Kostenrechner mit globalem Fokus neigen jedoch eher zu einer nüchternen Betrachtungsweise. Aus ihrer Sicht birgt die fortschreitende Globalisierung Chancen und Risiken zugleich.

Die USA haben jahrzehntelang vorgelebt, wie die Verlagerung von Produktionsstätten praktiziert werden kann. Jene Schwellenländer, die zu den Auserwählten der Produktionsverlagerungen zählten, konnten sich über Mangel an Arbeit nicht beklagen. Unendlich viele kleine Gewinne für unendlich viele Low-Tech-Produkte, die im Auftrag der Industrienationen produziert wurden, haben die Kassen der „Schwellenländer“ über die Jahrzehnte prall gefüllt. Allen voran jene der Volksrepublik (VR) China. Die aufstrebende Wirtschaftsnation macht in jüngster Zeit durch spektakuläre Firmenkäufe und -Übernahmen von sich reden. Leckere „Appetizer“ finden sich in Europa, bevorzugt in der „German-Linguistic Area“, bestehend aus den „D-A-CH“-Staaten Deutschland (D), Österreich (A) und Schweiz (CH).

Chinas Einkaufstour

Die Fünfjahrespläne der VR China sprechen eine klare Sprache. Die Regierung hat dem bevölkerungsreichsten Land der Erde ein ehrgeiziges Wachstumsprogramm verordnet. Seit dem Jahr 2011 führt die VR bei den weltweit getätigten Patentanmeldungen. Man will und muss weg vom Image des Billigproduzenten. Ergo stimuliert die chinesische Regierung durch Subventionen die eigenen Unternehmen hin zu verstärkten Forschungs- und Entwicklungsleistungen.

Doch damit nicht genug. Zu gross ist der Innovationsvorsprung der traditionellen Industrienationen. Wie eine Ernst & Young (E & Y) Studie aus dem Jahre 2012 herausarbeitete, macht es für China zum einen viel Sinn, sich ein technologisches Standbein auf dem europäischen Markt zu schaffen – die Wirtschaftsprüfer verweisen zum einen auf den weltweit grössten gemeinsamen Wirtschaftsmarkt, den die 28 in der Europäischen Union verbundenen Staaten verkörpern. Zum anderen finden sich hier Technologie-Führer, die sich auf den Weltmärkten als Trendsetter für qualitativ und technologisch richtungweisende Produkte des Maschinenbaus Meriten erworben haben. Die chinesische Einkaufstour ist in vollem Gange.

Garanten für Chinas qualitatives Wachstum

Wir erinnern uns mit Grauen an den Beginn der bis zum heutigen Tage fortdauernden Atomreaktor-Katastrophe in der japanischen Atommeiler-Farm Fukushima. Innerhalb weniger Tage wurden die Warnungen renommierter Nuklear- und Kernforscher zur existenzgefährdenden Wirklichkeit. Wie sollte man den entstandenen Lecks und der einsetzenden Kernschmelze vor der Haustüre der Multi-Millionenstadt Tokio beikommen? Da nahte Rettung , ausgerechnet aus Europa. Aber zurück nach Fukushima, wo man die ersten menschlichen „Nuklear-Kamikaze“-Staffeln für den Einsatz auf dem verstrahlten Reaktor-Gelände rekrutiert hatte, wohl wissend, dass diese Menschen mit hoffnungslosen, todbringenden Verstrahlungen aus ihrem kurzen Einsatz zurückkehren würden.


Chinesische Unternehmer kaufen sich immer mehr in Europas Hightech-Branche ein – so geschehen nach dem Fukushima-Unglück. (Bild: BPTU / shutterstock.com)


Da wurde ein europäisches Unternehmen mit einer bereits fertig ausgereiften Technologie aus dem Serienbau vorstellig, mit der man Kühlwasser aus dem nahe gelegenen Meer über ein gigantisches „Storchenschnabel-Faltrohrsystem“ sicher, kontinuierlich und über grosse Distanzen auf den Punkt genau an den Einsatzort bringen konnte. So wurde das Wasser für die Kühlung der Reaktor-Brennstäbe mit der Präzision eines Seziermessers in die explodierten Reaktoren injiziert, um den Super-Gau zu verhindern. Das Knowhow kam aus Deutschland. Die mittelständische Firma Putzmeister mit ihrer patentgeschützten Kernkompetenz rund um einzigartige Betonpumpen lieferte ein weltweit konkurrenzloses Produkt und bekam mit der Inbetriebnahme ihrer einzigartigen Technik in Fukushima tausende kostenloser TV-Auftritte zu besten Nachrichten-Sendezeiten, rund um den Globus.

Putzmeisters Zeit als eigenständiges Maschinenbauunternehmen im schwäbischen Städtchen Aichtal neigte sich dank dieser „globalen Werbekampagne“ mit grosser Vehemenz ihrem Ende zu. Weltkonzerne leckten sich bereits bei den Übertragungen der Unheil-Nachrichten aus Fukushima genüsslich über die Lippen beim Anblick dieses leckeren Hightech-Häppchens und setzten die deutsche Firma Putzmeister auf ihre Shopping-Liste. Als ernsthaftester Interessent entpuppte sich schnell der in Südchina ansässige Baumaschinen-Riese Sany. Der Deal ging mit atemberaubender Geschwindigkeit über die Bühne. Bereits 32 Tage nach der vom Putzmeister-Management am Sany-Standort Changcha vorgetragenen Präsentation kam die spektakuläre Übernahme im Rahmen des Notariats-Termins bei der Frankfurter Anwaltskanzlei Sherman Sterling in „trockene Tücher“.

Der neue Eigentümer nimmt die Zukunft in die Hand

Wie lässt sich eine Übernahme vom Kaliber Putzmeister einordnen? Da es sich bei Putzmeister und Sany um Unternehmen mit durchaus komplementärer Struktur handelt, war diese Übernahme keinesfalls willkürlich. Es steht auch ausser Frage, dass die Spitzentechnologie aus Deutschland mit chinesischen Produktionskapazitäten und dem Zugang auf riesige, wenig gesättigte Märkte eine nicht von der Hand zu weisende Symbiose eingeht. Inwieweit sich bei diesem konkreten Übernahmebeispiel von einer „Win-Win“-Situation sprechen lässt, mag die Zukunft zeigen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist dieser Unternehmenskauf eine Investitionsentscheidung. Und „de jure“ beschreibt das in der Banken-Metropole Frankfurt am Main besiegelte Notariats-Dokument ein Vertragswerk, das zum einen den Kaufgegenstand – nämlich das zu erwerbende Unternehmen -, zum anderen den vom Käufer an den Verkäufer zu entrichtenden Kaufpreis von 360 Millionen Euro beschreibt.

Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und so nimmt es nicht Wunder, wenn ein Frankfurter Banker sein persönliches Resümee aus diesem Deal zieht: „Die haben wenigstens Kasse gemacht.“ Dabei dachte er sicherlich an die zahllosen Mittelständler, die viel Geld in Forschung und Entwicklung investieren, um beim nächsten internationalen Messetermin ihre eigenen Produkte ohne grössere Retuschen auf den Messeständen fernöstlicher Anbieter wieder zu finden.

 

Oberstes Bild: © chanpipat – shutterstock.com

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