Höher, schneller, weiter - oder einfach nur besser

Nicht nur Olympische Spiele, auch andere sportliche Events und Meisterschaften sind Anlässe, nach dem „Höher, Schneller und Weiter“ zu streben. Dabei kommt der olympische Gedanke „Dabei sein ist alles!“ oftmals viel zu kurz. Wer erinnert sich schon an Zweit-, Dritt- oder gar Viertplatzierte, wen interessieren die Hundertschaften anderer Teilnehmer, die ohne das begehrte Gold nach Hause fahren? Letztlich bleiben es immer die Sieger, die im Gedächtnis bleiben. Viele Parallelen zum Wettkampfsport zeigen sich auch im wirtschaftlichen Kampf um die besten Plätze. Dabei fallen im Wettstreit um „Höher, Schneller und Weiter“ die meisten Unternehmen innerhalb einer Branche nach hinten durch, obgleich sie nicht zwingend die schlechteren Leistungen bieten.

Wie wäre es da mit dem Wettbewerb um das „Besser“?

Ja, die gibt es ohne Frage. Grenzen werden entweder durch physikalische Gesetzmässigkeiten oder durch die Menschen selbst gesetzt. Was im Sport den Kampf um Zentimeter, Hundertstel und Tausendstel ausmacht bestimmt in der Wirtschaft oftmals der Mensch selbst. Wozu braucht es Fahrzeuge, die mehr als dreihundert Kilometer in der Stunde fahren können, wenn die Möglichkeiten dafür ohnehin nicht gegeben sind?

Was fängt der Nutzer mit Druckern an, die für teures Geld eine Auflösung bieten, die vom menschlichen Auge sowieso nicht zu erfassen ist? Was soll der Eskimo mit Eiswürfeln anfangen? Grenzen für Entwicklungen von Produkten und Leistungen werden meist vom Bedarf gesetzt. Wer darüber hinaus entwickelt und produziert, kann sich zwar eines überdurchschnittlichen technischen Know-Hows rühmen, bleibt aber für die Masse der Endverbraucher eher uninteressant.

Grenzen für Entwicklungen und Produkte werden auch oft durch ethische und moralische Ansprüche gesetzt. Daran vorbei führt letztlich kein Weg. Es sei denn, Unternehmen bewegen sich erfolgreich in wirtschaftlichen Nischen, die sie in einer Art Alleinstellung beherrschen können. Grenzen für Entwicklungen sollten in jedem Fall dort liegen, wo das Mass der Vernunft und der Verantwortung überschritten wird. Daran müssen sich viele Unternehmen erst noch gewöhnen.


Kein Taschenmesser, auch nicht ein Schweizer Taschenmesser, ist automatisch dadurch besser, dass es über eine Unzahl an Funktionen und Einsatzmöglichkeiten verfügt. (Bild: Maclatz / pixelio.de)


Warum das Besser besser ist

Während vor allem wirtschaftlich dominante Unternehmen ihren Erfolg vor allem nach Umsatz, Gewinn und Markenpräsenz rechnen, haben besonders kleinere Unternehmen längst erkannt, dass es nicht immer nur um Höher, Schneller und Weiter geht. Was die Verbraucher und Produktanwender wünschen, ist zunehmend ein Besser. Besser wird dabei definiert durch funktionaler, langlebiger, zuverlässiger und vor allem sinnvoller.

Kein Taschenmesser, auch nicht ein Schweizer Taschenmesser, ist automatisch dadurch besser, dass es über eine Unzahl an Funktionen und Einsatzmöglichkeiten verfügt. Es ist vor allem dann besser, wenn es schärfer und langlebiger als die Konkurrenz ist. Und wenn es genau das kann, was die Werbung verspricht. Dann wird aus einem scheinbar einfachen Taschenmesser ein Produkt, das besser ist als so manches vergleichbares Messer.

Besser ist etwas dann, wenn es die Erwartungen der interessierten Menschen am ehesten erfüllt. Ob dieses Etwas dann schneller ist, bleibt eine ganz andere Frage, die sich oftmals gar nicht stellt. Tagtäglich überschwemmt die Wirtschaft besonders in Europa die Menschen mit Produkten, deren Sinn sich nicht so wirklich erschliesst. Immer schneller werden dadurch natürliche und menschliche Ressourcen verschlissen.

Wegwerfprodukte bringen den Herstellern jede Menge Gewinne, unnütze aber teuer angepriesene Produkte landen über kurz oder lang im Müll und Leistungen, die mehr versprechen als sie halten können werden gekauft, bringen aber selten das, was der Kunde erwartet. Hier lohnt sich der Blick auf das Besser in mehrfacher Hinsicht. Dabei sollten ökologische Abwägungen genauso ins Kalkül gezogen werden wie monetäre Überlegungen. Besinnen sich die Verbraucher mehr auf das Besser, dann sind auch die Anbieter gezwungen, dieses Besser auf den Markt zu bringen. In der Endkonsequenz wird die Rangliste der Wettbewerber völlig neu gemischt und der Kunde trägt letztlich als Nutzniesser den Sieg nach Hause.

Dem Wahnwitz ein Ende machen

Und so liegt es letztlich in der Verantwortung nicht nur der Unternehmen, sondern vor allem der Verbraucher, dem Wahnwitz der Überproduktion und der Produktion am Bedarf vorbei ein Ende zu bereiten. Gewinnen sollte nicht mehr, wer die meisten Produkte zum Schleuderpreis verkauft, sondern vielleicht der, der die vergleichbar besseren Produkte anbietet. Ein solche Idee bringt nicht nur die Wirtschaft voran, sondern grenzt die Ressourcenverschwendung deutlich ein. Gerade in der Konsumgüterindustrie wird deutlich, zu welchen Auswüchsen der Wettkampf um das blosse Mehr führt.

Da werden Haushaltsgeräte und Technikwunder produziert, die mit Sollbruchstellen und Halbwertszeiten ausgestattet sind, ohne dass der Verbraucher davon weiss. Endlich kaputt, ist dann ein Neukauf fällig und so wird künstlich ein Bedarf am Leben erhalten, der nicht dem Verbraucher nützt, sondern lediglich dem Hersteller und seiner Verkäufermannschaft Geld in die Kassen spült. Fast täglich werden wir von neuen Smartphones überrascht, die mit Funktionen glänzen, welche der Durchschnittskunde in dieser Vielfalt gar nicht braucht. Im selben Atemzug wird vermittelt, dass out ist, wer nicht in ist. Da haben es wahre Qualitätsprodukte am Markt nicht immer leicht.

Letztlich ist aber davon auszugehen, dass sich langfristig die besseren Produkte durchsetzen werden, sofern es den herstellenden Unternehmen gelingt, den zwischenzeitlichen Wettkampf um das Höher, Schneller, Weiter und vor allem um das Mehr zu überleben.

 

Oberstes Bild: @ lassedesignen – Fotolia.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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