Yield-Management im Schweizer Skitourismus

Mit dem sogenannten Yield-Management kommt jeder Fluggast bei der Ticketbuchung in Berührung. Die Airlines wollen mit flexiblen Tarifen und einer dynamischen Preisgestaltung eine möglichst hohe Auslastung erzielen. Der Skigebietsbetreiber Weisse Arena möchte dieses Modell jetzt auf den Schweizer Skitourismus übertragen. Flexible Preisangebote im Internet sollen mehr Kunden auf die Pisten locken und im ersten Schritt vor allem dabei helfen, eine umfangreiche Datensammlung anzulegen.

Zum Hintergrund: Der Skitourismus in der Schweiz stagniert und befindet sich in einigen Regionen sogar im Abschwung. In der Saison 2008/2009 konnten die Skigebiete noch 29,3 Millionen Ersteintritte für sich verbuchen, drei Jahre später – in der Wintersaison 2011/2012 – waren es dagegen nur noch 24,7 Millionen Ersteintritte. Einflussfaktoren waren hier sicher auch die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der hohe Kurs des Franken. Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass die Branche derzeit einen tiefgreifenden Wandel durchmacht. Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es zu einem Skiurlaub in der Wintersaison nur wenige Alternativen, heute können sich die Schweizer mehrheitlich auch Fernreisen ohne grosse Mühe leisten.

Weisse Arena: Neue Visionen für Graubündner Skigebiete

Die Weisse Arena und ihr Chef, der studierte Jurist und Wirtschaftswissenschaftler Reto Gurtler, haben diese Zeichen der Zeit recht früh erkannt. Gurtler hat die Weisse-Arena-Gruppe in den vergangenen Jahren als ein sehr stark integriertes Unternehmen aufgebaut, zu dem neben Bergbahnen und Skischulen auch Restaurants, Beherbergungsbetriebe sowie Sportgeschäfte gehören. Finanziell steht die Gruppe hierdurch trotz der Skitourismus-Flaute sehr solide da. Ihre Umsätze befinden sich im Aufwind, ihre Rentabilität auf einem guten Level. Trotzdem steht ihre Bergbahn-Sparte vor den gleichen Problemen wie andere Skigebietsbetreiber. Die Bergbahnen müssen für neue Kundengruppen interessanter werden, den Umsatz mit Bestandskunden erhöhen sowie effizientere Verkaufsroutinen entwickeln.

Reto Gurtler formuliert vor diesem Hintergrund für seine Unternehmensgruppe ein ehrgeiziges Programm. Seine Kunden will er zu „Fans“ entwickeln, die nicht nur „konsumieren und kritisieren“, sondern für ein Projekt – die Angebote der Weissen Arena – echte Begeisterung entwickeln. Ausserdem will er die Abhängigkeit des Unternehmens von Kunden aus den aus strukturellen Gründen bereits heute schrumpfenden Märkten Schweiz und Deutschland mindern, die im Übrigen bisher den gesamten Bündner Skitourismus prägt. Gurtler setzt perspektivisch auf eine neue urbane Klientel, die aus ganz verschiedenen Ländern – langfristig auch aus Indien und China – kommen soll.

Drei Online-Offerten: Eco, Standard, Premium

Das neue Yield-Management des Unternehmens ist in diese Pläne eingebettet. Die Weisse Arena bietet ihren Kunden im Internet drei verschiedene nachfragebasierte Offerten an. Das Eco-Paket besteht aus vergünstigten Tageskarten zu einem Preis ab 39 Euro. Ihr tatsächlicher Preis sowie die Grösse der Kontingente richten sich nach Wetterprognosen sowie den Feiertags- und Ferienterminen. Storniert werden können die Eco-Tickets nicht. Wenn das Tageskontingent verbraucht ist, wird der Preis automatisch um fünf Franken angehoben. Die Verkäufer dürfen die Kontingente eigenverantwortlich regulieren und bei schlechtem Skiwetter beispielsweise vergrössern. Daneben gibt es die auch bisher verkauften Standard-Tageskarten und als Premium-Angebot zum Preis von 99 Franken die sogenannten Blueline-Tickets, deren Käufer einige Vergünstigungen geniessen. Die Weisse Arena will mit den Blueline-Tickets unter anderem testen, für welche Leistungen Skitouristen einen Aufpreis akzeptieren.


Skilift mit Skifahrern (Bild: www.werbebunker.de / pixelio.de)


Yield-Management als Zugangsmöglichkeit zu komplexen Kundendaten

Das Programm wird in der inzwischen dritten Saison unter dem Namen Laax+ vermarktet. Eine Nachfrageglättung – beispielsweise zwischen Sonn- und Wochentagen – ist damit vorerst zumindest als explizite Zielstellung nicht verbunden. Ob günstige Tarife mehr Gäste dazu verlocken, sich verstärkt an Arbeitstagen auf die Piste zu begeben respektive welcher Zusammenhang zwischen Preis und Nachfrage besteht, lässt sich aus der vorhandenen Datenbasis bisher nicht ermitteln.

Zwar steht die Weisse Arena in Bezug auf den Verlust von Ersteintritten besser da als die meisten anderen Bündner Skigebiete – dass Laax + dafür den Ausschlag gibt, ist eher unwahrscheinlich. Als gesichert gilt, dass die Nachfrage nach Skitickets sich vor allem am Wetter und weniger an Preisen orientiert. Die Weisse Arena profitiert von dem System jedoch auch noch in anderer Weise: Durch die Vorkasse bei der Online-Buchung gewinnt das Unternehmen Liquidität.

Da sich die Kunden auf dem Laax+-Portal registrieren müssen, werden ausserdem Adressen generiert, die verwendet werden können, um den Gästen weitere Offerten oder Service-Informationen anzubieten. Je mehr und je exaktere Daten die Weisse Arena dabei erhält, desto zielgerichteter wird sie perspektivisch ihre Angebote gestalten können. Reto Gurtner geht davon aus, dass sein Unternehmen in einigen Jahren rund 80 Prozent der Skipässe über das Internet verkauft und damit auch in grösserem Umfang Kosten spart.

Als alternative Vertriebskanäle für vergünstigte Skipässe waren in der Vergangenheit auch Rabatt-Webseiten, Einzelhändler oder Filialbanken im Gespräch. In der Branche haben sich solche Rabatt-Aktionen jedoch nicht durchgesetzt. Die Unternehmen machten die Erfahrung, damit vor allem Schnäppchenjäger sowie die zahlreichen regionalen Ferienhausbesitzer anzuziehen – also Kunden, die sich sonst entweder gar keinen Skipass leisten oder ihn auch zum normalen Preis erwerben würden. Zudem stand bei einer Bindung an andere Firmen die Hoheit über die eigene Absatzstrategie – beispielsweise n Form von Kontingent- und Preisanpassungen – zur Debatte.

Allerdings ergeben sich aus dem Yield-Management im Skigebiet auch einige Probleme. Nach Angaben der Weissen Arena haben internationale Touristen das Blueline-Angebot angeblich gut angenommen. In der Schweizer Öffentlichkeit hat es dagegen zum Teil empörte Reaktionen provoziert. Vielen Schweizern gilt Skifahren nach wie vor als Nationalsport, wozu nicht wirklich passt, dass die Blueline-Gäste an den Talstationen bevorzugt abgefertigt werden.

 

Oberstes Bild: Yield-Management – der neue Trend im Schweizer Skitourismus (Bild: © Gorilla – Fotolia.com)

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