Das "Pippi-Langstrumpf-Prinzip" oder: Warum auch Top-Manager unerklärliche Fehler machen

„Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune…“. So geht die legendäre Pippi Langstrumpf fröhlich pfeifend durchs Leben. Was das mit Unternehmensführung zu tun hat? Genauso wie der rothaarige Frechdachs leiden auch viele Manager an einer seltsamen Ignoranz der Wirklichkeit. Lesen Sie anhand zweier prominenter Beispiele, warum das PLP garantiert zum Misserfolg führt – und wie man sich selbst als angehenden PLP-ler erkennen kann.

„…ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt“. Was bei Pippi natürlich immer gut geht, hat einige Unternehmen schon an den Rand der Insolvenz oder darüber hinaus gebracht. Für externe Beobachter ist die Beratungsresistenz der Manager oft nicht nachvollziehbar. Wie können die nur so blind sein? Doch so einfach ist die Sache nicht.

Worin besteht das Pippi-Langstrumpf-Prinzip?

Das PLP ist natürlich keine echte Unternehmensstrategie. Es geht dabei nicht um das Finden neuer Zielgruppen, die Entwicklung neuer Innovationen oder das Binden von Kunden. PLP ist eigentlich ein psychologisches Phänomen, das Pippi in ihrem Lied gut auf den Punkt bringt: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“. PLP bedeutet folglich die Missachtung sämtlicher, vor allem unangenehmer, Veränderungen in der Umwelt. Es liegt auf der Hand, dass dieses Denken ein absoluter Killer für jedwede Unternehmensweiterentwicklung darstellt.

Das macht doch kein ernstzunehmender Topmanager, glauben Sie? Dann nehmen Sie sich zwei Minuten Zeit, um folgende Reaktion vom damaligen Microsoft-CEO Steve Ballmer auf das damals (2007) gelaunchte iPhone anzusehen:



Ballmer bringt hier lupenreinstes PLP-Denken zum Ausdruck. Statt sich mit dem Hintergrund von Apples Neuentwicklung und damit den Bedürfnissen der Nutzer zu beschäftigen, belächelt er das iPhone mit der Arroganz des Marktführers von oben herab. Doch welche Rolle spielen heute Windows Phone-Geräte auf dem Markt, und welche spielt das iPhone?

Die bewusste Indifferenz gegenüber Neuentwicklungen und Kundenbedürfnissen ist tatsächlich ein integraler Bestandteil von PLP. Man könnte auch sagen, PLP dreht das bekannte Marktprinzip um: Nicht mehr die Nachfrage bestimmt das Angebot, sondern das Angebot soll die Nachfrage bestimmen.

Gründe, PLP als „Strategie“ zu wählen

Die Entscheidung für PLP ist meist keine bewusste. Viele Unternehmen setzen das Prinzip bereits ein, ohne es zu wissen. Die Gründe liegen wohl darin, dass PLP eine höchst bequeme Handlungsmaxime darstellt. Man verändere nichts am gegenwärtigen Ablauf, ignoriere kritische Stimmen, und sinkende Absatzzahlen spiele man mit den Worten herunter: „Das wird schon wieder. Wir waren schon mal Marktführer, wir werden es wieder.“ Auch spart man sich durch PLP das lästige Investieren von Geld und Zeit in Marktforschung und Innovationen.

Wie ist es sonst zu erklären, dass Agfa – vor 15 Jahren noch eine der weltweit wichtigsten Marken im Bereich Fotofilme und -kameras – den Umstieg auf Digitalkameras völlig verpennte und heute nur noch ein Schatten früherer Glorie ist? Man muss kein Wirtschaftspsychologe sein, um klar zu sehen, dass eine Digicam mit der Möglichkeit, Tausende von Fotos zu schiessen incl. Löschfunktion einfach besser ankommt als eine analoge Kamera, bei der nach spätestens 36 Bildern der umständliche Filmwechsel fällig wird.

Die SIA-Methode oder: Wie man sich selbst als PLP-ler erkennt

Was macht eigentlich ein dem PLP-Denken folgender Manager, wenn ihm Fakten wie bessere Bewertungen von Konkurrenzprodukten oder ihm schlechte Umsatzzahlen präsentiert werden? Die Erfahrung zeigt, dass viele nach dem SIA-Schema (Selbstbeweihräucherung, Ignoranz, Angriff) vorgehen. Hieran können Sie auch sich selbst messen und kritisch hinterfragen: Weise ich schon solche Verhaltensmuster auf? Dann bin wahrscheinlich dem PLP verfallen und sollte schleunigst zusehen, die Fenster meiner Denkbude wieder zu öffnen, um den frischen Wind der Kritikfähigkeit und Lernbereitschaft hineinwehen zu lassen.


Wie das berühmte Roman-Mädchen von Astrid Lindgren verschliessen auch viele Manager die Augen vor der Realität. (Bild: Robert Babiak / pixelio.de)


1. Selbstbeweihräucherung

Im Moment steht das Unternehmen nicht so gut da? Kein Problem, man hat ja noch die Erfolge der Vergangenheit in der Hinterhand. 1996, da haben wir den PCTipp-Test gewonnen! Und ausserdem zählt nicht, was andere von mir oder uns denken – Hauptsache, wir wissen, was wir können, und das ist ziemlich viel!

2. Ignoranz

Wer sich unliebsame Kritik und Verbesserungsvorschläge vom Leib halten will, braucht natürlich gute Argumente. Und sind die besten nicht die, welche die Einwände der Gegenseite einfach totschlagen? Die so genannten Totschlagargumente trifft man immer wieder, und sie sind genauso effektiv wie hanebüchen. Eine kleine Auswahl der wichtigsten:

  • Wir haben das schon immer so gemacht.
  • Das würde den Rahmen sprengen.
  • Daran sind schon ganz andere gescheitert.
  • Das hat noch nie funktioniert.

Natürlich handelt es sich hierbei um gar keine Argumente, sondern nur um Vorwände um die eigene Ignoranz zu übertünchen.

3. Angriff

„Angriff ist die beste Verteidigung“ lautet ein Sprichwort. Diese Maxime ist auch im PLP-Denken zu Hause. Denn es gilt die eigens erschaffene Welt zu verteidigen. Dazu ist jedes Mittel recht. Kritische Stimmen aus den eigenen Reihen werden mundtot gemacht, notfalls durch Entlassen. Auch kann man die Konkurrenz mit unsinnigen Unterlassungserklärungen beschäftigen. Da hilft manchmal ein kritischer Blick auf die Webseite des Wettbewerbers. Irgendeine Kleinigkeit lässt sich schon finden, um den unliebsamen Mitwettbewerber mit Anwälten zu beschäftigen.

Wenn Spitzenkräfte so argumentieren, geht das Unternehmen ganz sicher einer Zeit des Misserfolgs entgegen – fröhlich pfeifend „Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt“…

 

Oberstes Bild: © wildworx – Fotolia.com

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