Grossbritannien nimmt Kurs auf „no deal“-Brexit

Mit einem geschickten und ruchlosen Schachzug hat der neue Premierminister Boris Johnson das britische Parlament ausgehebelt. Mit Hilfe der Queen plant er das gesamte Parlament für rund fünf Wochen zu schliessen. Das ist länger als üblich und geht über das gesetzlich vorgeschriebene Austrittsdatum hinaus.

Den Abgeordneten bleibt mit dieser Massnahme praktisch keine Zeit, um noch ins Brexit-Geschehen einzugreifen.

Johnson hat somit freie Fahrt und kann mit einer hohen Glaubwürdigkeit gegenüber der EU auftreten. Ebenfalls spart er sich die Suche nach politischen Kompromissen, an denen Theresa May unter anderem gescheitert war. Er wird nicht wie sie der Gefahr ausgesetzt sein, jeweils vom Parlament wieder unter- laufen zu werden. Wir erinnern uns: May scheiterte mit ihrem mit der EU ausgehandelten Brexit-Deal jeweils am Widerstand und den Partikularinteressen der einzelnen Abgeordneten. Angesichts der aktuellen Situation würden vielleicht einige anders stimmen, hätten sie gewusst, was ihnen mit Johnson blüht. Aber hätte, wäre und würde sind passé. Die Chancen auf einen no-deal Brexit haben sich mit den jüngsten Ereignissen deutlich erhöht.

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„Chicken“-game – wer weicht aus?

Die Verhandlungen mit der EU gleichen dem berühmten „chicken-game“. In diesem Spiel auf Leben und Tod rasen zwei Typen mit ihren Autos aufeinander zu. Derjenige, der zuerst ausweicht, hat verloren und ist das „chicken“. Weicht keiner aus, sterben beide. Die grosse Frage bleibt nun, wer weicht als Erster aus? Die EU oder Grossbritannien? Oder weicht keiner von beiden aus und zieht den anderen womöglich mit ins Verderben? Boris Johnson hat zumindest alles dafür getan, dass ihm die EU glaubt, dass er einen harten Brexit durchziehen und dementsprechend geradeausfahren werde, koste es was es wolle.

Die Marktreaktionen blieben vorerst gelassen. Das Pfund büsste knapp 1% an Wert ein, die Aktienmärkte blieben entspannt. Und dafür gibt es gute Gründe. Zum einen hat Johnson auch noch Zeit bis Ende Oktober, mit der EU zu verhandeln. Es ist durchaus denkbar, dass er dank seiner harten Haltung einen Deal erreichen kann. Und zum anderen scheint im Moment sowieso alles auf den Handelskonflikt fokussiert.

BIP-Zahlen bereits von Brexit beeinflusst

Die Wachstumszahlen für das Vereinigte Königreich zeigten sich jüngst sehr volatil. Dies hat viel mit der ursprünglichen Deadline vom 31. März zu tun. Im ersten Quartal nahm das BIP, angetrieben durch Lageraufbau in Erwartung eines Brexits, um 0.5% zu. Im darauffolgenden Quartal brach das BIP hingegen um 0.2% ein. Dieser Effekt dürfte mit der kommenden Deadline kleiner ausfallen, da viele Firmen immer noch auf diesen Lagerbeständen sitzen. Über die Höhe des BIP-Ausfalls bei einem no-Deal Brexit, lässt sich nur spekulieren. Zu viele Variablen sind unsicher. Aber etwas scheint auf jeden Fall sicher: Den Brexit wird Boris Johnson durchziehen, ob mit Deal oder ohne.

 

Titelbild: Zoom Photo Graphic Stock – shutterstock.com

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Mehr zu Beat Schiffhauer

Beat Schiffhauer ist Senior Strategieanalyst der St.Galler Kantonalbank. Er ist mitverantwortlich für die globale Konjunkturanalyse sowie der Situation an den Finanzmärkten. Seine Analysen dienen als Grundlage für die Entscheide im Rahmen des Anlageprozesses. Er ist hauptsächlich verantwortlich für die interne und externe Kommunikation marktrelevanter Ereignisse und Themen. Davor war Beat Schiffhauer im Portfoliomanagement bei der UBS tätig. Er hat an den Universitäten Bern und Kopenhagen Volkswirtschaft studiert und ist ein CFA-Charterholder. Berufsbegleitend studiert er „Applied History“ an der Universität Zürich.

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