Neue OECD-Studie: Den Schweizern geht es gut

Alle zwei Jahre erhebt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) in ihren 34 Mitgliedsstaaten ein sehr ausführliches Datenpaket zur ökonomischen und sozialen Entwicklung sowie zu den aktuellen Befindlichkeiten ihrer Bürger. Für die Schweiz zeichnet die Studie „Gesellschaft auf einen Blick 2014“ ein ausgesprochen positives Bild.

Die Wirtschaft prosperiert und wird sich auch in absehbarer Zukunft gut entwickeln. Frau und Herr Schweizer sind gesund und vital, im internationalen Vergleich können sie sich über die höchste Lebenserwartung freuen. Schwächen zeigen sie vor allem in einigen subjektiven Wahrnehmungen des Alltags: Im Hinblick auf ihre gefühlte Sicherheit belegen die Schweizer in der Erhebung keinen Spitzenplatz, auch sozialer Zusammenhalt und Toleranz sind weniger ausgeprägt als in einigen anderen Ländern.Die Folgen der Finanzkrise bildete die Vorlage für die aktuelle OECD-Erhebung. In den OECD-Staaten wird sie nach wie vor als ein wirtschaftliches und soziales Menetekel wahrgenommen. Inwieweit sie wirklich überwunden ist, betrachten auch viele Experten bisher als offene Frage. Von nachhaltigen Auswirkungen der globalen Krise ist die Schweiz trotz temporärer Rückschläge jedoch weitgehend verschont geblieben, im internationalen Vergleich stehen die Eidgenossen glänzend da. Das Gegenbeispiel: Griechenland findet seit fünf Jahren keinen Ausweg aus der Rezession – das Empfinden allgemeiner Existenzunsicherheit, die Arbeitslosigkeit und auch die Angst vor Kriminalität sind seitdem stark angestiegen.


Mit einer Arbeitslosenquote von rund vier Prozent herrscht in der Schweiz dagegen fast Vollbeschäftigung. (Bild: Thorsten Schmitt / Shutterstock.com)


Hohes Durchschnittseinkommen, geringe Arbeitslosenquote

Mit einer Arbeitslosenquote von rund vier Prozent herrscht in der Schweiz dagegen fast Vollbeschäftigung. In den OECD-Ländern finden sich nur in Norwegen und Südkorea noch weniger Menschen ohne Arbeitsplatz. Entsprechend limitiert sind die Sozialausgaben des Bundes. Zwar ist die wirtschaftliche Ungleichheit stärker ausgeprägt als beispielsweise in Österreich oder Deutschland, liegt jedoch unter dem Durchschnittswert der 34 Länder.

Auch die demografische Entwicklung hat die Schweiz bisher recht gut im Griff: Auf einen Pensionär kommen 3,6 Erwerbstätige, die für seine Rente sorgen. Die Schlusslichter sind hier übrigens Deutschland und Italien mit 2,9 respektive 2,4 Erwerbstätigen pro Ruheständler. Den Deutschen bescheinigt der OECD-Report, dass sie durch die Veränderung der Alterspyramide härter getroffen wurden als durch die globale Krise. Auch die Einkünfte der Schweizer können sich sehen lassen. Das verfügbare durchschnittliche Haushaltseinkommen liegt bei 31’300 US-Dollar (27’630 Franken). Mehr verdienen innerhalb der OECD nur die Einwohner Norwegens und Luxemburgs.

Die Schweizer: langlebig, vital, gesund

Vier von fünf Schweizern geben an, sich gesundheitlich sehr gut zu fühlen und liegen damit deutlich über dem Durchschnitt der untersuchten Länder, der sich auf 69 Prozent beläuft. Ihre Lebenserwartung ist innerhalb der OECD-Staaten am höchsten. Ein 2011 oder später geborenes Kind kann in der Schweiz rein statistisch damit rechnen, 82,8 Jahre alt zu werden. Zu Beginn der 1970er Jahre war die Lebenserwartung der Schweizer noch um zehn Jahre geringer. Den grössten Entwicklungssprung machten in dieser Hinsicht übrigens Südkorea und die Türkei. Die Menschen dort werden heute im Durchschnitt 81,1 respektive 74,6 Jahre alt und leben damit 19 und 20,4 Jahre länger als 1970.

Auch nach dem Renteneintritt ist die Lebenserwartung der Schweizerinnen und Schweizer hoch – Frauen leben im Schnitt 87 Jahre, Männer 84,2 Jahre. Gute Gesundheit und langes Leben haben allerdings auch ihren Preis. Die Gesundheitsausgaben pro Schweizer liegen jährlich bei 5’643 US-Dollar (4’981 Franken) und damit nach den USA und Norwegen weltweit auf dem dritten Platz. Die allgemeine Lebenszufriedenheit ist in der Schweiz höher als in jedem anderen untersuchten Land. Die Eidgenossen schneiden hier auch besser ab als die skandinavischen Staaten, die in diesem Bereich traditionell einen sehr hohen Rang erreichen.

Warum sind Frau und Herr Schweizer ängstlich?

Schwächen zeigen die Schweizer im Hinblick auf den gefühlten sozialen Zusammenhalt sowie soziale Toleranz. Hier befinden sich Schweden, Dänemark, Norwegen und Island, aber auch Kanada, Neuseeland und Deutschland in der Spitzengruppe. Drei von vier Schweizern finden, dass Ausländer an ihrem Wohnort kein wirklich gutes Lebensumfeld finden. Auch andere Minderheiten – beispielsweise Homosexuelle – sind in der Schweiz nicht immer gern gesehen. Zwar haben sich diese Werte seit der vorhergehenden Erhebung leicht verbessert, trotzdem belegt die Schweiz hier nur Platz 18.

Ambivalent ist ausserdem das subjektive Sicherheitsempfinden der Schweizer. Gemessen wurde dieses unter anderem durch die Frage, wie sicher sich die Menschen fühlen, wenn sie nachts alleine unterwegs sind. Demnach fühlen sich die Menschen in der Schweiz zwar durchaus sicherer als die Einwohner vieler anderer Länder, belegen mit ihrer Wertung jedoch trotzdem nur den zehnten Platz. Eine Überraschung ist, dass sich die gefühlte Sicherheit der Schweizer anders als beispielsweise in Österreich, Deutschland, den Niederlanden oder Kanada in den letzten Jahren nicht verbessert hat.

Insgesamt hat sich die soziale Spaltung in der OECD vertieft

Für die meisten OECD-Länder gestaltet sich der Alltag deutlich härter als für die Spitzengruppe, zu der neben der Schweiz und Skandinavien unter anderem auch Österreich sowie Deutschland zählen. Besonders stark leiden heute die Länder Südeuropas sowie Irland und Estland unter den Krisenfolgen. Viele Menschen, die vor 2008 am wenigsten vom zeitweise hohen wirtschaftlichen Wachstum profitierten, hat die Rezession mit voller Wucht getroffen.

Immerhin 13,2 Prozent aller Einwohner der OECD-Staaten verfügen nicht immer über genügend Geld für Essen – zwei Prozentpunkte mehr als in der Erhebung vor zwei Jahren. OECD-Präsident Angel Gurria sagte, dass der wirtschaftliche Aufschwung allein nicht ausreichen wird, um die sozialen Probleme in den betroffenen Ländern zu lösen und mahnte wirksamere sozialpolitische Massnahmen sowie Reformen an, um für künftige Krisenzeiten vorzubauen.
Oberstes Bild: © Gil C / Shutterstock.com

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