Fast schon ein bisschen unheimlich: Real-Time-Advertising

Eigentlich war es ja vorherzusehen. Die technischen Möglichkeiten für eine konsequente Umsetzung der zeitgeistgeprägten Ideale sind mittlerweile vorhanden und nun wird dem Individualismus auch im Marketing Rechnung getragen. Das Real-Time-Advertising und das Komplement dazu, das Real-Time-Bidding sind jetzt da und werden sich vermutlich 2014 sehr weitläufig als fester Bestand des Marketing-Mix etablieren.

Was sich genau dahinter verbirgt, wo die Vor- und Nachteile liegen und einen kurzen Ausblick in die weitere Entwicklung erhalten Sie hier.

Die westliche Welt ist stark individualisiert und denkt vor allem diesen Bahnen. Betont wird vor allem die Einzigartigkeit einer Person – oder eines Kunden. Es ist eigentlich nur folgerichtig, dass daher auch eine personalisierte Werbung, die genau auf die Interessen des Einzelnen zugeschnitten ist, als das optimale Lösung angesehen wird.

Bisher fehlte es an den Speicher- und Rechenkapazitäten, um das Surfverhalten einer Vielzahl von Menschen zu analysieren und in Kombination mit verschiedenen Algorithmen daraus einzelne Nutzerprofile mitsamt verschiedener, abgeleiteter Interessen und Vorlieben zu ermitteln. Mittlerweile hat sich das geändert. Google steckt mitten in der Umsetzung der persönlichen Suche und mit Real-Time-Advertising ist ein Kanal für die individualisierte Werbung auf dem Vormarsch.

Was genau ist Real-Time-Advertising?

Das kann man vielleicht am deutlichsten anhand der Abgrenzung zu anderen Konzepten sehen. Eine früher und auch heute oft verwendete Methode ist die massive Verbreitung von Werbebotschaften, um möglichst viele Menschen damit zu erreichen. Im deutlichen Kontrast dazu zielt Real-Time-Advertising auf den einzelnen Kunden ab. RTA möchte nur die Menschen erreichen, von denen anzunehmen ist, dass sie sich für das beworbene Produkt interessieren.

Um zu entscheiden, wer ein Interessent ist, müssen gewisse Basisinformationen vorhanden sein. Um den Interessenten auch zu erreichen, muss eine gewisse Infrastruktur vorhanden sein. Dazu ist das RTA auf verschiedene Websites angewiesen, die dieses Konzept mittragen.



Wie funktioniert RTA?

Konkret sieht die Umsetzung wie folgt aus: Ein Internetnutzer betritt eine Seite, die RTA betreibt. Durch das Betreten wird eine Kette von vollautomatisierten Ereignissen in Gang gesetzt. Zunächst wird ein Nutzerprofil erstellt, durch Zugriff auf Cookie-Informationen, die Surfhistorie des Nutzers und weitere Informationen (Geschlecht, Sprache, Alter usw.), die eventuell bei einer Registrierung oder anderweitig erhalten wurden. Dieses Profil wird von der Website an eine sogenannte Ad-exchange-Plattform übermittelt. Auf diesem Portal können sich Werbetreibende registrieren und genau festlegen, an welchen Nutzerprofilen sie interessiert sind, welches Budget dafür geboten werden soll und welches Werbebanner diesem Profil gezeigt werden soll. Auf Grundlage dieser Informationen wird eine Auktion durchgeführt, bei der das höchste Gebot für das angebotene Nutzerprofil den Zuschlag erhält. Das Werbebanner des Höchstbietenden wird dem Internetnutzer unmittelbar gezeigt.

Die Zeit, die zwischen dem Betreten einer Website und der Werbeschaltung liegt, beträgt weniger als 100 Millisekunden. Das bedeutet, dass innerhalb eines Wimpernschlags – und das ist nicht bildlich gesprochen – aus einer Vielzahl an Informationen und unter Zuhilfenahme eines komplexen Algorithmus ein Nutzerprofil erstellt und auf einer Ad-exchange-Plattform zwischen hunderten Anbietern versteigert wird, der Höchtbietende den Zuschlag erhält und dessen Werbebanner dem Besucher der Website zugestellt wird. Eine hochentwickelte, vollautomatische Form der massgeschneiderten Werbung.

Wie Aussagekräftig ist ein Nutzerprofil?

Für den Werbetreibenden kann es sehr aussagekräftig sein. Allein ein Profil der Art: weiblich, verheiratet, 42 und interessiert sich für Urlaub auf dem Land, gibt z.B. einem Reiseveranstalter die Möglichkeit ein Angebot zu unterbreiten, das viel besser auf das Gegenüber zugeschnitten ist, als wenn er auf der Website eines Reiseführers ein Banner für ein Südseereisesonderangebot platzieren würde.



Stellenwert und Ausblick für RTA

Diese massgeschneiderte Werbezustellung in Kombination mit dem weitaus geringeren Planungs- und Verhandlungsaufwand für die Werbekampagne, werden als entscheidende Vorteile des RTA für den Werbetreibenden angesehen. Der Werbeanbieter erhält auf der anderen Seite immer den Höchstbietenden Käufer und das vollautomatisch.

Diese Vorteile wird von vielen Marketern offenbar mehr und mehr wertgeschätzt, sodass die Branche ein enormes Wachstum erlebt, wobei der deutsche Markt im Vergleich zu den USA und anderen europäischen Ländern bisher eher zurückhaltend war. 2013 hat sich dies geändert, erklärte Frederike Voss, Country Managerin der Ad-exchange-Plattform AppNexus, in einem Interview auf Onlinemarketing.de und prognostiziert für 2014 ein „Jahr der Praxis“. Die globale Medien- und Werbeindustrie habe ein anspruchsvolles Jahr 2013 erlebt, in dem vor allem die Onlinebranche in Deutschland ihren traditionellen Geschäftsmodelle und Betriebsprozesse in Frage gestellt habe und gleichzeitig „der Ruf nach innovativen Technologien im fragmentierten Markt immer lauter geworden“ sei.

Konkret werde für die Zukunft ein Einkaufsvolumen von 160 (195,5 CHF) Mio Euro prognostiziert – „dieses wäre dann dreimal so hoch wie 2012 und entspräche etwa 15 Prozent des gesamten deutschen Online-Anzeigenmarktes“, sagte Voss unter Berufung auf das amerikanische Marktforschungsunternehmen IDC. Im September 2013 lag das Einkaufsvolumen bei ca. 8 Prozent des Online-Anzeigenmarkts, heisst es in einer gemeinsamen Ausarbeitung der mertrigo GmbH und der wywy GmbH.

Diese Prognosen unterstreichen die Einschätzung von Frederike Voss: “In 2014 kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass RTA funktioniert.”

Die technische Umsetzung des Real-Time-Advertising ist beeindruckend und etwas erschreckend zugleich. Es bietet eine Effizienzsteigerung für Werbeanbieter und Werbekäufer und zeigt gleichzeitig die bereits bestehende Infrastruktur zur Speicherung, Analyse und Profilerzeugung einzelner Internetnutzer in Millisekundenschnelle.

 

Oberstes Bild: © Thomas Jansa – Fotolia.com

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Mehr zu Markus Haller

Diplomphysiker im technischen Vertrieb mit Leidenschaft fürs Schreiben.
Die Themen dürfen ruhig weit gesteckt sein: Von Archäologie und Kulturanalyse über Naturwissenschaft und Technik hin zum eCommerce und Content-Marketing.

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