McKinsey-Studie: Um die Berufsausbildung in Europa ist es nicht besonders gut bestellt

Am vergangenen Montag hat die Unternehmensberatung McKinsey in Brüssel eine recht brisante europaweite Studie vorgestellt. Allein in Deutschland ist demzufolge jeder vierte Arbeitgeber unzufrieden mit den Fähigkeiten und der Arbeitsleistung von Berufsanfängern. Im Gegenzug würde sich auch jeder dritte Auszubildende nicht noch einmal für dieselbe Ausbildung und/oder das ausbildende Unternehmen entscheiden.

Schüler fühlen sich über die Ausbildungsprogramme nur unzureichend informiert. Das Überraschende daran: Die Arbeitsmarktstudie über Auszubildende und Berufsanfänger weist für Deutschland mit seinem differenzierten dualen Berufsbildungssystem mit weltweit positivem Ruf ähnliche Probleme aus wie für viele andere europäische Länder inklusive einiger südeuropäischer Krisenstaaten.

Für die Studie „Education to Employment“ hat McKinsey in acht europäischen Ländern, in denen insgesamt 75 Prozent aller arbeitslosen europäischen Jugendlichen leben, Daten anhand repräsentativer Stichproben erhoben. Im Einzelnen ging es um die Arbeitsmarktsituation junger Menschen in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Griechenland, Portugal, Italien, Spanien und Schweden. Befragt wurden insgesamt 8.500 junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 Jahren, Vertreter von Bildungseinrichtungen sowie Arbeitgeber danach, wie sie in ihrem Land die Vorbereitung auf das Berufsleben, die Entscheidungskriterien beim Übergang aus den Bildungssystemen in den Arbeitsmarkt sowie die jeweiligen Zukunftschancen bewerten. Ziel der Untersuchung war, eine faktenbasierte vergleichende Analyse des europäischen Arbeitsmarkes zu erbringen, die Ansätze zur Überwindung der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen liefert.

Europaweite Diskrepanz zwischen Bildungssystemen und Anforderungen der Arbeitgeber

Bleiben wir zunächst beim Beispiel Deutschland: 26 Prozent der dortigen Arbeitgeber sind mit den beruflichen Einstiegsqualifikationen junger Arbeitnehmer unzufrieden. Kritisiert wurden die Auszubildenden vor allem im Hinblick auf ihre fehlende praktische Erfahrung, mangelnde praktische Fähigkeiten sowie unzureichend ausgebildete Fähigkeiten, Probleme systematisch zu erfassen und zu lösen. Die Arbeitsmoral von Berufsanfängern wurde von deutschen Arbeitgebern vergleichbar schlecht bewertet.

Ebenso negative Arbeitgeber-Bewertungen erbrachte die Studie in allen acht untersuchten Ländern. Europaweit ziehen 32 Prozent der Unternehmen ziehen daraus gravierende Konsequenzen: Sie lassen offene Lehrstellen lieber unbesetzt anstatt vorhandene Bewerber einzustellen – obwohl gerade kleine und mittlere Unternehmen oft Schwierigkeiten haben, überhaupt Interessenten für ihre Ausbildungsangebote zu finden. Die Studienautoren ziehen daraus den Schluss, dass die Arbeitsmarkt-Probleme junger Menschen selbst in den aktuellen Krisenländern nicht allein in der wirtschaftlichen Flaute zu suchen sind, die selbstverständlich alle Altersgruppen stark belaste. Vielmehr zeigten die europäischen Ausbildungssysteme klare Schwächen.


In einigen europäischen Ländern ist fast jeder zweite Jugendliche arbeitslos. Die Gründe könnten nicht nur konjunktureller Natur sein. (Bild: Uwe Steinbrich / pixelio.de)


Die Schulsysteme bereiten junge Menschen offensichtlich nicht gut genug auf den Berufsstart vor. Auch die Berufsinformations- und Berufsberatungseinrichtungen arbeiten nicht wirklich optimal – was zur Folge hat, dass Schulabgänger oft nicht die Ausbildung finden oder wählen, die für sie am besten ist. Zwei Drittel der befragten jungen Menschen gaben an, sich im Hinblick auf ihre Berufswahl sowie auf Ausbildungsinhalte und Perspektiven unzureichend informiert zu fühlen. Ausreichend informiert sah sich in den untersuchten Ländern nur rund ein Fünftel der Befragten.

Jugendarbeitslosigkeit als „Angebots-Problem“

McKinsey-Beraterin Solveigh Hieronimus sieht die Jugendarbeitslosigkeit in Europa vor diesem Hintergrund nicht nur als konjunkturbedingt, sondern vor allem „Angebots-Problem“: Die Jugendlichen treffen oft auf einen Arbeitsmarkt, auf den sie nicht oder nur völlig unzureichend vorbereitet sind. Als mögliche Lösung schlagen die Studien-Autoren eine Reform der Bildungssysteme im Sinne einer engeren Kooperation von Ausbildungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen vor. Auch das möglichst frühe Gewinnen praktischer Erfahrungen sowie berufsbegleitende Ausbildungen sind aus Sicht der McKinsey-Berater sinnvoll.

Sie befinden sich damit auf einer Linie mit der EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou, die bereits im Vorfeld der Publikation der Studie die Diskrepanz zwischen der Arbeit der Bildungssysteme und den Bedürfnissen der Arbeitgeber als Bedrohung für künftigen Wohlstand in Europa kritisierte. Im europäischen Vergleich ist diese Diskrepanz übrigens besonders gross: Während 43 Prozent der Arbeitgeber die berufsvorbereitende Rolle des Bildungssystems kritisieren, finden 83 Prozent der Bildungseinrichtungen, dass sie in dieser Hinsicht alles richtig machen – ein überdeutlicher Indikator dafür, dass der Austausch zwischen den beiden Seiten über die Anforderungen an Berufsanfänger bestenfalls suboptimal funktioniert.

Um Wege zur Veränderung dieser Situation aufzuzeigen, hat McKinsey für diese Studie ausserdem über 100 Bildungseinrichtungen und -Massnahmen in insgesamt 25 Ländern untersucht und dabei deren Erfolg für den jeweiligen nationalen Ausbildungsmarkt bewertet. Wichtige Potenziale sahen sie Berater unter anderem bei Massnahmen für eine flexible Gestaltung von Ausbildungsangeboten, in inhaltlicher Modularisierung sowie in Ausbildungsfinanzierungen für eine grössere Anzahl junger Menschen. Ebenso wichtig sei es, Plattformen für einen kontinuierlichen Austausch zwischen Ausbildungsinstitutionen, Schülern sowie Arbeitgebern zu schaffen. Gezielte Berufsinformationen sollten Schülern bereits ab einem Alter von zwölf Jahren und grundsätzlich häufiger als bisher gegeben werden. Ausserdem setzen die Berater auf europäische Arbeitsmarkttransparenz, eine engere Zusammenarbeit der nationalen Arbeitsagenturen sowie eine direkte Vergleichbarkeit zwischen europäischen Ausbildungsabschlüssen, um europaweite Mobilität und einen integrierten EU-Arbeitsmarkt zu fördern.

Betriebsinterne Ausbildung als Erfolgsrezept für Mittelständler?

Aus Deutschland hat sich zur McKinsey-Studie ein mittelständischer Unternehmer inzwischen aus einer ganz anderen Perspektive zu Wort gemeldet. Wolfgang Grupp ist der Inhaber und Chef der Textilfirma Trigema im schwäbischen Burladingen. Im „Spiegel Online“-Interview stellt er fest, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen darauf angewiesen seien, ihre Nachwuchskräfte selber auszubilden – ausbildende Wettbewerber werden den Firmen nach dem Berufsabschluss kaum ihre besten Leute schicken. Motivierend für Auszubildende sei vor allem, wenn sie wissen, dass sie in ihrem Ausbildungsbetrieb auch später eine Perspektive haben und mit attraktiven Arbeitsplätzen rechnen können. Wolfgang Grupp weiss, wovon er dabei spricht – die Fach- und Führungskräfte von Trigema kommen ausnahmslos nicht von Universitäten, sondern haben ihre Karriere in der betrieblichen Ausbildung gestartet. Der Erfolg des Unternehmens gibt diesem originären Ansatz von Trigema bisher Recht.

 

Oberstes Bild: © Lars Zahner – Fotolia.com

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