Die neue Arbeitswelt des Crowdsourcing

Eine ganz neue Form der Mitarbeit erobert Unternehmen auf der ganzen Welt: Das Crowdsourcing. Jeff Howe, Tech-Journalist und Betreiber des blogs crowdsourcing.typepad.com, beschreibt den Begriff dabei so:

Crowdsourcing ist die Auslagerung traditionell interner Teilaufgaben an eine Gruppe freiwilliger User, z. B. über das Internet.

Crowdsourcing ist in der Tat einer der am schnellsten wachsenden Trends im Web 2.0. Die Auslagerung von Arbeitskraft an eine Gruppe von Freiwilligen über das Internet ist eine verlockende Idee, nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die freiwilligen Mitarbeiter. Oft winkt nämlich neben einer spannenden Aufgabe eine finanzielle Belohnung. Eine Win-win-Situation – doch das neue Arbeitsmodell birgt auch Gefahren.

Die Crowdsourcing-Plattform Atizo stellte vor einiger Zeit folgende Angebote bereit:

„Möchten Sie mithelfen, einen Reisverschluss für Sportjacken von Mammut zu entwickeln? Hätten Sie eine originelle Idee für eine neue Geschmacksrichtung für eine Glacelinie der Migros? Oder möchten Sie sich eine Geschichte für die Werbekampagne zum Ovomaltine-Skihelm ausdenken?

Zur Belohnung für die Siegeridee winkte jeweils ein Preisgeld. Für die Unternehmen sind solche Wettbewerbe eine Quelle frischer Ideen und bieten zudem die Möglichkeit, Konsumenten aktiv in die Produkt- oder Kampagnenentwicklung miteinzubeziehen. Die Motivation der Teilnehmer kommt dabei nicht nur von der möglichen Belohnung. Anerkennung, Spass an den kreativen Aufgaben und die Chance, ein Produkt direkt mitzugestalten, sind ebenso wichtige Faktoren. Die Plattformen sind als Community aufgebaut und die besten Innovatoren erscheinen in einer Rangliste auf der Website. Jeder hat die Chance, sich ein zusätzliches Einkommen sowie etwas Ruhm und Ehre in der Ideengenerations-Community zu verdienen.

Kreative Mitarbeit

Nicht immer stecken Unternehmen hinter Crowdsourcing-Projekten. Auch in der kreativen Szene wird die Möglichkeit, durch die aktive Mitarbeit vieler ein einzigartiges Produkt zu erarbeiten, immer häufiger genutzt. Ganze Filme entstehen bereits im Crowdsourcing-Verfahren: Bei der Entwicklung des Dokumentarfilms „Die Schweiz tanzt“, ein Portrait der Schweizer Tanzszene, darf sich jeder Interessierte über die Website zum Film einbringen: Protagonisten vorschlagen, über Handlungsstränge abstimmen und bei der Produktion mitarbeiten. So entstehen durch die Zusammenarbeit vieler Freiwilliger spannende Projekte.

Auch Designprojekte wie Logos oder Verpackungsdesigns werden unterdessen über eigens dafür geschaffene Plattformen wie 99designs oder Jovoto ausgeschrieben. Wie bei der Ideengeneration sind diese Projekte als Wettbewerbe ausgeschrieben und das Siegerdesign wird mit einem Preisgeld belohnt. Kreative Designs und Lösungen zu einem geringen Preis auf der einen Seite, das Gefühl, sich als Kunde wertvoll einbringen zu können und die Chance, Prämien zu verdienen auf der anderen Seite – bedeutet Crowdsourcing auf jeden Fall eine Win-Win Situation?

Risiken und Nebenwirkungen

Nicht unbedingt, sagt Oliver Gassmann, Professor für Innovationsmanagement der Universität St. Gallen und Crowdsourcing-Experte. Er warnt vor den möglichen Nachteilen des Crowdsourcing-Prinzips: „Neben den Vorteilen von Crowdsourcing sind auch Risiken bekannt. Beispielsweise die Gesamtkosten, die bis zur Umsetzung einer Idee deutlich höher liegen als die Kosten, die das Crowdsourcing selbst verursacht. Weitere Risiken sind zu tiefe Entschädigungen der Teilnehmenden, daraus folgend mangelnde Motivation oder rechtliche Probleme, wem die Lösung gehört.“

Insbesondere der rechtliche Aspekt wirft für beide Seiten wichtige Fragen auf. Denn Ideen und Innovationen werden beim Crowdsourcing häufig verschenkt oder zu einem symbolischen Preis verkauft. Was geschieht aber, wenn ein Unternehmen mit einer Erfindung riesigen Profit macht? Hat dann der Erfinder überhaupt eine Chance, davon zu profitieren? Und umgekehrt: Wer haftet, wenn eine Firma ein Logo eines Designers auswählt, der dafür urheberrechtlich geschützte graphische Komponenten verwendet hat?

Komplexe rechtliche Lage

Bei der Generation von Ideen unterscheidet das Recht zwischen literarischen oder künstlerischen Werken einerseits und einer patentierbaren Erfindung oder einem schutzfähigen Design andererseits. Im ersten Fall ist es klar: Der Schöpfer des Werks ist und bleibt Inhaber des Urheberrechts. Auch wenn er das Werk im Internet zugänglich macht, heisst das nicht, dass es frei verwendet werden darf.

Das Urheberrecht ist nicht übertragbar. Um die Nutzung am Design dennoch zu ermöglichen, lassen sich die Plattformbetreiber in ihren AGB das Nutzungsrecht an allen eingereichten Werken einräumen. Damit wird verhindert, dass der Urheber später auf Schadenersatz klagen kann. Ebenfalls wird in den AGB verlangt, dass bei eingereichten Designs der Urheber alle Rechte an den verwendeten Bildern und Grafiken besitzen muss. Das kann ein gewisses Risiko für den Designer bedeuten: Klagt jemand deswegen, so haftet er für allfällige Schadenersatzforderungen – auch wenn er nur minimal vom Gewinn durch das Design profitiert hat.

Komplexer ist dagegen die Rechtslage bei einer patentierbaren Erfindung oder einem schutzfähigen Design: Der Schöpfer hat das Recht, seine Erfindung zum Patent anzumelden oder sein Design eintragen zu lassen. Veröffentlicht er seine Idee, beispielsweise auf einer Internetplattform, zerstört er mit diesem Schritt die Neuheit und damit die Schutzfähigkeit. In der Praxis kann jeder ein Patent anmelden – durch das Prioritätsprinzip gehört es zuerst mal ihm. Natürlich kann der wahre Urheber das Patent verlangen. Aber gerade beim Crowdsourcing entsteht eine Erfindung oft durch die Beteiligung vieler Einzelpersonen. Daher ist es schwierig, zu entscheiden, wer denn nun den massgebenden Beitrag geleistet hat. Ausserdem kann ein solcher Rechtsstreit sehr teuer werden. Da ist die Firma, die den Auftrag gegeben hat, oft im Vorteil.

Das Recht ist eine Seite – die andere ist das Gerechtigkeitsempfinden der Community: Nützt ein Unternehmen die Ideengeneratoren zu sehr aus, kann die Begeisterung über die Möglichkeit der interaktiven Beteiligung in Wut umschlagen. Die negativen Meinungen verbreiten sich schnell über die sozialen Medien – der daraus entstehende Schaden für ein Unternehmen kann immens sein. Somit lohnt es sich, faire Konditionen für alle Beteiligten anzubieten, damit am Schluss wirklich beide Seiten vom Crowdsourcing-Prinzip profitieren können.

Ursprünglicher Artikel von Karin Weinmann, innovationstalk.ch

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Ich bin Webentwickler aus Leidenschaft und Geschäftsführer bei zaehlpixel.com in Deutschland. Hin und wieder blogge ich über Online-Themen aber auch wesensfremde Dinge auf den Portalen von belmedia.ch sowie auf meinem eigenen Blog.

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