Die Hintergründe der E-Mail-Sucht und wie man ihr entkommt

Mittlerweile ist gut bekannt, dass die Nutzung des Internets und Online-Spiele süchtig machen können. Die wenigsten Menschen beziehen dieses Phänomen hingegen auf sich selbst. Da steht ihnen eher ein blassgesichtiger Teenager vor Augen, der Tage und Nächte am Bildschirm zubringt.

Fakt ist allerdings eine Verknüpfung von Sucht und Konsum digitaler Medien – und dieser auch in Form von E-Mails, innerhalb sozialer Netzwerke und Content Providern. Der Zusammenhang ist unmittelbarer als oft gedacht. Das wiederum liegt an der neuronalen Architektur des menschlichen Gehirns. Sie kann überraschend schnell zu einer zuerst noch milden Ausbildung einer Abhängigkeit von Google, Facebook & Co. führen.

Zentral für diese Erscheinung ist der 1958 entdeckte Stoff Dopamin. Er wird an unterschiedlichen Stellen im Gehirn gebildet und prägt eine Vielzahl von Vitalfunktionen, wozu auch Motivation und Antrieb gehören – das menschliche Belohnungssystem wird in diesem Sinne von Dopamin gesteuert. Bisher wurde es in der Hauptsache als Glückshormon gesehen, neuere Forschungen ergeben aber ein anderes Bild. Der Botenstoff scheint nämlich anders als bisher angenommen nicht für das Genuss- und Befriedigungsempfinden verantwortlich zu sein, sondern genauer für die Suche nach genau diesen Belohnungen, also für die Bedürfnisbildung.

Lange Zeit war dies evolutionär notwendig: Immer neues Suchen war für das Überleben der Menschen wichtiger als Finden und Ankommen. Insofern sind unsere neuronalen Strukturen noch heute so angelegt, dass wir nach dem Erreichen eines Zieles mit dem Ergebnis nicht lange glücklich sein können. Statt dessen verlangen wir relativ bald nach mehr. Neurologen gehen heute davon aus, dass das Opioid-System für Befriedigung und Genuss zuständig ist. Dieses sei signifikant weniger stark ausgeprägt als das Dopamin-System, und verantwortlich für das menschliche Bedürfnis nach Wiederholung und Steigerung.

Wir sind ja nun keine Jäger und Sammler mehr – was unser Stammhirn allerdings leider nicht weiss. Dazu ist die Zeitspanne des digitalen Zeitalters zu kurz, als dass unser Hormonhaushalt sich darauf schon hat einstellen können. Aus diesem Grund werden beim Aufenthalt in sozialen Netzwerken, beim Konsum von Google-Wissen und unserer Kommunikation via E-Mail genau die gleichen biochemischen Reaktionen ausgelöst wie beispielsweise die frühere archaische Suche nach Bisons. Eine Nachforschung mittels einer Suchmaschine belohnt den Nutzer mit unmittelbaren Ergebnissen. Oder das Checken unseres Posteingangs bzw. unseres Facebook-Profils wird mit neuen Nachrichten bedacht.

Solche Opioid-Kicks halten jedoch nur kurz an, dann treibt uns das Dopamin schon wieder weiter. Das Resultat kennen wir: stundenlang dauern der Aufenthalt bei Facebook und virtuellen Ausflügen von einem Link zum anderen. Manche Menschen beherrschen diese Reisen, bei anderen führen sie dagegen zu einer von Dopamin ausgelösten Abhängigkeit von der sie umgebenden Technologie.


Die Menschen tendieren dazu, Probleme via Mail zu delegieren. (Bild: © Maslowski Marcin – shutterstock.com)

Diese evolutionär angelegte Falle ist aber auch das ideale Sprungbrett für Marketingspezialisten, was spätestens dann zum Problem werden kann. Inzwischen sind die Ergebnisse der Hirnforschung für die Kommunikationsstrategien von Google, Facebook & Co. nicht mehr wegzudenken. Deutliche Zeichen dafür spürt man an den – unseren pawlowschen Reflex ansprechenden – ständigen visuellen und akustischen Hinweisen auf neu eintreffende Nachrichten oder einen Newsflash. Etwas Gutes hat diese neurobiologisch angelegte Strategie allerdings doch: Denn wenn sie erst einmal durchschaut ist, wird es einfacher, aus dem Hinterhalt der Konditionierung auszubrechen.

Der Schlüssel dafür liegt in der Eliminierung der Dopamin-Auslöser. Ohne die exzessive Präsenz dieses Botenstoffes ist der Mensch fähig, wieder selbstbestimmt seine Prioritätenhierarchie nach wirklicher Relevanz zu ordnen. Dann kann er die Dinge erledigen, die längerfristig rational betrachtet am zielführendsten sind. Psychologen haben zu diesem Zweck Vorschläge erarbeitet, die helfen, Dopamintrigger zu identifizieren, zu entfernen und vor allem im Umgang mit E-Mails ein für eine Sucht typisches Verhalten bereits im Keim zu ersticken.

Auf dem Weg dahin sollten Sie zuallererst jegliche akustischen Signale, die auf neue Inhalte in Ihren digitalen Netzwerken hinweisen wollen, abschalten. Entscheiden Sie ganz bewusst selbst, wann und wie häufig Sie Ihre Mails oder anderweitige Nachrichten einsehen möchten – machen Sie sich also nicht zum Sklaven von Benachrichtigungen. Das gilt genauso für ständig offene Programme, die eintreffende E-Mails unmittelbar auf dem Desktop anzeigen. Bei solcherart permanenten Unterbrechungen einen kreativen Gedanken zu behalten oder fokussiert zu arbeiten, ist so gut wie unmöglich.

Je später, desto besser: Gewöhnen Sie es sich an, Ihre Mails und Nachrichten erst später am Vormittag zum ersten Mal abzurufen. Befreien Sie sich vom gefühlten Zwang, eine E-Mail innerhalb von ganz kurzer Zeit nach Erhalt zu beantworten. Machen Sie es sich stattdessen zum Brauch, zu bestimmten Zeiten Ihre elektronische Post zu lesen – oder dann, wenn sie eine kritische Menge erreicht haben. Nehmen Sie sich die nötige Ruhe, alle auf einmal und in optimaler Form zu beantworten.



Die Menschen tendieren dazu, Probleme via Mail zu delegieren. Bekommen Sie diese zu früh am Tag serviert, lenkt Sie das von ihren eigenen Prioritäten schlichtweg ab. Dasselbe gilt für die letzte E-Mail am Abend. Legen Sie selber fest, wann Sie ins Postfach schauen – es sollte kompromisslos nicht direkt vor dem Zubettgehen sein. Trennen Sie ausserdem strikt private von beruflichen Nachrichten; dies gelingt am besten mittels unterschiedlicher Adressen. Empfangen Sie Ihre private Nachrichten nur zu Hause. Und betrachten Sie die elektronische Kommunikation nicht länger als den einzigen möglichen Weg der Verständigung. Expertenschätzungen zufolge kann ein einziges Telefonat im Durchschnitt bis zu acht Mails ersetzen.

 

Oberstes Bild: © LDprod – shutterstock.com

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