Steuerhinterziehung in der Schweiz - und das Fehlverhalten der Medien

Uli Hoeneß hat die Strafe für das Hinterziehen von etwa 32,7 Millionen Franken Steuergeldern akzeptiert, und auch in der Schweiz hat das zu einem offensichtlich neuen Blickwinkel auf diese ehemals als Kavaliersdelikt beschriebene Straftat geführt.

Ein Kommentar zu Steuern, dem Kapitalismus – und einer beispiellosen Hetzjagd auf einen Wurstfabrikanten durch die Medien.

Um welches Geld geht es überhaupt?

Hoeneß war als Präsident des FC Bayern München und Wurstfabrikant kein armer Mann (und ist das auch heute nicht). Die Erträge aus diesen Tätigkeiten wurden auch tatsächlich ordnungsgemäss versteuert. Was Hoeneß jedoch versäumt hat war die Zahlung von Steuern auf Gewinne, die er bei der Schweizer Vontobel Bank angelegt hatte. Über dieses Konto hatte er spekuliert und sich in die Welt der Aktien, Devisen und Derivate begeben.

Grundsätzlich haben Spekulationen in diesem Bereich ein wenig den Hauch von Casinospielen: Gewinne sind, ähnlich wie beim Poker, zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit berechenbar – aber hin und wieder betrügen auch einen Menschen wie Hoeneß die Wahrscheinlichkeiten. Aus seinen Spekulationen sind Summen im dreistelligen Millionenbereich hervorgegangen, welche er nicht versteuert hat. Die exakte Summe von 33,01 Millionen Franken hat das Landgericht München II dabei ermittelt, worauf nur noch eine Gefängnisstrafe folgen konnte. Ob Hoeness die dreieinhalb Jahre tatsächlich komplett absitzen muss, dürfte fraglich sein – denn eine echte Gefahr für die Gesellschaft ist der ansonsten beliebte ehemalige Chef eines Fussballvereins sicherlich nicht.

Auswirkungen bis über die Landesgrenzen

Der Effekt der Gefängnisstrafe ist unterdessen auch in der Schweiz spürbar: Seit 2010 gilt auch hier, dass eine Selbstanzeige den Täter vor einer möglichen Strafe bewahrt. Und seit diesem Zeitpunkt greifen auch immer mehr Einwohner zu dieser Möglichkeit, wofür als Beispiel etwa der Kanton Schwyz dienen kann: 2012 wurden dort 106 Selbstanzeigen festgestellt, 2013 waren es schon 166. Im noch frischen Jahr 2014 wurden allein in den ersten zwei Monaten 42 Anzeigen festgestellt. Mit einer einfachen Hochrechnung würde das bedeuten, dass in diesem Jahr etwa 250 Anzeigen beim Steueramt eingehen werden.

In ähnliches Bild zeichnet sich im Aargau ab: 2012 gab es dort 319 Anzeigen, in diesem Jahr wird dieser Wert wahrscheinlich deutlich überschritten – das denkt zumindest David Schenker, seines Zeichens Leiter der Aargauer Steuerverwaltung. Auf die gesamte Schweiz bezogen belaufen sich die Zahlen auf zuletzt 3’130 Anzeigen im Jahr 2012 und 5’300 Anzeigen ein Jahr später. Für 2014 sind noch keine verlässlichen Prognosen möglich. Diese Zahlen belegen, dass die Schweiz nicht nur als beliebte „Steueroase“ wohlhabender Personen aus dem Ausland dient, sondern das Thema Steuerhinterziehung auch hierzulande inzwischen diskussionswürdig ist.

Als Steuerhinterziehung noch salonfähig war

Vor dem Fall Hoeneß war ein bisschen Steuerhinterziehung fast schon angesagt in den Kreisen der oberen Zehntausend: Es ist bereits viele Jahre her, dass Steuersünder wie der Vater von Tennislegende Steffi Graf wegen diesem Delikt eine tatsächliche Strafe hinnehmen mussten. Hoeneß hat nun gezeigt, dass auch Summen in einer für die meisten Menschen unvorstellbaren Grössenordnung am Fiskus vorbeigeschleust werden können.

Die Schwyzer Steuerbehörden sehen das als Grund, um jedes Jahr auch das höchste nichtversteuerte Vermögen öffentlich zu machen (ohne gleichzeitig den Namen des Steuersünders zu veröffentlichen, selbstverständlich). Davon erhofft sich Meinrad Betschart von der Behörde beispielsweise eine Einsicht darin, dass die Steuerhinterziehung in der Schweiz ebenfalls astronomische Summen erreichen kann. Es solle nicht der Eindruck entstehen, dass es sich nur um ein „Bagatelldelikt“ handeln würde. Weiterhin trage nach Ansicht von Betschart auch die anhaltende Diskussion um eine deutliche Verschärfung des Steuerrechts dazu bei, dass die Zahl der Selbstanzeigen deutlich zunimmt – und Uli Hoeneß dürfte einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran gehabt haben.

Warum gerade er?

Obwohl es sich um einen normalen Fall der Steuerhinterziehung handelte – von den Summen abgesehen -, erschien das Medieninteresse an der Causa Hoeneß ungerechtfertigt. Alice Schwarzer etwa, deutsche Journalistin und Frauenrechtlerin, hatte erst vor wenigen Monaten zugegeben, ebenfalls beträchtliche Summen verschwiegen und in die Schweiz ausgelagert zu haben. Jegliche Auswirkungen auf die Person Schwarzer sind jedoch bis heute nicht spürbar. Sie hat die Selbstanzeige offenbar vor Strafverfolgung geschützt, Uli Hoeneß hingegen nicht.

Das mag auch an den Anstrengungen der Medien gelegen haben: War Schwarzer nur eine Randnotiz im Inhaltsverzeichnis der meisten Zeitungen, wurde für die Gerichtsverhandlung von Uli Hoeneß eigens ein Liveticker auf diversen Publikationen im deutschsprachigen Internet angeboten. Diese beispiellose Triebjagd – auch dann, wenn es sich um einen verurteilten Kriminellen handelt – ist ebenso bemerkenswert wie erleuchtend. Die Macht und der Druck, welche Zeitungen und Fernsehanstalten bereits vor dem Gerichtstag auf einzelne Personen ausüben können, sind beängstigend. Dabei soll ein Mensch doch eigentlich als unschuldig gelten, solange das Gegenteil nicht erwiesen ist – aber offenbar gilt „in dubio pro reo heute nur noch eingeschränkt.


Steuerparadies Schweiz. (Bild: anshar / Shutterstock.com)


Die Folgen für die Schweiz

Es dürfte 2014 und auch in den kommenden Jahren zu einer immer höheren Verbreitung von Selbstanzeigen auch in der Schweiz kommen – gerade unter den besonders prominenten Personen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Medien bis dahin einen würdevolleren Umgang mit diesem Thema erlernen, damit eine ähnliche öffentliche Hinrichtung nicht noch einmal erfolgen muss.

 

Oberstes Bild: © PhotographyByMK – Shutterstock.com

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