Firmengründung in fünf Etappen

 

In der Schweiz haben sich im vergangenen Jahr mehr als 40.000 Menschen für eine Existenzgründung und damit auch für ein spannendes persönliches Abenteuer entschieden. Die neuen Unternehmer haben zuvor vermutlich nächtelang über Businessplänen gebrütet, im Internet recherchiert und Ratgeber für Unternehmensgründer gewälzt. Die Literatur in diesem Bereich ist nahezu unerschöpflich: Wie schreibe ich einen Businessplan? Welche staatlichen Hilfen gibt es? Wie finde ich Investoren, die meine Start-up-Idee mit Kapital und vielleicht auch mit ihrer unternehmerischen Erfahrung unterstützen.

Der freie Journalist und Herausgeber der Literaturzeitschrift „Das Buch als Magazin“ hat einen anderen Weg beschritten, Gründern gedanklich auf den Weg zu helfen. In einem Artikel auf „Spiegel Online“ beschreibt er die fünf Etappen, in denen eine Unternehmensgründung vor sich geht, als aufeinanderfolgende unterschiedliche Erfahrungshorizonte.

In seiner Reportage kommen Gründer ebenso zu Wort wie Menschen, die sie beraten oder über eine Kreditvergabe für das Projekt entscheiden. Die unterschiedlichen Perspektiven zeichnen ein differenziertes Bild von Gründung – mit grosser Sympathie und ohne die Schwierigkeiten zu übersehen.

Die erste Phase – von der ersten Idee zu ihrer Reifung

Peter Wagner startet in sein Phasenmodell für Gründer mit einem sehr prägnanten Satz: Gründen ist demnach „ein bisschen wie die Liebe“ – lebensverändernd und mit „strukturellen Ähnlichkeiten“. Die Idee für ein Projekt, das zum eigenen Unternehmen führt, kann „Menschen unvermittelt treffen“ oder über lange Jahre reifen.

Wagners Protagonisten machen diese Erfahrung in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen:  Bei den Entwicklern des „Ergobag“, eines ergonomischen Schulrucksacks mit Hüftgurt, entstand die Idee aus einem Gespräch mit einer Physiotherapeutin, die nicht verstand, warum es für Wanderer ergonomische Rucksäcke gab, für Schüler jedoch nicht. Die gebürtige Britin Helen Sippl war viele Jahre lang angestellt beschäftigt und dachte fast ebenso lange darüber nach, ein Englisch-Coaching für Schüler und Erwachsene anzubieten. Den richtigen Zeitpunkt für den Start fand sie zehn Jahre vor dem Eintritt ihres Rentenalters – mit dem Gefühl, dass alles, was sie bisher gemacht hatte, zu diesem Punkt geführt hat.

Der studierte Sportwissenschaftler und Personal Trainer Dejan Blagojevic war bereits vorher selbstständig und liess seine Geschäftsidee, für Unternehmen ihr betriebliches Gesundheitsmanagement zu organisieren, über einen längeren Zeitraum reifen.

Holger Kress – Gründungsberater der Sparkasse Erlangen – sieht diesen Reifungsprozess aus einer anderen Perspektive: Von seinen Klienten verlangt er vor allem einen detaillierten Businessplan, da Ideen sich im Kopf nun einmal schneller als auf dem Papier entwickeln und beim blossen Nachdenken darüber der Gehalt einer Geschäftsidee noch gar nicht abzusehen ist.

Die zweite Phase: Selbsterkundung, Fremdeinschätzung

In der zweiten Gründungsphase kommt die Aussenwelt ins Spiel. Für viele Menschen ist eine geplante Gründung ein äusserst interessantes Thema, bei dem sowohl Bewunderung als auch der eigene „Sachverstand“ als potentieller Kunde mitspielt. Für Gründer ist dies keine leichte Phase – viele Gesprächspartner greifen ausgerechnet ihre eigenen Unsicherheiten und Ängste auf: Ihr Projekt ist viel zu gross, zu klein oder wird keine Interessenten finden.

Wer wenig Selbstbewusstsein hat, muss aufpassen, dass er nicht an der Skepsis der anderen scheitert. Sparkassen-Berater Kreß schätzt deshalb selbstbewusste Gründer. Besonders gern sieht er in seiner Beratung Menschen, die bereits über Fachkenntnisse und idealerweise über  Branchenerfahrung verfügen, den Umfang ihrer Gründung also realistisch sehen.

IHK-Berater Harald Hof gab im Gespräch mit Peter Wagner zu diesem Thema eine Anekdote preis: Ein Mann hatte die Geschäftsidee seiner Freundin übernommen, die ihm bei der Umsetzung jedoch nicht helfen wollte, die Selbstständigkeit sei schliesslich sein Projekt – er selbst wollte allerdings nur seiner Freundin zuliebe gründen. Hof erlebte durch dieses Paar, wie wichtig eine Gründungsberatung ist, in der es nicht nur um das Projekt an sich, sondern vor allem um Motivationen und Ehrlichkeit in Bezug auf die eigenen Ziele geht.


Von der Idee bis zur erfolgreichen Umsetzung – Existenzgründung stellt einen vor viele spannende Herausforderungen. (Urheber: Cristine Lietz, pixelio.de)


Die dritte Phase: Expertenrat, Ernüchterungen

Die Anforderungen der beiden Berater sind hart und objektiv. Von ihren Klienten verlangen sie Branchenwissen sowie Kenntnisse in Bilanzierung, Kalkulation, Marketing und Verhandlungsführung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, die eigenen Schwächen zu erkennen und sich in diesen Bereichen entweder Experten mit ins Boot zu holen oder sie durch den Erwerb zusätzlicher Expertisen zu kompensieren.

In der Startphase des eigenen Betriebes lauern viele Fallen: Oft verfügen Gründer über viel zu wenig betriebswirtschaftliches Basiswissen, kennen sich mit den notwendigen Versicherungen und gesetzlich vorgeschriebenen Werberichtlinien nicht aus oder kalkulieren so knapp, dass eine Preisveränderung im Einkauf existenzbedrohend wird.

Sowohl der Sparkassen- als auch der IHK-Berater verstehen sich als Teil dieser Ernüchterung nach der Euphorie und klopfen den Businessplan auf seinen Realismus ab. Existenzgründungen – laut Harald Hof in den ersten fünf Jahren rund 70 Prozent – scheitern meist nicht an der Idee, sondern an schlechter Vorbereitung und mangelnder Gesprächsbereitschaft. Von den Gründern, welche die Beratungs- und Coaching-Angebote seiner IHK durchlaufen haben, sind nach vier Jahren dagegen noch 80 Prozent unternehmerisch aktiv.

Die vierte Phase: Konzentration und Depression

Gegen Zweifel, Angst und Depression hilft auch die beste Planung und Beratung nichts. Zweifel am Projekt – Ängste, wenn Verbindlichkeiten drücken – Depressionen, wenn auf die eigentliche Gründungsphase der graue Alltag folgt. Gründer Blagojevic formuliert es so: Bis sein „Baby“ auf dem Markt war, habe er die ganze Zeit „das Adrenalin“ gespürt, darauf folgte plötzlich Leere. An diesem Punkt hilft nichts, als mit dem Projekt jetzt wirklich durchzustarten.

Die fünfte Phase: Die Magie des Gründens und Beharrlichkeit

Die fünfte Phase einer Gründung beschreibt Peter Wagner als Magie. Es gibt Interessenten für das Projekt, erste Aufträge und Kunden: Die Situationen und Menschen „aus den Gedanken werden echt“ – in dieser Erfahrung sieht Wagner eine der möglichen Erklärungen für die  „Magie des Gründens“. Darauf folgen Hochs und Tiefs, die Beharrlichkeit erfordern, in Wagners Worten vielleicht eine der „edelsten Eigenschaften“ eines Gründers.

Für Sven-Oliver Pink und Florian Michajlezko, die beiden „Ergobag“-Entwickler, hat sie sich ausgezahlt.  Sie verkaufen ihren Schulrucksack jetzt im vierten Jahr und gelangten 2012 damit ins Finale des Deutschen Gründerpreises. Sven-Oliver Pink nennt als das Geheimnis ihres Erfolges Konsequenz und die Tatsache, dass er und sein Partner für ihr Projekt „200 Prozent“ gegeben haben.

 

Oberstes Bild: © DOC RABE Media – Fotolia.com

jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});