Die machen irgendetwas richtig

Das chinesisches Unternehmen Xiaomi hat ein ungewöhnliches Markenzeichen: Schier unglaubliche Abverkaufsgeschwindigkeiten. 100.000 verkaufte Smartphones in 90 Sekunden sind keine unerklärlichen Einzelfälle, sondern eher die Regel. Dahinter muss doch Methode stecken – aber welche? Und kann man sie übernehmen?

Wir stellen den erfolgreichen Newcomer auf dem chinesischen Smartphonemarkt vor und versuchen uns an einer Analyse seines Marketingerfolgs.

Xiaomi ist nicht wegen seiner schnellen Verkäufe bekannt – genau genommen ist das Unternehmen sogar eher unbekannt – aber die Verpflichtung des Google-Android Vizepräsidenten Hugo Barra war ein echter Transfer-Coup, der für Schlagzeilen sorgte. Aber wer ist eigentlich diese junge, aufstrebende Firma? In Zukunft wird sie sicherlich noch mehr von sich reden machen (Barra selbst spricht vom kommenden Giganten im Google-Format) und darum möchten wir Ihnen Xiaomi kurz vorstellen, bevor wir uns ihrer Marketingstrategie widmen.

Gegründet, um zu wachsen

Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2010 von einem Personenkreis aus Experten. Der Hauptinvestor und CEO Lei Jun versammelte hochrangige Mitarbeiter von Google, Microsoft und Motorola um sich. Von Anfang an wurde darauf hingearbeitet in China eine Konkurrenz für Apple zu schaffen. Ein ambitioniertes Ziel, dem man in nur drei Jahren schon sehr nahe gekommen ist. Im August belief sich der Marktwert des Unternehmens auf $10 Mrd. (ca. 9 Mrd. CHF), wie Bloombergs Businessweek berichtete. Das entspricht dem Marktwert von Lenovo und beinahe dem doppelten von Blackberry. Im Sommer 2011 begann der Vertrieb von Smartphones, der schnell Fahrt aufnahm: 2012 wurden 7.19 Millionen Stück verkauft und in diesem Jahr sind es bereits über 15 Millionen. Am Jahresende sollen es 20 Millionen sein.

Xiaomi bedient zwar „nur“ den chinesischen Markt und seit Kurzem auch Hong Kong und Taiwan, das aber sehr erfolgreich. In China liefern sie sich mit Apple und seinem dort sehr beliebten iPhone bereits ein Kopf-an-Kopf-Rennen, stehen aber natürlich noch klar hinter dem Marktbeherrscher Samsung.


Xiaomi steht momentan für „Smartphone made in China“ Urheber: rukanoga – Fotolia.com


Mit Barra ist nun ein weiterer Top-Mann im Unternehmen, was als Signal zur angehenden Erschliessung des Internationalen Marktes gedeutet werden kann. Die Erweiterung auf Hong Kong und Taiwan ist dabei wohl die erste Etappe.

Die Strategie hinter den Verkaufszahlen

Vor dem Hintergrund der enormen Abverkaufszahlen und des massiven Wachstums scheint es klar zu sein, dass Xiaomi auf den Verkauf von Smartphones setzt – aber das stimmt nicht. „Wir glauben, dass die Zukunft des mobilen Internets in Wirklichkeit im Service liegt“, sagte Bin Lin, einer der Xiaomi-Mitbegründer und ehemaliger technischer Leiter bei Google-China, in einem Gespräch mit dem Technologiemagazin AllThingsD. Der massive Verkauf von Smartphones soll in erster Linie die Basis für ein Servicegeschäft legen und hat daher planmässig eine geringe Gewinnmarge. „Im wesentlichen verkaufen wir unsere Smartphones zum Materialkostenpreis“, erklärt Lin. Man spricht von Gewinnmargen um die 10 Prozent. Das erscheint zunächst gar nicht so wenig, ist aber verglichen mit mehr als 50 Prozent beim iPhone ein deutlicher Verzicht. Damit kann Xiaomi seinen Kunden ein attraktives Angebot liefern, das einen Grossteil des Verkaufserfolges ausmacht: Leistungsstarke High-End Geräte, zwar in etwas günstigerer Verpackung, aber dafür zu absoluten Niedrigpreisen. Konkret bietet das MI-2 von Xiaomi eine zum Samsung Galaxy S4 vergleichbare Leistung und kostet dabei nur halb so viel. Damit wird auch klar, dass dieser Teil des Marketing-Konzepts nicht einfach übernommen werden kann, um das eigene Geschäft zu beflügeln.



Unkonventionelle Vermarktung

Ein weiterer Aspekt des Xiaomi-Erfolges liegt in ihrer Methode begründet, Smartphones direkt auf Sina Weibo zu verkaufen, Chinas grösster Mikroblogging-Plattform mit ca. 400 Mio. Nutzern. „Die meisten Kunden in China vertrauen nicht auf Werbung, sie vertrauen ihren Freunden“, sagt Lei Jun. Aber indem man auf Blogging-Plattformen verkauft, wird man noch lange nicht zum vertrauenswürdigen Partner. Xiaomi hat sich auch eine grosse und enge Fangemeinde aufgebaut, indem sie bei der Produktentwicklung immer wieder Kundenfeedback gefordert und berücksichtigt haben. Unternehmen und Kunden stehen im regen Austausch miteinander. Wer auf so eine Weise zu einem Unternehmen des Volkes wird, der kann auch auf einer Plattform des Volkes sozusagen „er-Volk-reich“ verkaufen. So ist es Xiaomi gelungen einen Bestand von 50.000 Stück innerhalb von 5 Minuten auf Sina Weibo zu verkaufen und darüber hinaus noch 1.3 Mio. Bestellungen anzunehmen.

Ob eine solche Strategie auch im deutschsprachigen Raum einen ähnlichen Erfolg einfahren kann, ist schwer zu sagen. Das Positivbeispiel Xiaomi zeigt deutlich das vorhandene Potential des Direktverkaufs auf sozialen Plattformen. Auf der anderen Seite wurden speziell auf Facebook bereits solche Versuche gestartet und blieben weitestgehend ohne Erfolg. Ein Knackpunkt scheint darin zu liegen, dass auf sozialen Medien eher eine Privatperson auf der Suche nach sozialen Erlebnissen einkehrt und nicht der kauflustige Kunde auf der Suche nach technischen Produktspezifikationen. So erklärte es die Dipl.-Multimedia-Producerin Sandra Christiansen in einem zwar langatmigen, aber sehr lesenswerten Artikel (Verkaufen auf Facebook – Alles nur heiße Luft?) bereits vor über einem Jahr. Sich den Kunden auf die Weise zu nähern, wie Xiaomi es getan hat, könnte ein vielversprechender Ansatz sein.

Zusammengefasst

  • Xiaomi ist ein aufstrebendes Unternehmen mit beachtlichem Wachstum und Verkaufserfolg
  • Langfristig soll der Gewinn im Servicegeschäft eingefahren werden
  • Sie setzen auf sehr geringe Gewinnmargen und unkonventionelle Vermarktung
  • Ein nachahmenswerter Aspekt ist womöglich der enge Kontakt zum Kunden durch Integration in den Entwicklungsprozess

 

Oberstes Bild: © sunabesyou – Fotolia.com

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Mehr zu Markus Haller

Diplomphysiker im technischen Vertrieb mit Leidenschaft fürs Schreiben.
Die Themen dürfen ruhig weit gesteckt sein: Von Archäologie und Kulturanalyse über Naturwissenschaft und Technik hin zum eCommerce und Content-Marketing.

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