Single oder oft krank? Sie arbeiten zu lang!

Zu diesem Schluss kommt zumindest die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) in Deutschland auf Basis der Auswertung von vier voneinander unabhängigen Studien zum Thema Arbeitszeiten und Gesundheit. Mit Zunahme der wöchentlichen Arbeitszeiten steigen die gesundheitlichen Probleme. Ausserdem beeinträchtigen die langen Arbeitszeiten das Sozialleben der Beschäftigten.

Um die langen Arbeitszeiten in den Griff zu bekommen ist deshalb die Dokumentation der geleisteten Arbeitsstunden doppelt wichtig.

Zusammenhang zwischen Gesundheitsrisiken und Arbeitszeit

Über 50’000 Menschen wurden im Rahmen der vier ausgewerteten Studien untersucht, um festzustellen, welchen Einfluss variable und lange Arbeitszeiten auf die Gesundheit haben. Dass lange Arbeitszeiten erhöhte Gesundheitsrisiken mit sich bringen können, haben viele Berufstätige, die in der Vergangenheit erhebliche Überstunden leisten mussten, bereits am eigenen Körper erfahren. Doch eindeutig wissenschaftlich belegt war dieser Zusammenhang bislang nicht. Durch die vier von der BauA ausgewerteten Studien wurde dieses Forschungs-Defizit nun behoben. Die Forscher kommen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass mit zunehmender geleisteter Arbeitszeit die Gesundheitsprobleme der Beschäftigten steigen. Die zugrunde liegenden Studien konzentrierten sich dabei auf den Zusammenhang zwischen Arbeitszeiten und Symptomen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Herzbeschwerden.

Lange Arbeitszeiten machen krank

Aus den vier Studien ergibt sich laut der Aussage der BauA ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Länge der Arbeitszeit und den genannten gesundheitlichen Beschwerden. Nur jeder zehnte Teilzeitbeschäftigte mit weniger als 19 Wochenarbeitsstunden leide so zum Beispiel unter Schlafstörungen, bei den Vollzeitbeschäftigte seien dies rund doppelt so viele (jeder fünfte Beschäftigte). Von den Personen, die wöchentlich mehr als 60 Stunden arbeiten, leidet sogar etwa jeder Vierte unter Schlafstörungen. Wenn zusätzliche erschwerende Faktoren wie Schichtarbeit, variable Arbeitszeiten oder Arbeit an Wochenenden hinzukommen, steige die Rate der Schlafprobleme noch weiter an, so die BauA. Die Auswertung der Befragungen habe ergeben, dass der Anteil der Beschäftigten, die über gesundheitliche Beschwerden klagen, insgesamt proportional zur Dauer der geleisteten Arbeitszeit steigt, so die Mitteilung der Bundesanstalt.

Als Vergleich: Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt in der Schweiz gemäss Arbeitsgesetz 45 Stunden für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels sowie 50 Stunden für alle übrigen Arbeitnehmer.

Beeinträchtigungen des Soziallebens durch lange Arbeitszeiten

Die ausgewerteten Befragungen haben zudem ergeben, dass die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit auch das Sozialleben der Menschen beeinträchtigt. Je länger die Arbeitszeiten, desto stärker das subjektive Empfinden der sozialen Vereinsamung, erklärten die Experten der BauA. Die Vereinbarkeit von Arbeit, Freizeit und Familie schwinde mit zunehmender Länge der wöchentlichen Arbeitszeiten, so die BauA weiter. Daran habe den Studien zufolge auch die flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten, beispielsweise durch Gleitzeitmodelle, nicht viel ändern können. Den Studienergebnissen zufolge konnten weder die negativen sozialen noch die negativen gesundheitlichen Effekte langer Arbeitszeiten so aufgefangen werden, auch wenn sie durch die Gleitzeitmodelle ein wenig gemindert wurden.

Berücksichtigung der Ergebnisse bei künftigen Arbeitszeit-Regelungen

Aufgrund der aktuellen Ergebnisse warnt die BauA davor, bei der Diskussion um weitere Arbeitszeitverlängerungen die gesundheitlichen Aspekte zu übersehen. Der vermeintliche Vorteil längerer Arbeitszeiten könnte sich langfristig sehr negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken und so auch für die Betriebe eine ungünstige Wirkung haben. Denn durch die zunehmenden negativen gesundheitlichen Folgen würden die krankheitsbedingten Abwesenheiten zunehmen, die Lohnkosten steigen und insgesamt die Produktivität sinken, so die Warnung der BauA. Eine Ausweitung der Arbeitszeiten würde nach Einschätzung der Bundesanstalt trotz der oftmals parallel eingesetzten Arbeitszeitflexibilisierung die Gesundheit der Beschäftigten nachhaltig beeinträchtigen.

Arbeitszeiten sollten unbedingt dokumentiert werden

Eine Schweizer Studie des Seco zeigt eindeutig, dass der Verzicht auf eine Erfassung der Arbeitszeit offensichtlich mit der oben erwähnten zeitlichen Ausweitung der tatsächlich geleisteten Arbeit einhergeht sowie dem Verzicht auf angemessene Kompensation für diese Mehrarbeit. Ausserdem wird festgestellt, dass bei Arbeitszeitmodellen ohne Zeiterfassung knapp 10 % häufiger trotz Krankheit gearbeitet wird als bei flexiblen Arbeitszeitmodellen mit Zeiterfassung.

Anders als ein eine Juristin, ein selbständiger Handwerker, ein Unternehmensberater oder eine niedergelassene Ärztin – die natürlich alle ihre Arbeitszeiten genauestens erfassen und dem Kunden in Rechnung stellen – können sich Arbeitnehmende ihre Kunden und Aufträge nicht aussuchen und allenfalls ablehnen, wenn sich das angebotene Entgelt nicht mit dem kalkulierten Aufwand in Deckung bringen lässt. Arbeitnehmer sind jedoch arbeitsvertraglich verpflichtet, die Aufträge ihrer Vorgesetzten auszuführen. Herrschen nun unterschiedliche Auffassungen darüber, wie hoch der zeitliche Aufwand für diese Aufträge ist, so lässt sich dies optimalerweise im Dialog zwischen Mitarbeitenden und Vorsetzten klären, im Konfliktfall bleibt den Mitarbeitenden aber nur die Dokumentation ihres Aufwands. Für einen vertrauensvollen Dialog über die Arbeitsleistung sind objektive Daten zur geleisteten Arbeitszeit eine gute Basis.

Häufig geäusserte Argumente für den Verzicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeiterfassung können nicht überzeugen, weil:

  • MitarbeiterInnen sind nicht zufriedener (nachweislich sogar eher unzufriedener), wenn die Arbeitszeiten nicht erfasst werden; Vertrauen spüren Mitarbeitende dann, wenn man ihnen tatsächlich Verantwortung für ihre Aufgaben überträgt.
  • Die „Plusstunden“, die sich in vielen hoch-flexiblen Arbeitszeitsystemen anhäufen und die durch den Verzicht auf jegliche Erfassung der Arbeitszeit weggezaubert werden sollen, ist eigentlich ein Führungsproblem: Führungspersonen müssen lernen, mit flexiblen Jahresarbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden umzugehen und die Arbeitsaufträge so zu gestalten, dass Phasen der Mehrarbeit durch Phasen zeitlicher Entlastung kompensiert werden können und dies von den Mitarbeitenden auch so umgesetzt wird.
  • Auch das Argument des „hohen administrativen Aufwands“ für eine Zeiterfassung ist angesichts moderner IT-Systeme einerseits und andererseits der Tatsache, dass immer mehr Kennzahlen den Alltag von Unternehmen und Organisationen beherrschen, nicht sehr ernst zu nehmen.
  • Schliesslich steht die Zeiterfassung einer lokalen und zeitlichen Flexibilisierung der Arbeitszeiten in keiner Weise im Wege, da die Arbeitszeit selbständig von den Mitarbeitenden in ein Erfassungssystem eingegeben werden kann. Es braucht dazu keine Stechuhr.

Vereinfachte, unbürokratische gesetzliche Regelungen zur Erfassung der Arbeitszeiten und deren genauso einfache und unbürokratische betriebliche Umsetzung wären von Vorteil für Unternehmen und Mitarbeitende und eine wichtige Grundlage, um flexible Arbeitszeitsysteme so weiterentwickeln zu können, dass der Nutzen für beide Seiten steigt.

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Mehr zu Albert Brückmann

Ich bin Webentwickler aus Leidenschaft und Geschäftsführer bei zaehlpixel.com in Deutschland. Hin und wieder blogge ich über Online-Themen aber auch wesensfremde Dinge auf den Portalen von belmedia.ch sowie auf meinem eigenen Blog.

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