Verfassungswidrige Praxis zum Verrechnungssteuergesetz - Update

Anfang Februar 2016 haben wir über die verfassungswidrige Praxis zum Verrechnungssteuergesetz berichtet (hier). Die Reaktionen haben gezeigt, dass das Problem gross ist und etwa 50 – 100 Millionen Franken an Steuern pro Jahr verfassungswidrig einkassiert werden.

Das Verrechnungssteuergesetz hat nun mittlerweile zwei Korrekturen erfahren.

Erstens wurden die Fristen für das Meldeverfahren gelockert, was zur Rückerstattung von Zinsen in mehreren hundert Fällen geführt hat und zweitens wurde die Rückerstattung der Verrechnungssteuer bei Deklarationsmängeln liberalisiert.

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Die erste Korrektur

Am 15. Februar 2017 trat diese Änderung des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer in Kraft. Innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten konnten Gesellschaften auf Gesuch hin bereits bezahlte Verzugszinsen zurückfordern, die sie entrichten mussten, weil sie konzerninterne Dividendenzahlungen nach Ablauf der 30-tägigen Frist der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) gemeldet hatten. Die Rückwirkung der neuen Bestimmung galt für Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten der Änderung beim Meldeverfahren eingetreten sind. Es sei denn, die Steuer- oder Verzugszinsforderung sei bereits verjährt oder bereits vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzt worden.

Grund für die parlamentarische Initiative war ein Bundesgerichtsentscheid von 2011. Das Bundesgericht stellte damals fest, dass das sogenannte Meldeverfahren für konzerninterne Dividendenausschüttungen nur beansprucht werden kann, wenn die Zahlungen innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit der ESTV gemeldet werden. Das Meldeverfahren erleichtert die Dividendenzahlungen im Konzern, indem auf solchen Ausschüttungen keine Verrechnungssteuer zu zahlen ist. Verpasste eine Gesellschaft diese Frist, so war die Verrechnungssteuer geschuldet und es fielen Verzugszinsen an. Die bezahlte Steuer konnte zwar wieder zurückgefordert werden, die Verzugszinsen aber nicht.

Künftig kann trotzdem das Meldeverfahren nach Ablauf der 30-tägigen Meldefrist angewendet werden, sofern die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist jedoch kein Verzugszins geschuldet. Neu wird die verspätete Meldung mit einer Busse von maximal CHF 5‘000 bestraft.

Dann die zweite Korrektur

Das Kreisschreiben Nr. 40 führt in der Praxis zur Verweigerung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer bei Deklarationsmängeln. Das Verrechnungssteuergesetz geht von einer Mitwirkung der Steuerbehörden und des Steuerpflichtigen aus (gemischtes Veranlagungsverfahren). Das Kreisschreiben Nr. 40 widerspricht dem Verrechnungssteuergesetz, wenn eine fehlerhafte Deklaration sofort und unmittelbar nach der einmaligen Abgabe der Steuererklärung zur Verwirkung des Anspruchs führt.

Grund für die parlamentarische Initiative war ein Bundesgerichtsentscheid von 2014. Das Bundesgericht stellte damals fest, dass in allen Fällen von Deklarationsmängeln der Verrechnungssteueranspruch unterging und zusätzlich die Einkommenssteuer geschuldet war, was zu einer Doppelbesteuerung führte (55 – 60% Steuerbelastung).

Der Bundesrat hat beschlossen, das Verrechnungssteuergesetz zu ändern und die Rückerstattung der Verrechnungssteuer so lange zu ermöglichen, wie das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Damit wird die alte Praxis von 1965 bis 16. Januar 2013 (48-jährige Praxis) wieder eingeführt. Auch hier wurde eine rückwirkende Anwendung beschlossen, allerdings nicht so grosszügig wie bei den Zinsen. Dass Bundesgericht hat noch zahlreiche Entscheide bis 31.12.2018 entschieden und damit die rückwirkende Anwendung verhindert, da das Gesetz per 01.01.2019 in Kraft trat. Diese Kritik am Urteil des Bundesgerichts vermögen dieses zwar nicht umzustossen; sie zeigt jedoch, dass das Gericht fiskalisch entscheidet. Das Bundesgericht entscheidet in 9 von 10 Fiskalentscheiden für den Staat und gegen den Bürger.

Eine Dritte Korrektur wird notwendig sein

Wird eine Steuerfrist verpasst, wird es bei der ESTV rasch kriminell! Sobald eine Frist verpasst wird, wird ein formelles Strafverfahren eröffnet nach Art. 64 VSTG mit einer Androhung einer Busse bis CHF 5‘000! Das Verfahren richtet sich nach dem Bundesverwaltungsstrafverfahren. An und für sich sind solche Fälle einfach. Es wurde eine Frist verpasst für ein Steuerformular. Dies kommt bei den kantonalen Steuerverwaltungen ein paar tausend Mal pro Jahr vor und führt im ersten Fall immer zu einer Mahnung. Bei einem erneuten Verpassen der Frist folgt eine zweite Mahnung oder eine Busse von CHF 100, je nach Kanton. Im Gegensatz macht die Eidg. Steuerverwaltung daraus einen Kriminalfall mit massiven Bussen.

Für die Vertretung zur Anfechtung solcher Bussen gilt die Einschränkung für die berufsmässige Verteidigung nach Art. 32 Absatz 2 VStrR. Nur zugelassene Anwälte werden zum Verfahren zugelassen. Nach Auffassung des Autors ist die Vorgabe eines Anwaltsmonopols für verpasste Fristen ein überspitzter Formalismus. Was in Kantonalen Verfahren üblich ist, dass sich ein Steuerberater oder ein Treuhänder um eine verpasste Einreichungsfrist kümmert, soll beim Verrechnungssteuergesetz nur einem Anwalt vorbehalten sein!

Damit hat der Steuerpflichtige nur folgende Möglichkeiten; entweder bezahlt er die Busse bis CHF 5‘000 oder er engagiert einen Anwalt, der dann voraussichtlich noch einmal so viel kostet. Dann wird jeder entscheiden, sofort die Busse zu zahlen. Ein verfassungswidriges Vorgehen der Verwaltung, aber erfolgreich. Das Bundesgericht wird dann wohl wieder in zahlreichen Fällen die fiskalisch motivierten Bussen gutheissen.

Nach den Irrläufen des Kreisschreibens 40 beginnt hier ein neuer Irrlauf. Für das Verpassen von Fristen werden nun exorbitante Strafen verfügt. Es wird wohl notwendig sein, dass dem Bundesrat die gesetzliche Kompetenz zur Erstellung eines Bussenrahmens erteilt wird, unter Entzug dieser Kompetenz der ESTV. Die Sanktion für ein erstmaliges Verpassen einer Frist sollte dann eine Mahnung sein, wie sie tausendfach pro Jahr durch die kantonalen Steuerverwaltungen praktiziert wird.

 

Quelle: artax Fide Consult
Titelbild: Lifestyle discover – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. iur. Bernhard Madörin

Seit 2000 ist Dr. iur. Madörin Partner und langjähriges Mitglied des Verwaltungsrates der artax Fide Consult AG. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer hat er als Steuer- und Treuhandexperte die Gesamtverantwortung für die Bereiche Steuern, Recht und Unternehmungsberatung inne und kann heute auf rund 30 Jahre Berufserfahrung als Treuhänder und selbständiger Unternehmer zurückblicken.

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