Zwischenergebnisse zum Thema bezahlter Vaterschaftsurlaub
VON Agentur belmedia News
Mütter dürfen in der Schweiz seit 2005 vierzehn Wochen lang nach einer Geburt zu Hause beim Kind bleiben. Im Gegensatz zu den meisten Nachbarländern in Europa gibt es hier jedoch bis dato keinen gesetzlich reglementierten Vaterschaftsurlaub. Üblich ist stattdessen der eine Tag „Kulanzauszeit“, um seinen Familienzuwachs zu begrüssen, dann geht der Arbeitsalltag wieder ganz normal weiter.
Allerdings – eine Vielzahl von Unternehmen bietet den Mitarbeitern sogar längeren Urlaub bei voller Gehaltszahlung. Auffällig dabei ist, dass Firmen mit generell ausgeprägterem sozialen Engagement, mit christlichem Hintergrund oder einer guten Einstellung zur gesunden Work-Life-Balance auch in Bezug auf die Abwesenheitsdauer grosszügiger sind.
Raiffeisen, Novartis oder SBB beispielsweise gewähren eine Woche, die Alternative Bank Olten und die Katholische Kirche im Kanton Zürich bieten einen ganzen Monat bezahlte Auszeit an. Auch alle direkt beim Bund arbeitenden Väter haben Anspruch auf einen zweiwöchigen Elternurlaub – nunmehr seit Sommer 2013.
Entwicklungspsychologisch besteht längst keine Frage mehr, dass eine gemeinsam verbrachte Zeit unmittelbar nach der Geburt eines Kindes die Bindung auch zum Vater auffällig stabilisiert. Der Mann lernt auf diese Art, auch praktisch mit seinem Nachwuchs umzugehen – das bedeutet alle Handgriffe erstmalig auszuüben und zusammen mit der Mutter zu agieren. Das Baby nimmt beide Elternteile dann als gleichermassen präsent wahr. Demzufolge wird es sich danach auch allein von seinem Vater wesentlich einfacher versorgen lassen, als wenn er in der ersten Zeit nicht diese aktive, pflegende Rolle spielt. So können sich die Eltern als Partner ihrer neuen Erfahrungswelt begreifen, und der Vater ist nicht bloss der passive Zuschauer des abendlich schlafenden Kindes.
Auch für die Mutter bedeutet die Gegenwart ihres Partners eine ungeheure praktische Erleichterung. Nicht nur das: Sie kann für sie ausserdem sehr beruhigend wirken und somit der Wahrscheinlichkeit einer postnatalen Depression vorbeugen. Das sogenannte Wochenbett, welches für die Erholung der Mutter bedeutsam ist, wird durch den anwesenden Kindsvater oft überhaupt erst zur Möglichkeit – gleich, ob im gemeinsamen Familienzimmer der Klinik oder daheim.
Zu einer Gesetzesänderung in dieser Hinsicht gab es genügend Vorstösse, allerdings ebenso viele Absagen. So lehnte in den letzten zehn Jahren das Parlament über zwanzig Versuche ab, den Vaterschaftsurlaub als Gesetz zu verabschieden. Gründ wurden immer in den zu hohen Kosten gesehen. So hatte zum Beispiel die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) den Vorschlag einer allgemeinen Elternzeit von 24 Wochen eingebracht.
Auf jedes Elternteil wären garantiert vier Wochen gefallen, die Restzeit hätte nach eigener Einschätzung zwischen den Partnern geteilt werden können. Dieses Modell wurde mit circa 1,2 Milliarden Franken Zusatzkosten veranschlagt – dies war eine Summe, an der die weitere Erörterung scheiterte. Um es nach den Worten der SVP zu formulieren: Solch einen „einzigen Luxus“ könne der Staat nicht unterstützen.
Ausser diesem liegen dem Bundesrat weitere Modellvorschläge vor. So haben die Grünen einen bezahlten Urlaub nur für Väter angeregt, dessen Finanzierung aus der Erwerbsersatzordnung realisiert werden könnte. Die CVP schlägt ein Recht auf vier Wochen vor, die allerdings sollen unbezahlt bleiben. Einen anderen Weg nimmt die Standesinitiative des Kantons Genf: Sie will es explizit den Kantonen selbst überlassen, wie und ob der Vaterschaftsurlaub erprobt wird. Interessant ist, dass dabei alle Vorschlagenden argumentieren, nicht nur die Bindungsentwicklung als Ziel zu haben, sondern die Fairness gegenüber den Karrierechancen der Mutter. Sie hätte dadurch einen einfacheren Wiedereinstieg an ihren Arbeitsplatz.
Inzwischen sprach sich der Gewerkschaftsdachverband Travail.Suisse für ein weiteres Konzept aus, das in Verbindung mit einer Finanzierung vorgeschlagen wird. Es sieht vor, dass jeder Schweizer Vater direkt nach der Geburt seines Kindes Anspruch auf bis zu 20 bezahlte freie Tage bekommt. Die Wochenenden eingerechnet, würde dies einem Monat Vaterschaftsurlaub gleichkommen. Während dieser Zeit sollen die Väter Anspruch auf 80 % ihres Lohns haben, der einmalig oder in Teilen bezogen werden könne. Genauso wie der Mutterschaftsurlaub würde dieNeuregelung über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert. Die Kosten sind vom Bundesrat auf jährlich 384 Millionen Franken geschätzt worden. Dafür, meint Travail.Suisse, müssen die aktuellen Beitragssätze für das Sozialwerk EO nur minimal erhöht werden. Derzeit betragen die addierten Einzahlungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber 0,5 % eines Lohnes.
Der Bundesrat reagiert darauf immer noch verhalten. Im Herbst 2013 war explizit gesagt worden, Eltern- oder Vaterschaftsurlaub hätten zurzeit keine Priorität. Jedoch lässt er soeben prüfen, ob Mütter und Väter künftig das Recht haben sollen, nach der Niederkunft ihr Arbeitspensum um bis zu 20 % zu reduzieren, ohne als Teilzeitbeschäftigte zu gelten.
Frisch gebackene Väter müssen in vielen Unternehmen ihren Vaterschaftsurlaub also meist noch selbst aushandeln. Häufig unternehmen sie diesen Versuch allerdings gar nicht erst, auch wenn es finanziell die Möglichkeit gäbe. Der Grund: die Angst vor möglichen Konsequenzen. Hier ist es vordringlich, vor allem die soziale Abwertung eines fürsorglichen Vaters abzubauen, denn es ist letzten Endes längst erwiesen, dass jene Mitarbeiter mit einer guten Work-Life-Balance im Allgemeinen viel produktiver sind.
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