Arbeit macht alles – nur nicht glücklich!?

Viele, vor allem junge Menschen können ihn kaum erwarten. Die Rede ist hier nicht vom Weihnachtsmann, sondern vom ersten Arbeitstag. Schon von früher Kindheit an wurden sie auf Bildung getrimmt, die letztlich zu einem guten Beruf führen sollte. Nach der Ausbildung ist es jetzt endlich so weit, die Arbeit kann beginnen.

Doch schon nach wenigen Jahren stellen sich oftmals Unzufriedenheit, Resignation oder gar Depressionen ein. Aus der glücksversprechenden Arbeit ist ein Moloch geworden, der Zeit, Persönlichkeit und Gesundheit frisst – und das mit einer schier unaufhaltsam wachsenden Gier. Aus der Arbeit ist in unserer modernen Gesellschaft so etwas wie ein Zentralgestirn geworden, um das sich nun alles dreht. Die persönliche Entwicklung, Freunde, Beziehungen und selbst die Familie werden rund um das Konstrukt der Arbeit gestrickt und degradieren die meisten berufstätigen Zeitgenossen zu willfährigen Erfüllungsgehilfen der wirtschaftlichen Interessen weniger Einzelner.

Wenn Arbeit krank macht

Folgt man den Verlautbarungen der Krankenversicherer, dann sind es zunehmend mehr berufs- und allgemein arbeitsbedingte Erkrankungen, die bei den Beschäftigten für krankheitsbedingte Ausfallzeiten sorgen. Neben berufstypischen Verletzungen und körperlichen Leiden wie etwa Rückenschmerzen sind es vor allem psychische Beeinträchtigungen und Krankheiten, die zunehmend den Schweizer Arbeitsmarkt durchdringen.

Depressionen, Burn-out und ähnliche psychisch bedingte Krankheitsbilder betreffen zunehmend mehr Arbeitnehmer und Selbstständige in den unterschiedlichsten Branchen. Vom Produktionsarbeiter bis hin zum Makler machen sich Depressionen breit, die nur bedingt mit der Entlohnung für die geleistete Arbeit zu tun haben.

Festgestellt wird, dass dauerhaft anhaltender Stress (Distress) als Auslöser für viele Krankheiten angesehen werden kann. Was aber wird dann aus den Träumen, die wir einst mit dem Arbeitsleben in Verbindung gebracht haben?

Träume von der Arbeit

Das erste selbst verdiente Geld, steigende Gehälter, zunehmender Erfolg im Job und vor allem auch die Sicherheit, gebraucht zu werden, sind häufige Argumente, die angeführt werden, wenn man junge Menschen danach fragt, warum Sie sich auf die Arbeit freuen. Diese Wünsche gehen mehr oder minder in Erfüllung, kennzeichnen aber noch längst nicht den Traum von der Arbeit.

Eigentlich werden die Träume von Arbeit von ganz anderen Faktoren bestimmt. Die eigene Wertstellung in der Gesellschaft, das Erproben der eigenen Leistungsfähigkeit, Eigenständigkeit in der freien Entscheidung oder der eigene Einfluss auf das eigene Fortkommen sind viel tiefer liegende Vorstellungen von der Arbeit an sich. Aber genau an diese Punkten scheitern die meisten Arbeitnehmer. Rollen und Funktionen sind beliebig austauschbar, so mancher kann vom Ertrag seiner Arbeit nicht wirklich gut leben, freie Entscheidungen werden unmöglich oder vom Chef diktiert, der eigene Einfluss auf das eigene Weiterkommen wird von anderen Entscheidern übernommen. So sieht die Realität im Arbeitsleben aus.

Wir drehen uns um eine neue Sonne, die nicht immer wärmt, uns manchmal aber schon verbrennt. Mit zunehmendem Alter wird uns diese Situation bewusster, und nicht selten beginnt dann einfach nur noch das stoische Hinarbeiten auf den Ruhestand, sofern man diesen noch halbwegs fit erlebt.


Träumen-rangizzz-Shutterstock.com
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Übrigens ist die Arbeit auch einer der häufigsten Inhalte unserer nächtlichen Träume. Der bewussten und der unterbewussten.

Arbeit neu gewichten

Der Mensch wird nicht geboren, um sein ganzes Dasein um die Erwerbstätigkeit herum zu gestalten. Das sollte eigentlich klar sein, wird aber zunehmend aus der gelebten Wirklichkeit verdrängt. Schaut man sich allein die ersten zwei Lebensjahrzehnte eines Menschen an, dann wird klar, dass der moderne Mensch in einer Industriegesellschaft letztlich doch nur noch auf seine Rolle als Produktivkraft reduziert wird, und das mit System.

Schon als Kleinkinder erleben wir, wie wichtig Arbeit für unsere Eltern ist. Nicht die Arbeit an sich, sondern vor allem bezahlte Arbeit. Während Mutter mit einer Halbtagsstelle das Familieneinkommen aufbessert, glänzt Vater wegen zahlreicher Mehrarbeit durch häufige Abwesenheit vom Familienverbund.

In den Zeiten, in denen die Eltern dem Gelderwerb nachgehen, dürfen wir die Tagesstätte frequentieren. Dort bringen uns nette Tanten und Onkel bei, wie wir mit anderen auszukommen haben und uns ordentlich die Hände waschen. Irgendwann sehen wir uns Bücher an mit fleissigen Bauarbeitern und Tierpflegern. Gewisse Berufsgruppen wie Ärzte, Polizisten, Feuerwehrmänner und Piloten üben auf uns eine besondere Anziehungskraft aus. „Da musst du aber fleissig lernen und tüchtig wachsen, wenn du so etwas Tolles werden willst!“, erfahren wir schon weit vor dem ersten Schultag.

Einmal in der Schule angekommen, geht dann alles in Richtung gesellschaftlicher und beruflicher Qualifikation. Auch das ist schon Arbeit, die beispielsweise in der Schweiz von Schülern mehr Zeit einfordert, als ein durchschnittlicher Arbeitstag lang ist.

Und wenn wir dann nach Schule, Studium und Ausbildung endlich im Beruf angekommen sind, beginnt die Zeit der Enttäuschungen, Krankheiten und des Verzichts. Wir verzichten zugunsten des Dienstes nach Vorschrift auf schöpferische Kreativität, wir verzichten auf das Zusammensein mit unseren Liebsten und zugunsten des Arbeitsplatzes auf Lohn, Ferien oder die eigene Meinung.

Es ist Zeit, die Arbeit wieder neu zu gewichten. Nicht als Selbstzweck, sondern als das, was den Menschen vor allen anderen Arten auszeichnet. Wir leben nicht, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um unser Leben nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Das muss sich wieder durchsetzen, wenn der Mensch nicht zur willfährigen Maschine degenerieren soll.

 

Oberstes Bild: © Jack Frog – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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