Lernen und Weiterbildung – wie sieht die Zukunft aus?

Wissen hat heute eine kurze Halbwertszeit. Die moderne Arbeitswelt fordert lebenslanges Lernen. Mindestens in ihren mittleren und oberen Segmenten kommt kaum jemand ohne Weiterbildung aus.

Das vermutlich häufigste Curriculum dafür besteht heute aus dem Berufseinstieg als Bachelor, darauf folgen ein Masterstudium, firmeninterne Weiterbildungen oder ein berufsbegleitender MBA. Die Frage ist jedoch, wie sich die Anforderungen und Rahmenbedingungen für Lernen und Weiterbildung zukünftig entwickeln werden. Bereits heute ist beispielsweise absehbar, dass sich Lernprozesse immer stärker in die virtuelle Welt verlagern. Sowohl für die Lernenden als auch die Unternehmen werden Investitionen in Bildung immer mehr zu einem relevanten Wettbewerbs- und Kostenfaktor.

Eine deutsche Studie widmet sich diesem Thema jetzt ausführlich, im deutschsprachigen Raum ist sie bisher einzigartig. Sie ist ein gemeinsames Projekt des Institute of Corporate Education e. V. Berlin und Jena, der F. A. Z. Executive School, des Corporate Campus der Frankfurter DZ Bank sowie von Bayer MaterialScience. Zu den Ergebnissen gehört ein sogenannter Chancen-Radar, der die Veränderungen in der gesellschaftlichen und betrieblichen Bildungslandschaft bis ins Jahr 2030 projiziert. Die – hier am Beispiel einiger ausgewählter Faktoren dargestellten – Projektionen lassen sich nahezu nahtlos auf die Schweiz und viele andere europäische Länder übertragen.

Betriebliche Weiterbildung – ein hochdynamisches Arbeitsfeld der kommenden Jahrzehnte

Die wichtigste Zielstellung des Chancen-Radars besteht darin, Unternehmen und ihren Mitarbeitern dabei zu helfen, sich den wichtigsten sozialen, ökonomischen und technologischen Trends in der betrieblichen Weiterbildung auch mittel- und langfristig aktiv zu stellen. Gleichzeitig ist er ein Planungsinstrument für Politik und Wissenschaft, die in ihren Bereichen jeweils in der Pflicht sind, auch für die künftigen Herausforderungen für Wissensvermittlung und Wissenserwerb zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Studienautoren betonen in diesem Kontext, dass sie ein Bewusstsein dafür wecken wollen, dass vor allem die betriebliche Weiterbildung in den kommenden Jahrzehnten ein hochdynamisches Arbeitsfeld sein wird, das in viele andere Lebensbereiche hineinwirkt.

Altersgerechtes Lernen – bereits heute relevant

Altersgerechtes Lernen spielt in der gesellschaftlichen und betrieblichen Praxis bereits heute eine Rolle. Die „Lernenden“ und damit die Zielgruppen des Weiterbildungsmarktes sind alles andere als homogen – was auch die Bildungsanbieter inzwischen wissen. Die altersgerechte Gestaltung von Trainings wird künftig grössere Bedeutung haben als bisher. Ausserhalb der Studie stellt sich hier allerdings auch die Frage, was altersgerechtes Lernen eigentlich genau bedeutet: Geht es um den Rhythmus, in dem ältere Arbeitnehmer auf optimale Weise lernen? Um die Vermittlung von Wissen in relativ grossem zeitlichen Abstand zum Abschluss der formalen Bildung?

Für die Unternehmen dürften hier perspektivisch und angesichts einer sich verlängernden Lebensarbeitszeit beispielsweise auch Qualifikationsprofile älterer Arbeitnehmer eine Rolle spielen, die deren Stärken in den Fokus stellen und auf gezielte Weise fördern.


e-Learning - Online angebotene Trainings. (Bild: Veerachai Viteeman / Shutterstock.com)
e-Learning – Online angebotene Trainings. (Bild: Veerachai Viteeman / Shutterstock.com)


Die „virtuelle Universität“ – bereits in absehbarer Zukunft relevant

Zeitlich verorten die Studienautoren die „virtuelle Universität“ bereits im Jahr 2016. Aus ihrer Sicht könnten online angebotene Trainings, Übungen und Weiterbildungsprogramme die Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen sein, die unter anderem immer stärker auf Internationalisierung zielen. Der Bereich der Weiterbildung ist hier nicht ausgenommen. Globale Konzerne setzen bereits heute zum Teil auf einen virtuellen Campus, der ihren Mitarbeitern weltweit zur Verfügung steht.

Angesichts des sich verschärfenden Mangels an Fach- und Führungskräften in vielen Industrieländern könnten die Firmen von einem globalen virtuellen Wissenspool respektive global verfügbaren Experten sowie entsprechenden Weiterbildungsangeboten profitieren. Zudem ist die „virtuelle Universität“ in hohem Masse kompatibel mit den Anforderungen der Arbeitswelt. Ihre Angebote sind nicht an Zeit und Raum gebunden, eignen sich daher hervorragend für eine berufsbegleitende Personalentwicklung und tragen ausserdem zu einem attraktiven Arbeitgeber-Image respektive einer erfolgreichen Mitarbeiterbindung bei.

Bildung wird zum privaten Kostenfaktor

Private Universitäten und Fachhochschulen boomen weltweit – exemplarisch dafür sind die privaten Business Schools, die auch aus der europäischen Bildungslandschaft nicht mehr wegzudenken sind. Eine wachsende Anzahl von Studierenden versteht ihre Ausbildung nicht als „Bringschuld“ des Staates, sondern als private Zukunftsinvestition, ist bereit, auch hohe Studiengebühren zu akzeptieren und gegebenenfalls durch einen privaten Kredit zu finanzieren. Für die Finanzdienstleister eröffnet sich damit ein neues wichtiges Geschäftsfeld, dessen Grundlagen im Übrigen bereits geschaffen sind. Eine wichtige zeitliche Zäsur setzt der Chancen-Radar hier im Jahr 2017 an. Bildungskredite, Studiendarlehen oder offene Bildungsfonds könnten ab diesem Zeitpunkt zu Standardmodellen für die private Bildungsfinanzierung werden.

Augmented Reality – „Learning by doing“ gewinnt eine andere Dimension

Hinter Augmented Reality verbirgt sich die digitalisierte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Es geht dabei um das Zusammenführen realer und virtueller Daten. In vielen Bereichen – beispielsweise in den Medien, in der Werbung oder der virtuellen Navigation – hat sich diese Praxis bereits seit Jahren etabliert. Der Chancen-Radar geht davon aus, dass Augmented Reality gegen Ende des Jahrzehnts (2018) immer grösseren Einfluss auf die Entwicklung von Lerntechnologien gewinnt. Ein mögliches Tool dafür sind „Smart Glasses“, also intelligente Datenbrillen. Sehr wahrscheinlich ist, dass Augmented-Reality-Systeme (ARS) künftig das Prinzip „Learning by doing“ in erweiterten virtuellen Räumen unterstützen und damit die Möglichkeiten für ein „Training on the job“ immens erweitern werden.

Return on Education – Bildung wird in den Firmen zu einer wirtschaftlichen Kennzahl

Bereits heute geht es in den Unternehmen um den „Kampf um die Talente“. Mitarbeiterbindung und Produktivitätssteigerungen durch relevante – und attraktive – Weiterbildungsangebote werden perspektivisch zu einer wesentlichen Voraussetzung für eine erfolgreiche Positionierung von Firmen im globalen Wettbewerb. Bereits heute arbeiten vor allem Grosskonzerne an der Entwicklung von Systemen, die den Erfolg von Weiterbildungsmassnahmen quantifizierbar und vergleichbar machen. Der Chancen-Radar prognostiziert, dass bis spätestens zum Jahr 2019 der Return on Education eine ebenso wichtige Rolle spielen wird wie der klassische Return on Investment (ROI). Der Nutzen und die finanziellen Konsequenzen der betrieblichen Weiterbildung werden damit direkt zu einer wirtschaftlichen Kennzahl.

 

Oberstes Bild: © auremar – Shutterstock.com

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