Herausforderung Führungskraft – lassen Sie sich hinterfragen!
von Olaf Hoffmann Organisation
Meinungsvielfalt gefragt
Diktatorische Chefs weisen an, kontrollieren die Umsetzung der gestellten Arbeitsaufgaben und lassen weder sich selbst noch ihre Entscheidungen in irgendeiner Weise anzweifeln. Die Meinung solcher Chefs steht ganz oben, lässt sich nicht hinterfragen und ist gewissermassen Gesetz. Wer hier eigene Meinungen, Fragen oder Zweifel einbringt, wird schnell zum Störenfried und in nicht seltenen Fällen auch mal schnell aus der Abteilung oder gar aus dem Unternehmen entfernt.
In der Folge entsteht eine gewisse Lähmung im Arbeitsbereich, selbst fragwürdige oder falsche Entscheidungen der Führungskraft werden hingenommen, ein Dienst nach Vorschrift bereitet oftmals den Weg in die Abwärtsspirale. Denn auch Führungskräfte sind nicht unfehlbar, können sich irren oder sogar völlig abwegige Entscheidungen treffen.
Soll ein solcher Zustand verändert werden, dann ist es unabdingbar, dass in der Abteilung auch eine gewisse Meinungsvielfalt zu den anstehenden Problemen herrschen darf. Das bedeutet nicht, dass hier eine Art Anarchie entsteht, sondern vielmehr, dass Überlegungen, Anweisungen und Entscheidungen vor einem anzubahnenden Konsens diskutiert und hinterfragt werden dürfen. Denn letztlich gibt es besonders in Bereichen mit gut ausgewählten Mitarbeitern auch so etwas wie eine kollektive Intelligenz, die durchaus berechtigt ist und zum Vorwärtskommen der Abteilung und des gesamten Unternehmens beitragen kann.
Lassen Sie Ihre Entscheidungen hinterfragen
Sicherlich ist es nicht einfach und sogar unbequem, wenn viele Entscheidungen vor ihrer Umsetzung in der Arbeitsgruppe hinterfragt werden dürfen. Grundsatzentscheidungen sind davon in aller Regel ausgeschlossen, einzelne inhaltliche und strategische Fragen sollten aber schon zum Thema in der Mitarbeiterschaft werden. Und zwar nicht heimlich und hinter dem Rücken der Führungskräfte, sondern offen, transparent und fair.
Moderne Führungskräfte sollten ihre Unterstellten ausdrücklich dazu ermutigen, Meinungen und Anweisungen hinterfragen zu dürfen. Dabei sollte eine Regel grundsätzlich geklärt sein: Es geht nicht um das einfache Meckern und Reklamieren, sondern immer auch um neue Anregungen und bessere Wege zum Erreichen des gemeinsamen Ziels. Letztlich geht es also um konstruktive Kritik.
Im Rahmen einer solchen Art und Weise der Verständigung fühlen sich Führungskräfte dazu aufgefordert, eigene Entscheidungen gezielt hinterfragen zu lassen, um immer den jeweils besten Weg zu finden. Ausserdem verlangt das von den Leitern, sich selbst immer wieder in die Pflicht zu nehmen und über den Sinn oder Unsinn von Entscheidungen schon im Vorfeld gründlich nachzudenken.
Der Mut, sich selbst in Zweifel ziehen zu lassen
Besonders mutig, aber auch produktiv zeigen sich Führungskräfte, die nicht nur ihre Überlegungen und Entscheidungen hinterfragen lassen, sondern sogar sich selbst. Auch hier geht es nicht um eine Palastrevolution oder um den Umsturz im Kleinen, sofern vielmehr darum, dass auch die Mitarbeiter einen Einfluss darauf nehmen können, wie sich Führungskräfte profilieren.
Das führt letztlich dazu, dass sich die Führungskräfte in ihrem Auftreten gegenüber den unterstellten Mitarbeitern immer wieder selbst auf den Prüfstand stellen. Im Ergebnis werden derart qualifizierte Führungskräfte anerkannter, akzeptierter und immer auch produktiver in ihrem gesamten Handeln.
Natürlich ist der Arbeitsprozess nicht die Zeit, um ständige Diskussionen über Entscheidungen oder die Person der Leiter ausfechten zu können. Die bessere Gelegenheit für inhaltliche Auseinandersetzungen sind Teambesprechungen, Dienstberatungen, regelmässige kollektive Klausuren und ähnliche Formate. Dafür sollte im Arbeitsalltag in jedem Fall immer wieder einmal Zeit und Gelegenheit sein.
Auch für das Hinterfragen der Leiterpersönlichkeit können Regeln aufgestellt werden. So kann beispielsweise ein Teamsprecher gewählt werden, der die Fragen, Meinungen und Ansichten der einzelnen Teammitglieder in regelmässigen Abständen oder auch in freier Zeitwahl dem Leiter überbringt. Dabei geht es nie um das Bewerten der unterschiedlichen Ansichten, sondern immer viel mehr um die Akzeptanz dessen, was andere von Entscheidungen und der Führungsperson selbst halten.
Die richtigen Schlussfolgerungen ziehen
Eine derart meinungsoffene und konstruktive Struktur ergibt natürlich nur dann Sinn, wenn aus den angebrachten Zweifeln und Nachfragen auch die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden.
Eine davon kann sein, dass es durchaus die Produktivität und die Arbeitsatmosphäre in der Abteilung verbessern kann, wenn die Leiter gründlicher über ihre Entscheidungen nachdenken und diese, sooft es geht, auch im Team besprechen.
Gelegentlich offenbart sich auch, warum einzelne Mitarbeiter Probleme mit der Akzeptanz des jeweiligen Leiters haben. Nicht weil sie notorische Meckerer und Besserwisser sind, sondern weil ihre Ideen und Vorschläge nur selten Gehör gefunden haben. Und auf eines dürfen sich alle Führungskräfte verlassen. Die Leistung ist immer nur so gut wie die Leitung! Stellen Sie sich nicht selbst infrage, aber lassen Sie sich und Ihre Entscheidungen hinterfragen.
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