Alstom-Übernahme - Ist Siemens aus dem Rennen?

Das Rennen zwischen dem deutschen Siemens-Konzern und seinem amerikanischen Konkurrenten General Electric um das französische Vorzeigeunternehmen Alstom scheint so gut wie gelaufen zu sein. Nachdem die französische Regierung letzte Woche noch heftige Kritik an Alstoms Vorgehensweise geübt hatte und Siemens mit im Boot haben wollte, scheint sie sich jetzt gegen die Deutschen entschieden zu haben.

Zumindest könnte man den letzten Schachzug von Industrieminister Arnaud Montebourg dahingehend deuten. Die Regierung in Paris will dem bisherigen Angebot von General Electric nicht zustimmen, sondern fordert Nachbesserungen ein. In einem Brief an General Electrics Chef Jeff Immelt machte Montebourg klar, um was es geht: Dass GE nur die Energie-, nicht aber die Bahnsparte von Alstom übernehmen will, passt der Regierung nicht ins Konzept.

Die Amerikaner reagierten umgehend und erklärten, sie seien bereit für eine Fortsetzung des Dialogs. In einer Stellungnahme betonten sie, das Angebot sei gut sowohl für Frankreich als auch für Alstom. Auf die Energiesparte fallen rund 70 Prozent des Umsatzes von Alstom, die restlichen 30 Prozent auf die Bahngeschäfte, dabei vor allem auf die Produktion des französischen Hochgeschwindigkeitszugs TGV. Der Wert ist geringer, aber als Prestigeobjekt haben die TGV-Züge einen höheren Stellenwert im Nachbarland. Für den Energie-Sektor will GE etwa 12 Milliarden Euro an Alstom überweisen.

Eine kurze Chronik der bisherigen Ereignisse

Erste Gerüchte über das GE-Angebot tauchen am 24. April in der Presse auf und werden allgemein als frontaler Angriff auf Siemens gewertet, dem grössten Konkurrenten der Amerikaner. Da ist von über 13 Milliarden Euro die Rede, allerdings dementiert Alstom den Übernahmevorschlag. Unmittelbar danach schaltet sich die französische Regierung ein. Sie will den Verkauf in die Vereinigten Staaten unbedingt verhindern und arbeitet an anderen Szenarien, sagt Minister Montebourg. Montebourg ist eher einem Abschluss mit Siemens zugeneigt. Dadurch könnten zwei „nationale Champions“ entstehen, die in den jeweiligen Sparten in Europa führend wären, so der Minister in der letzten Woche.

Drei Tage später erklärt Siemens, mit dem Alstom-Management verhandeln zu wollen. Der deutsche Konzern schlägt eine Übernahme der Energie-Sparte vor und will im Gegenzug bis auf 19 Prozent die eigene Schienenverkehr-Sparte, u.a. den Bau der ICE-Züge, an Alstom abgeben. Am 28. April greift Frankreichs Präsident François Hollande höchstpersönlich ein und trifft sich in zwei Terminen mit Jeff Immelt und Siemens-Chef Joe Kaeser.

Nach dem Gespräch mit Immelt weist Hollande das amerikanische Angebot in der bisherigen Form zunächst zurück. Es sei nicht akzeptabel und müsse vor allem im Hinblick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen deutlich verbessert werden. Hollande deutet an, die französische Regierung habe genügend Druckmittel, um eine gute Lösung für Alstom und für die Interessen der französischen Industrie zu erreichen. Wahrscheinlich spielt der Präsident auf die Tatsache an, dass Alstom zu einem sehr grossen Teil von Regierungsaufträgen lebt.

In einer ausserordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats beschliesst Siemens, ein eigenes Angebot für Alstom abzugeben. Bedingung dafür ist, man bekomme vier Wochen lang Gelegenheit, die Alstom-Bücher zu prüfen und das Management zu befragen. Alstoms Verwaltungsrat bevorzugt nach Presseberichten aber weiterhin General Electric und empfiehlt seinen Aktionären am 30. April, eine bindende Offerte abzugeben. Siemens‘ Chancen für einen Einstieg scheinen dahinzuschwinden.


Siemens Palais München. (Bild: Cathrin Badzung / wikimedia.org)
Siemens Palais München. (Bild: Cathrin Badzung / wikimedia.org)


Bei Siemens gibt es Zweifel an der Übernahme

Das Angebot von GE an Alstom hat Siemens gewissermassen auf dem falschen Fuss erwischt, denn das Unternehmen ist derzeit sehr damit beschäftigt, sich selbst neu zu strukturieren. Dabei sind auch Pläne für einen Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen im Gespräch. Es ist deshalb kein Wunder, dass einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats dem Bieterkampf um Alstom distanziert gegenüberstehen. Unter anderem hiess es, die Welt gehe nicht unter, wenn Siemens den Kürzeren zieht. Die Zukunft des Industriekonzerns hänge nicht von dem Alstom-Geschäft ab. Laut Medienberichten aus Deutschland sollen einige Aufsichtsräte dem US-Unternehmen sogar die Daumen für eine erfolgreiche Übernahme drücken.

Die Siemens-Betriebsräte und Vertreter der IG Metall sehen das Übernahme-Modell mit gemischten Gefühlen. Die Gewerkschaft forderte im Anschluss an die Aufsichtsratsitzung umfassende Garantien für die Sicherung der Arbeitsplätze und für alle betroffenen Unternehmensstandorte. Im Zuge der Umstrukturierung bei Siemens läuft bereits eine Massnahme an, bei der rund zehn Prozent der Arbeitsplätze in der Bahnsparte wegfallen sollen.

Zuvor hatte es Unstimmigkeiten zwischen Alstom-Chef Patrick Kron und Kaeser gegeben. Aus deutscher Sicht zeigten sich die Franzosen nicht sehr kooperationsbereit. Kron wies den Vorwurf zurück und erklärte, völlige Transparenz zu schaffen. Siemens solle die Möglichkeit bekommen, die Geschäftsdaten einzusehen, um ein kompetentes Angebot einreichen zu können.

 

Oberstes Bild: © 360b – Shutterstock.com

author-profile-picture-150x150

Mehr zu Ulrich Beck

hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

website-24x24
jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});