Führungskultur

Von den sogenannten Soft Skills ist sowohl in Stellenausschreibungen als auch in Managementseminaren in immer stärkerem Mass die Rede. Von Führungskräften erwarten Unternehmen ebenso wie Mitarbeiter heute nicht nur fachliche Expertise, sondern auch kommunikative und soziale Kompetenz. Die Frage ist: Sind solche Fähigkeiten in den Unternehmen angenehmes Beiwerk oder lohnen sich Investitionen in die Soft Skills ihrer Mitarbeiter auch aus wirtschaftlichen Gründen? Verschiedene Studien wie der „Gallup Engagement Index“ zeigen, in welchem Mass sie dafür relevant sind.

Das Consulting-Unternehmen ComTeam betrachtet Persönlichkeit, Kultur und Veränderungskompetenz als zentrale Produktivitätsfaktoren in modernen Firmen und damit auch als wesentliche Fundamente für ökonomischen Erfolg. In einer Studie aus dem vergangenen Jahr bewerteten die befragten Arbeitnehmer die Bereiche „Umgang mit Mitarbeitern“, „Führung“ sowie „Anerkennung und Kritik“ auf einer Zehner-Skala mit neun Punkten, gaben ihnen also höchste Relevanz. Bei einer früheren Erhebung nannten die Befragten als erfolgskonstituierende Kompetenzen von Führungskräften Kommunikationsfähigkeit, Empathie und die Fähigkeit, zuzuhören. Die meisten Studienteilnehmer waren mit ihren persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten zufrieden, bescheinigten ihren Arbeitgebern jedoch Verbesserungsbedarf im Hinblick auf die Beteiligungskultur am Arbeitsplatz.

Persönliche Defizite der Manager – Hauptursache von Führungsfehlern

Die grössten Sünden bei Entscheidungen, beim Management von Change-Prozessen und der allgemeinen Mitarbeiterführung liegen laut ComTech in persönlichen Defiziten der Führungskräfte: Unbesonnenheit, zu wenig Achtsamkeit, cholerisches Verhalten. Getrieben werden sie zugegebenermassen oft durch hohen Arbeitsdruck, der auch vor dem Management nicht haltmacht und unter dem gerade die mittlere Führungsebene leidet. Bereits im Jahr 2011 zeigte eine Management-Befragung unter deutschen Führungskräften, dass diese sich dieser Problematik sehr wohl bewusst sind. Der Entwicklung der Persönlichkeit messen sie im Hinblick auf gute Führung grössere Bedeutung zu als fachlichen Expertisen, monieren allerdings, dass die Unternehmen sich um individuelle Führungsqualitäten, wenn überhaupt, oft nur am Rande kümmern würden.


Persönliche Defizite der Manager – Hauptursache von Führungsfehlern. (Bild: Taro Istok / Shutterstock.com)


Entsprechende Defizite finden sich nicht nur im Mittelbau, sondern auch bei den Top-Entscheidern. Viele Spitzenmanager interessieren sich ausschliesslich für Effizienzkriterien, übersehen jedoch, dass Produktivität von konkreten Menschen – ihren Mitarbeitern – und damit auch ihren individuellen Führungseigenschaften abhängt.

Persönlichkeit als Produktivitätskriterium schlechthin?

Aus einer solchen Perspektive erscheinen die Soft Skills nicht mehr als Nebensache, sondern als Produktivitätskriterium schlechthin, das „objektiven“ wirtschaftlichen Prozessen vorgelagert ist. Führungskräfte müssen motivieren und kommunizieren. Sie müssen Konflikte erkennen, aushalten und lösen können. Sie brauchen Authentizität, den Blick für das Machbare ebenso wie strategische Visionen und agieren dabei im Spannungsfeld zwischen den Interessen ihrer Mitarbeiter und den Unternehmenszielen. Ohne eine starke Persönlichkeit und die Fähigkeit zur Selbstreflexion laufen sie bei der Bewältigung dieser Herausforderung ins Leere – mit Folgen für den unternehmerischen Erfolg. Hinzu kommt der wachsende Attraktivitätsdruck auf die Unternehmen im „Kampf um die Talente“ – Firmen ohne positive Führungskultur finden sich hier sehr schnell auf der Verliererseite.

„Gallup Engagement Index“: Nur 13 % wirklich motivierte Arbeitnehmer

Was passiert, wenn es um die Führungskultur eines Unternehmens nicht zum Besten steht, zeigt alljährlich eindrucksvoll der „Gallup Engagement Index“. Die Studie misst, wie eng oder distanziert die emotionale Bindung der Mitarbeiter an ihre Arbeitgeber ist, wie motiviert sie sind und welche Einflüsse ihre Motivation zunichtemachen. Die Ergebnisse für 2013 wurden vor wenigen Wochen präsentiert und bieten den Firmen wenig Grund zur Freude. Für die Schweiz hat Gallup leider keine Daten vorgelegt. Die internationalen Zahlen sprechen jedoch eine klare Sprache.

Demnach befinden sich 17 % der deutschen Arbeitnehmer in der inneren Kündigung – laut einer Definition des St. Gallener Managementwissenschaftlers Martin Hilb eine Form der „Selbstjustiz“ der Arbeitnehmer, mit dem sie eine als ungerecht empfundene Behandlung am Arbeitsplatz kompensieren. In den USA fühlen sich nur 30 % der Beschäftigten für ihre Arbeit motiviert, um Durchschnitt aller untersuchten Länder können dies sogar nur 13 % der Arbeitnehmer von sich sagen.

82 % der Manager sind nicht für eine Führungsposition geeignet

Die Gallup-Researcher Randall J. Beck und James Harter sehen den Grund dafür sehr eindeutig in Führungsfehlern respektive der fehlenden persönlichen Befähigung vieler Manager zu guter Führung. Ihre Einschätzung beruht auf der Auswertung der globalen Gallup-Daten aus den letzten zwei Jahrzehnten: Laut Beck und Harter werden 82 % aller Führungskräfte ihren Aufgaben nicht gerecht, gleichzeitig resultieren 70 % der Motivation – oder auch Demotivation – von Mitarbeitern aus guten oder schlechten Führungsqualitäten. Die Auswahlkriterien der Firmen für ihre Führungskräfte sind eine der Hauptursachen für das Motivations-Debakel: Ins Management befördert werden meist Personen mit herausragender fachlicher Expertise oder auch langjährige Mitarbeiter. Über deren individuelle Eignung für eine Führungsposition wird meist gar nicht nachgedacht, auch bei der Leistungsbewertung spielen subjektive Führungseigenschaften keine oder eine nur sehr geringe Rolle.

Nur jeder zehnte Manager verfügt von Natur aus über Führungsqualitäten

Die beiden Wissenschaftler schätzen, dass nur jede zehnte Führungskraft von Natur aus die richtigen Persönlichkeitseigenschaften für gute Führung mitbringt und auf diese Weise für ein motivierendes, transparentes und im positiven Sinne forderndes Arbeitsumfeld sorgt. Weitere 10 % halten sie für fähig, die entsprechenden Kompetenzen – also die vernachlässigten Soft Skills – zu erlernen. Falls diese Management-Talente auf die richtige Position gelangen, können sie die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens im Vergleich zu ihren „durchschnittlichen“ Kollegen um knapp die Hälfte steigern.

Den Personalentscheidern in den Unternehmen geben Beck und Hart übrigens den Rat, bei der Auswahl ihrer Führungskräfte nicht vorrangig auf die Marktbedingungen oder die gegenwärtigen Profile ihrer Angestellten zu schauen. In grossen Unternehmen betreue ein Manager im Schnitt zehn Mitarbeiter – die Gallup-Relation von talentierten Managern zu Durchschnittskräften betrage 1:10. Es sei somit recht wahrscheinlich, dass sich in der Firma selbst gute Führungskräfte finden – allerdings oft nicht auf einer Managementposition, sondern zumindest bisher auf einer „normalen“ Stelle.

 

Oberstes Bild: © Harish Marnad – Shutterstock.com

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