Schweizer Telekom-Callcenter (Teil 2): Kaum Outsourcing und gut ausgebildete Mitarbeiter mit Karriere-Chancen

Telekom-Kunden, die eine Frage zu ihrer Rechnung, zu technischen Problemen oder ihren Geräten haben, klären ihre Anliegen heute meist telefonisch ab, wenden sich also an das Callcenter des Providers. Begeisterung löst der telefonische Service jedoch nicht zwangsläufig aus. Die Kunden ärgern sich über die Telefonnavigation zu Beginn des Anrufs, monieren lange Wartezeiten und zum Teil auch „wenig kompetente“ Angestellte. Vieles davon ist lediglich subjektives Empfinden. In der Praxis tun die Telekom-Anbieter viel für einen sehr hohen Standard ihrer telefonischen Beratung.

Die Schweizer Telekom-Unternehmen haben in den letzten Jahren viel in den Aufbau ihrer Callcenter investiert – nicht nur in exzellente technische Standards, sondern auch in qualifizierte und hoch motivierte Mitarbeiter. Der zweite Teil unseres Blicks hinter die „Callcenter-Kulissen“ zeigt, mit welchen Schwierigkeiten sie dabei zu kämpfen haben.

Callcenter-Standorte in der Schweiz: für Swisscom & Co. ein Markenzeichen

Der Trend zu Callcentern setzte bereits in den 1970er-Jahren ein. Massgeblich getrieben wurde er zunächst durch US-amerikanische Airlines und Banken. Ein regelrechter Boom folgte in den 1990er-Jahren, nachdem die erforderliche Technik nicht nur für Grosskonzerne, sondern auch für mittelständische Unternehmen erschwinglich geworden war. In ihrer wachsenden Verbreitung lag und liegt jedoch auch die Crux der Branche: Um Kosten zu sparen, verlagern viele Firmen ihre Callcenter ins Ausland – beispielsweise nach Osteuropa, Indien, Südafrika oder auf die Philippinen.

Die Qualität von Service und Beratung leidet darunter oft in hohem Masse. Der Abschied von dieser Praxis und das Callcenter im eigenen Land sind für viele Unternehmen inzwischen ein relevantes Werbeargument. Die Schweizer Telekom-Anbieter betrachten den Kunden-Support heute als ihr Kerngeschäft, das sie in der Schweiz und in der eigenen Firma halten wollen. Outsourcing ziehen sie, wenn überhaupt, allenfalls für einfache, repetitive Kundendienst-Routinen in Betracht.

„Outsourcer“ – nie so gut wie die eigenen Leute

Frank Zelger, der Kundendienst-Chef von UPC Cablecom, ist überzeugt, dass „Outsourcer“ nie so gut sein könnten wie die eigenen Leute. Profitabel sind solche Auftrags-Callcenter meist nur dann, wenn sie ihre Angestellten möglichst schlecht bezahlen und wenn diese permanent an ihrer Belastungsgrenze agieren. Aus Zelgers Sicht ist auch in solchen Konstellationen der Auftraggeber in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen akzeptabel bleiben.

Der Experte muss es wissen: Seine Position bei UPC hat Zelger zu einem Zeitpunkt übernommen, als das Callcenter der Firma wegen angeblich schlechter Service-Qualität etwas in Verruf geraten war. Heute liegt die Kundenzufriedenheit bei 8,3 von 10 möglichen Punkten. Dafür wurden nicht nur im Callcenter, sondern im gesamten Unternehmen Prozesse optimiert – die Kunden profitierten unter anderem von einer transparenteren Rechnungsstellung und deutlich kürzeren Lieferfristen.

Hohe Leistungsanforderungen, hohe Fluktuation und Karrieremöglichkeiten

Schwierig ist es für die Unternehmen, ihre Callcenter-Agenten langfristig an sich zu binden. Die Fluktuationsrate ist hoch, bei den Schweizer Telekom-Providern liegt sie konstant bei etwa 20 % pro Jahr. Falls der Job nicht ohnehin nur als eine Zwischenstation geplant war, scheiden viele Anfänger bereits nach wenigen Wochen wieder aus, weil sie sich den hohen Leistungsanforderungen und der Arbeitsbelastung nicht gewachsen sehen. Die Telekom-Konzerne testen Bewerber deshalb inzwischen mittels umfangreicher Assessments, die neben Sprachtests und Rollenspielen auch einen Technik-Part umfassen. Gute Chancen auf eine Einstellung haben Kandidaten mit abgeschlossener kaufmännischer Berufslehre und Verkaufserfahrung. Die Kenntnis einer zusätzlichen Landessprache sowie Englischkenntnisse sind von Vorteil, zum Teil werden sie als Einstellungsvoraussetzung auch zwingend eingefordert.

Wichtig sind ausserdem gute kommunikative Fähigkeiten, Resistenz gegen Stress sowie technologisches Interesse. Der Mobilfunkanbieter Orange zahlt neuen Callcenter-Agenten ein Einstiegsgehalt von 54’000 Franken jährlich. Bei den Wettbewerbern dürften die „marktüblichen Saläre“ ähnlich sein. Bei persönlicher Eignung sind für die Mitarbeiter auch Entwicklungsmöglichkeiten vorgesehen: Der Job im Callcenter kann durchaus der Einstieg in eine Telekommunikations-Karriere sein. Die Callcenter-Agenten eignen sich schnell ein breites Branchen-Wissen an, mit etwas Glück steht ihnen danach der Weg ins Produktmanagement oder andere Unternehmensbereiche offen.


Mit Wissen allein ist es im Callcenter allerdings nicht getan. Die Kunden erwarten am anderen Ende der Leitung nicht nur fachliche Kompetenz, sondern eine „lächelnde Stimme“. (Bild: Andrey_Popov / Shutterstock.com)


Callcenter-Arbeit ist auch Emotionsarbeit

Mit Wissen allein ist es im Callcenter allerdings nicht getan. Die Kunden erwarten am anderen Ende der Leitung nicht nur fachliche Kompetenz, sondern eine „lächelnde Stimme“ – und zwar auch dann, wenn sie der 50. Anrufer bei diesem Mitarbeiter sind. Der Züricher Psychologie-Professor Martin Kleinmann bezeichnet die Fähigkeit, Gefühle zu kommunizieren, die eigentlich gar nicht vorhanden sind, als Emotionsarbeit: Je grösser die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Gefühlen und dem verlangten kommunikativen Eindruck sei, desto mehr Energie „frisst“ eine solche Tätigkeit.

Ob ein Callcenter-Agent erfolgreich ist, hängt ausserdem nicht selten von seiner emotionalen Stabilität ab. Unzufriedene oder aggressive Kunden können in diesem Job manchmal auch zum Alptraum werden – die Anonymität des Telefons lässt bei einigen Anrufern persönliche Hemmschwellen verschwinden.

Intrinsische Motivation – unverzichtbar für den Job

Insgesamt leisten Callcenter-Agenten eine sehr anspruchsvolle Arbeit. Zu den hohen inhaltlichen Anforderungen kommen unregelmässige Arbeitszeiten, ein strikt durchstrukturierter Arbeitstag sowie straffe Führung. Ohne intrinsische Motivation – Spass an der Arbeit und den persönlichen Willen, die Arbeitsaufgaben zu erfüllen – ist dies nicht zu schaffen. Bei den Telekom-Providern erwartet die Callcenter-Mitarbeiter jedoch auch eine sehr abwechslungsreiche und interessante Tätigkeit. Da ständig neue Produkte und Geräte auf dem Markt erscheinen, verändern sich die Arbeitsthemen permanent.

Die inhaltlichen Anforderungen an Callcenter-Agenten werden sich zumindest in dieser Branche in Zukunft vermutlich noch verstärken. Durch die Zunahme von Online-Services verlagert sich die Bearbeitung einfacher Fragestellungen zunehmend ins Internet. Das Berufsbild der Callcenter-Mitarbeiter wandelt sich daher immer stärker in Richtung anspruchsvoller Kundenbetreuung und Beratung. Seit 2011 ist Callcenter-Agent in der Schweiz übrigens ein anerkannter Lehrberuf. Seine offizielle Bezeichnung lautet „Fachfrau/Fachmann für Kundendialog“.

 

Oberstes Bild: © Media Bakery13 – Shutterstock.com

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