Bewerber mit schwierigen Lebensverläufen

Da ist wieder so einer. Gut ausgebildet, vielseitig erfahren aber mit einem nicht gerade berauschenden Lebenslauf. Mehrmals den Job gewechselt, zwei schnell gescheiterte Selbstständigkeiten, irgendwann mal arbeitslos. Die beruflichen Tätigkeiten wechseln zwischen einfach und hochqualifiziert. Irgendetwas stimmt mit diesem Typ nicht.

Bewerbung gleich aussortieren oder lieber doch zum Bewerbergespräch einladen? Der Personalverantwortliche schwankt zwischen Neugier und vorsichtiger Distanz. Letztlich landet die Bewerbung im kleinen Stapel der Vorauswahl. Was macht Bewerber mit schwierigen Lebensverläufen für Unternehmen interessant?

Weisse Weste oder Flecken auf der Vita?

Was ist schöner als eine fleckenlos reine Weste? Nichts. Oder vielleicht doch? Menschen ohne erkennbare Schwierigkeiten im Lebenslauf haben es einfach. Fast überall kommen sie gut an, Schule und Berufsausbildung sind perfekt gelaufen, im Beruf sind sie erfolgreich und auch sonst scheint es nichts zu geben, was auch nur den kleinsten Schatten auf den Lebensweg solcher Menschen geworfen haben könnte. Sie sind meist jung, intelligent, eloquent, aber auch wenig individuell. Selten haben es solche Leute gelernt, mit echten Schwierigkeiten umzugehen. Fraglich ist auch, ob sie jemals ein Straucheln oder gar den Fall erlebt haben, aus dem sie sich mühevoll wieder nach oben arbeiten mussten. Bequem erscheinen die Zeitgenossen mit der weissen Weste allemal. Hier ist wohl kaum mit Schwierigkeiten zu rechnen.

Aber da gibt es auch den anderen Menschenschlag. Selten bequem, immer wieder im Widerstreit mit den Anforderungen und der eigenen Haltung dazu, gescheitert aber wieder aufgestanden, irgendwie wechselhaft in der Ausgestaltung des eigenen Lebens und den Zeugnissen nach dennoch gut qualifiziert. Nicht selten leben solche als wechselhaft erscheinenden Menschen auch nie lange in festen Beziehungen und der eine oder andere hat seine Vita auch schon mal mit deutlicheren Flecken beschmutzt.

Während Erstere bequem und leicht zu integrieren scheinen, kann bei den anderen die Auseinandersetzung schon vorprogrammiert sein. Allerdings wirken die Bewerber mit der weissen Weste auch eher langweilig und uniform, während die mit den ausgewaschenen Flecken auf der Vita etwas faszinierend Interessantes mitbringen.

Wer nach dem Fall das Aufstehen gelernt hat, kommt besser mit Schwierigkeiten zurecht

Bewerber mit einer guten oder überdurchschnittlichen Qualifikation und vielseitigen beruflichen Erfahrungen sind in vielen Unternehmen sehr begehrt. Das Interesse lässt aber oftmals dann nach, wenn sich die Persönlichkeit auf dem Papier als scheinbar wechselhaft mit grossen Schwankungen im Lebensverlauf präsentiert. Dann werden schnell Befürchtungen laut, die davon ausgehen, dass es sich hier um eine wenig gefestigte und entsprechend wenig zuverlässige Person handelt. So einfach stimmt das aber nicht.

Das Leben an sich ist für die meisten Menschen sehr wechselhaft und hält immer wieder neue Überraschungen bereit. Persönliche Umstände, schwierige Bedingungen am vorherigen Arbeitsplatz, wechselvolle Wege der Selbstbestimmung im eigenen Leben und oftmals auch das Scheitern gehören zu vielen Biographien. Dagegen gibt es natürlich auch die Bewerber, die mit einer scheinbar rundum weissen Weste glänzen können. Bei denen lief alles glatt und solche Menschen scheinen sich überall anpassen zu können.

Schaut man sich die Biografien erfolgreicher Menschen an, dann sind diese nur selten geradlinig und frei von Irrungen und Wirrungen. Was die Erfolgreichsten auszeichnet ist die Fähigkeit, nach dem Straucheln oder dem harten Fall auch wieder aufstehen zu können. Das ist eine Eigenschaft, die solche Persönlichkeiten interessant und eben auch sicher im Umgang selbst mit schwierigen Problemen macht. Während schwache Persönlichkeiten den adäquaten Umgang mit Problemen kaum erlernt haben, wissen die anderen, wie Schwierigkeiten zielorientiert angegangen und Probleme sicher gelöst werden können. Viele erfolgreiche Zeitgenossen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich aus einem Tief wieder zielstrebig nach oben arbeiten können und dann oftmals besser als je zuvor dastehen. Allerdings hinterlassen diese Kämpfe auch Spuren, nicht nur im Lebenslauf.

Bequemer Durchschnitt oder innovative Kämpfer?

Stellen wir die Frage nach den besten Bewerbern einmal provokant: Wollen Sie eine Mitarbeiterschaft, die bequem, aber eben auch nur durchschnittlich problemlösungsfähig ist oder sind es vielleicht doch eher die innovativen Kämpfer, die Ihr Unternehmen voranbringen?

Je nachdem, was Sie selbst als Lebenshaltung favorisieren, wird auch Ihre Antwort ausfallen. Sind Sie selbst ein eher bequemer Typ, dann sind die unkomplizierten Bewerber die erste Wahl. Hier ist kaum mit Schwierigkeiten zu rechnen. Allerdings werden diese Menschen auch selten mit besonderen Ideen oder ausgefallenen Sichtweisen überzeugen. Immerhin gilt es ja, nicht anzuecken.

Bewerber mit schwierigen Lebensverläufen sind für solche Arbeitgeber interessant die selbst wissen, wie schwer das Aufstehen nach dem Fall sein kann. Sie haben selbst erfahren wie wechselhaft das Leben ist, sind unbequem aber widerstandsfähig und belastbar auch in komplizierten Situationen. Dabei bringen sie Sichtweisen mit, die ebenso flexibel wie spannend für die Unternehmensentwicklung sind. Das ist nicht immer einfach, aber in den meisten Fällen spannend für neue Zielrichtungen und Entwicklungen im Unternehmen.


Die richtige Mischung macht’s. (Bild: Andrei Kukla / Shutterstock.com)


Die richtige Mischung macht’s

Langfristig erfolgreiche Unternehmen können in ihrer Belegschaft sowohl die bequemen als auch die unbequemen Mitarbeiter aufweisen. Damit entsteht eine Mischung, die Kontinuität genauso verspricht wie eine hohe Flexibilität besonders in schwierigen wirtschaftlichen Situationen. Aus Gesprächen mit Personalverantwortlichen ist bekannt, dass die scheinbar schwierigen Mitarbeiter zwar mehr Aufmerksamkeit bedürfen und sicherlich auch ein Stück Mehrarbeit bereiten, letztlich aber besonders in schwierigen Situationen die besseren Mitarbeiter sind. Gerade weil sie es im eigenen Leben gelernt haben, nach dem Fall auch wieder aufzustehen.

P.S. Der Personalverantwortliche aus der eingangs geschilderten Situation hat sich übrigens für den Bewerber mit dem holprigen Lebenslauf entschieden. Der wurde nämlich für die Besetzung einer Stelle gebraucht, in der es unter anderem auf die Fähigkeit ankommt, schwierige Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und problemlösungsorientierte Strategien zu entwickeln. Und wer sollte das besser können als ein Mensch mit Erfahrungen auf beiden Seiten des Lebens, eben nicht nur auf der Sonnenseite.

 

Oberstes Bild: © turkkub – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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