Der Schweizer Mindestlohn und die Folgen für Unternehmen und Arbeitnehmer

Mittel gegen drohende Armut oder hinterlistige Einmischung des Staates? Beim Thema Mindestlohn könnten die Meinungen innerhalb der Unternehmen in der Schweiz wohl kaum gegensätzlicher sein.

Alle Fakten, die Sie vor der Abstimmung am kommenden 18. Mai 2014 wissen müssen, klären wir im folgenden Artikel.

Was der Mindestlohn für die Wirtschaft bedeutet

Der Mindestlohn – oder die Verteilung des Lohns im Allgemeinen – ist dem Schweizer Volk ein wichtiges Thema: Drei Mal wurden Angelegenheiten bezüglich der Lohnverteilung in den Schweizer Kantonen in den letzten 18 Monaten besprochen, genauso häufig musste auch das Stimmvolk befragt werden. Die politische Debatte um den Mindestlohn scheint nicht abreissen zu wollen, denn am 18. Mai wird wieder um die Meinung des Volkes gebeten. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hatte dazu eine passende Initiative eingereicht, was jedoch bereits zwei Jahre zurückliegt. Falls Sie diese doch wichtige Debatte verpasst haben, werfen Sie einfach einen Blick auf die folgenden Fakten:

  • Konkret wird darin beschrieben, dass der Bund und die Kantone selbst die Löhne innerhalb der Schweiz vor Lohndumping schützen sollen. Gleichzeitig wird die Einführung eines verpflichtenden Mindestlohns in den Arbeitsverträgen gefordert.
  • Dieser Mindestlohn soll bei 22 Franken Stundenlohn liegen, was in einem Monat einem Verdienst von etwa 4’000 Franken entspricht (bei einer Arbeitswoche von ungefähr 40 Stunden Dauer).
  • Die Regierung selbst empfiehlt derzeit eine Ablehnung der Initiative. Notwendig sind für die Durchsetzung des Mindestlohns jetzt nur noch das Ja des Grossteils des Stimmvolks sowie die Zustimmung der Kantone. Ob es tatsächlich zur Einführung des Mindestlohns kommt, ist daher noch komplett offen.

Wie viel ist genug?

Bei der Frage, wie hoch der Mindestlohn ausfallen sollte, scheiden sich die Geister: Die Initiative sieht derzeit eine Einführung auf Basis von 22 Franken vor. Dabei handelt es sich jedoch nur um einen vorläufigen Wert: Je nach Entwicklung der Wirtschaft, der Löhne, der Preise für die Lebenserhaltung und der Inflation oder Deflation soll die Basis für den Mindestlohn angepasst werden können.

Der vorab auserkorene Wert von 22 Franken wurde dennoch nicht einfach künstlich gewählt: Für etwas weniger arbeiten nämlich derzeit 330’000 Personen in der Schweiz. Damit ist dies der niedrigste Lohn, der in der Schweiz offiziell bezahlt wird. Hochgerechnet auf die Bevölkerung entspräche dies etwa jedem zehnten Arbeitnehmer. Ob der Mindestlohn tatsächlich notwendig ist, sei dahingestellt – denn darüber muss das Volk entscheiden. Dass die Diskussion darüber sowohl in der Politik als auch in Unternehmen wichtig ist, zeigen jedoch die folgenden Zahlen.


Durchschnittlich verdienen Männer und Frauen in der Schweiz im gesamten europäischen Vergleich recht viel Geld. (Bild: Marina Svetlova / shutterstock.com)


Die Schere zwischen arm und reich

Durchschnittlich verdienen Männer und Frauen in der Schweiz im gesamten europäischen Vergleich recht viel Geld: 2010 – welches die Initiative des SGB als Beispieljahr nutzt – betrug der Durchschnittslohn für Männer in der gesamten Schweiz 6.397 Franken, Frauen verdienten mit 5.221 Franken deutlich weniger. Regionsspezifische Unterschiede (in Zürich etwa fielen die Löhne wesentlich höher aus als im vergleichsweise schwachen Tessin) sind natürlich ebenfalls zu finden.

Die niedrigsten Löhne wurden in diesem Jahr mit 3’986 Franken in der Dienstleistungsbranche festgestellt. Dabei handelt es sich bereits um Tieflöhne, welche von 10.5 % der Arbeitnehmer in Anspruch genommen wurden. 275’000 Personen befanden sich also in Verträgen, welche diese Menschen zwar nicht an die Armutsgrenze brachten. Der auffällige Unterschied ist aber dennoch kaum wegzudiskutieren. Dabei stossen die Anliegen des SGB sowohl auf Verständnis als auch eine recht grosse „Ja, aber…“-Klientel.

Volk gegen Unternehmen

Der SGB selbst begründet den Bedarf nach einem Mindestlohn ganz einfach: Arbeit muss sich lohnen. Menschen sollen von ihrer Arbeit leben können. Alle Personen würden von diesem Mindestlohn profitieren – also auch die Unternehmen, welche diese höheren Löhne zahlen müssten. Prinzipiell stimmen Institutionen wie der Schweizerische Arbeitgeberverband zu. Gleichzeitig warnt man aber auch vor Gefahren: Zu hohe und willkürlich festgesetzte Löhne könnten nicht die Gegebenheiten vor Ort einbeziehen. Arbeitsplätze würden verschwinden, da durch höhere Löhne auch die Produktionskosten für Güter beispielsweise steigen würden.

Damit würden zahlreiche Unternehmen in der Schweiz ihre Position in der internationalen Wirtschaft verlieren – was dann langfristig weitere Arbeitsplätze vernichten würde. Outsourcing wichtiger Stellen in das Ausland wäre die Folge. Paradox dabei wäre auch, dass gerade diejenigen Personen ihren Job verlieren würden, welche eigentlich durch den Mindestlohn profitieren sollten.

Zwei Seiten der Medaille

Der SGB kanzelt diese Szenarien als Schreckgespenster ab, die von den Unternehmen in die Welt gesetzt werden. Jene Konzerne halten selbstverständlich dagegen. Insbesondere wird angeprangert, dass der Mindestlohn vom Staat reguliert werden solle. Eine freie Marktwirtschaft wäre unter diesen Voraussetzungen nicht mehr gegeben.

Auch berücksichtige der Mindestlohn nicht die regionskritischen Eigenheiten: Die Kosten für die Lebenserhaltung beispielsweise fallen in Zürich wesentlich höher aus als in ländlichen Gebieten – und trotzdem sollen Arbeitnehmer in beiden Regionen mit 22 Franken pro Stunde zufrieden sein. Vor diesem Hintergrund erscheint die Initiative tatsächlich nicht vollständig zu Ende gedacht. Da Spekulationen in diesen Fällen selten hilfreich sind, warten wir aber am besten – und zwar auf den 18. Mai 2014.

 

Oberstes Bild: ©  Lisa S. – shutterstock.com

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