Unternehmensberatung in der Krise?

An der Oberfläche sind Unternehmensberater die Stars der Businesswelt. Die betriebswirtschaftlichen Allrounder agieren als temporäre Insider in vielen Unternehmen, sind international mobil und können zumindest bei den grossen Beratungsfirmen mit überdurchschnittlichen Salären rechnen. Den externen Blick auf ihre Prozesse und Erträge betrachteten in den letzten zwei Dekaden immer mehr Wirtschaftsunternehmen als unverzichtbar. Die Beratungsbranche müsste also permanent im Aufwind sein.

Ein Artikel von Julia Löhr in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ legt jetzt nahe, dass es um die Realität der Unternehmensberatungen weit weniger gut bestellt ist. Das Image der Consultants ist nicht mehr das, was es noch vor einigen Jahren war. Den internen Wettbewerb der Branche haben längst die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gewonnen.

Allround-Expertise oder Oberflächlichkeit?

Ein Kritikpunkt seitens der Auftraggeber besteht darin, dass sich die Beratungshäuser oft recht oberflächlich präsentieren. In seiner Neujahrsbotschaft an bestehende und potenzielle Mandanten brachte der Partner eines namhaften Hauses das Dilemma der Branche auf den Punkt: Als Spezialgebiete seines Unternehmens listete er rund ein Dutzend unterschiedliche Bereiche auf, das Themenspektrum reicht von Konjunktur- und Arbeitsmarktanalysen in der Eurozone, den Folgen des globalen Wettbewerbs und anderen strukturellen Fragen über die Auswirkungen von Mindestlöhnen bis zu Vertriebsfragen und Work-Life-Balance.

Die Allround-Expertise zu allen Problemen, welche Entscheidungsträger in Unternehmen plagen, kommt bei den Adressaten allerdings leicht als Oberflächlichkeit respektive wenig differenzierte Eigenwerbung an.

Aus Löhrs Sicht ist das Buhlen um Aufmerksamkeit – also den nächsten lukrativen Auftrag – heute symptomatisch für den Zustand der Beratungsbranche. Zwar profitiere diese nach wie vor von Umsätzen in Milliardenhöhe, die Zeit zweistelliger Wachstumsraten sei jedoch vorbei. Der Markt für die Consultants ist inzwischen weitgehend gesättigt und von den Beratungsgesellschaften hart umkämpft.

Auch die Konzerne stellen in immer stärkerem Masse kritische Fragen – die Erfahrung zeigt, dass Consulting-Projekte vor allem teuer sind, sich unter langfristigen Aspekten jedoch nicht automatisch rechnen. Die Aufträge, die tatsächlich noch an die Unternehmensberater gehen, werden kürzer und betreffen statt der Gesamtstruktur von Unternehmen oft nur noch stark eingegrenzte Arbeitsfelder.

Hinzu kommt, dass bei den Firmen ein Umdenken stattgefunden hat, was bei den Beratungshäusern noch nicht wirklich angekommen ist: Innovation und Nachhaltigkeit sind heute Fragen, die über die Wettbewerbsposition sowie die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheiden können. Neben betriebswirtschaftlichen Analysen sind dafür auch Visionen nötig. Die Kernkompetenzen der Berater – Rationalisierung, Verschlankung und strategische Neuausrichtung von einzelnen Bereichen oder ganzen Unternehmen – reichen für einen solchen Fokus jedoch in den seltensten Fällen aus.


Der Unternehmenscheck gehört zum Geschäft der Consultingfirmen – hier konnten zuletzt allerdings Wirtschaftsprüfungsunternehmen punkten. (Bild: cirquedesprit – Fotolia.com)


Erfolgskriterien für Beratungsunternehmen: Globales Netzwerk oder Spezialisierung

Den drei wichtigsten globalen Beratungsunternehmen – The Boston Consulting Group, McKinsey sowie Bain & Company – geht es auch unter den veränderten Bedingungen für die Branche gut. Bei ihren Auftraggebern punkten sie durch ihr Insiderwissen und ein globales Netzwerk.

Die grossen Beratungshäuser haben Expertisen vorzuweisen, die in den weltweit wichtigsten Unternehmen gewonnen wurden – kaum ein bedeutender Konzern ist davon ausgenommen. Neue Mandanten erhoffen sich – zu Tagessätzen von einigen Tausend Franken oder Euro – für ihr eigenes Geschäft wichtige Synergieeffekte. Auch kleinere Beratungshäuser haben wenig Grund zur Sorge.

Die meist hoch spezialisierten Firmen bieten ihren Kunden keine allgemein gehaltenen Strategieversprechen an, sondern unterstützen sie in ihrem Tagesgeschäft mit Antworten auf ganz konkrete Fragen. Hinzu kommen Honorare, die auch für mittlere und kleinere Unternehmen erschwinglich sind.

Die neuen Probleme der Berater zeigen sich dagegen im Mittelfeld. Julia Löhr spricht in diesem Zusammenhang von einer Sinnkrise dieses – recht grossen – Segments der Branche und führt als exemplarisches Beispiel dafür die deutsche Unternehmensberatung Roland Berger an.

Die Münchner Strategy Consultants bezeichnen sich selbst als das einzige deutsche Beratungsunternehmen von Weltrang – ob zu Recht, sei einmal dahingestellt. Inzwischen hat Roland Berger aufgrund nur mässig erfolgreicher Geschäfte seine internen Prozesse und Strukturen selbst verschlankt – nachdem Verkaufsverhandlungen mit dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) wegen Unstimmigkeiten über Preis und Firmennamen fehlgeschlagen waren.

Wirtschaftsprüfer punkten mit operativen Kompetenzen

Die internationale Strategieberatung Booz & Company mit dem Firmensitz New York hat mit ihrer Verkaufsentscheidung – und mit PwC – offensichtlich mehr Glück gehabt als Roland Berger. Ursprünglich sollte eine Fusion mit dem vergleichbar aufgestellten Konkurrenten A.T. Kearney dem anvisierten gemeinsamen Unternehmen den Weg in die erste Liga der Beratungshäuser ebnen.

Nachdem diese gescheitert war, haben sich die Booz-Partner zum Verkauf an PwC entschlossen – eine strategisch vermutlich sehr richtige Entscheidung, da die Preise für Beratungsgesellschaften angesichts des grossen Angebots künftig eher fallen dürften.

Die Wirtschaftsprüfer gehen davon aus, dass sie den Wettbewerb im Beratungsmarkt bereits jetzt für sich entschieden haben. Dies betrifft nicht etwa nur das mittlere Marktsegment, sondern auch die Branchengrössen. Schätzungen zufolge hat PwC im vergangenen Jahr Umsätze von rund neun Milliarden US-Dollar erzielt, McKinsey als der Primus unter den Strategieberatungsfirmen konnte dagegen nur Umsätze in Höhe von sieben Milliarden US-Dollar für sich verbuchen.

Die Ironie daran: Die Strategieberater betrachteten das Kerngeschäft der Wirtschaftsprüfer über lange Zeit als Kleinkram. „Operations“ respektive die Optimierung von konkreten und zwangsläufig auch „inhaltlich limitierten“ Prozessen – beispielsweise die Pflege von Zahlungs- oder IT-Systemen – galten noch vor kurzem als wenig lukrativ und selbstverständlich auch als nicht besonders imageträchtig.

Inzwischen scheint die unternehmensübergreifende operative Kompetenz der Wirtschaftsprüfer jedoch das zu sein, was auch grosse Firmen wirklich brauchen – mit Folgen für Identität und Chancen der Beratungsbranche insgesamt.

 

Oberstes Bild: © Coloures-Pic – Fotolia.com

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