Wiedereingliederung spart 10 Millionen CHF mit neuem Reintegrationsprogramm

Die Suva investierte in den letzten 13 Monaten 560 000 Franken in ein neues Reintegrationsprogramm für Verunfallte.

Mit der Wiedereingliederung erhielten 34 Menschen eine neue berufliche Perspektive statt eine Rente. Dadurch werden die Prämienzahler um 10 Millionen Franken entlastet.

Mit dem Reintegrationsprogramm „Anreize für betriebliche Wiedereingliederung“ hat die Suva einen finanziellen Anstoss für Arbeitgeber geschaffen. In den vergangenen 13 Monaten unterstützte sie Unternehmen mit rund 560 000 Franken bei der Wiedereingliederung von Verunfallten und konnte dadurch über 10 Millionen Franken an künftigen Rentenzahlungen einsparen. Geld das den Versicherten in Form tieferer Prämien zugutekommt. Denn im Schnitt muss die Suva 2017 für jede neu gesprochene, lebenslange Rente 349 000 Franken Kapital zurücklegen.

Berufliche Perspektive statt Rente

Peter Diermann, Bereichsleiter Versicherungsleistungen der Suva, ist mit der Bilanz nach einem Jahr zufrieden: „Wir unterstützen damit Menschen, die keine andere Hilfe erhalten, obwohl sie optimale Chancen auf eine Eingliederung haben.“ Die Betroffenen erhalten durch diese Massnahme der Suva eine berufliche Perspektive statt eine lebenslange Rente. Denn: Besteht bei der Invalidenversicherung (IV) kein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen oder wird die IV aus einem anderen Grund nicht aktiv, kann die Suva finanzielle Leistungen im Rahmen ihres Reintegrationsprogramms übernehmen. Voraussetzung ist, dass sich die Wiedereingliederungsmassnahme für die Suva und damit auch für die Prämienzahler finanziell lohnt. Im Fokus stehen vor allem ältere Mitarbeitende oder Personen ohne Ausbildung.

Finanzielle Unterstützung

Die Suva hat ihr Anreizsystem nach einem erfolgreichen Pilotversuch im September 2016 ausgebaut. Sie übernimmt mit der Eingliederung verbundene Kosten bis zu 20 000 Franken. Darunter fallen Kosten für Arbeitsplatzanpassungen, Ausbildungskurse oder Eignungsabklärungen. Wurde eine Wiedereingliederung erfolgreich abgeschlossen, kann sie ein Erfolgshonorar an die Firma von zusätzlich 20 000 Franken auszahlen. Damit trägt die Suva dazu bei, dass Arbeitsplätze von Verunfallten erhalten bleiben und sie unterstützt auch Neuanstellungen. Denn: Die zunehmend digitalisierte und automatisierte Arbeitswelt mache es laut Diermann schwieriger, Verunfallte wieder einzugliedern.

Dank dem finanziellen Anreizsystem der Suva gliederten Unternehmen in den vergangenen 13 Monaten 34 Verunfallte wieder ins Berufsleben ein, davon 15 Personen in der Baubranche und 19 in Industrie und Gewerbe. Der Altersdurchschnitt der Wiedereingegliederten liegt bei 50 Jahren, wobei der Jüngste 27 und der Älteste 65 Jahre alt waren.

Die Erfolgsfaktoren

„Wichtig für eine erfolgreiche Wiedereingliederung ist die gute Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitgeber und der Suva sowie die Motivation des Verunfallten“, betont Diermann. Dies bestätigen auch Arbeitgeber, die vom Anreizsystem profitieren konnten. Einer davon ist Roger Hirzel, CEO der Hirzel Haustechnik AG. In einem Filmbeitrag erklärt er, weshalb sich die Wiedereingliederung auch für sein Unternehmen gelohnt hat.

„Die Führung braucht ein gutes Gespür“

Eine Gewinn für beide Seiten: Das ist die Wiedereingliederung des Sanitärinstallateurs Franz Baumann, der nach seinem Unfall bei der Haustechnikdienstleisterin Bären Haustechnik AG im bernischen Wabern eine neue berufliche Perspektive erhalten hat. René Jakob lebt als Geschäftsleiter soziale Werte vor, die im ganzen Team Früchte tragen.


Geschäftsleiter René Jakob (r.) gab Franz Baumann nach einem Unfall eine neue berufliche Perspektive. (Bild: zvg)

Weshalb entschieden Sie sich, einem Verunfallten durch das Reintegrationsprogramm „Anreize für betriebliche Wiedereingliederung“ eine Chance zu geben?

René Jakob: Wir erkannten in Franz Baumann einem motivierten und erfahrenen Mitarbeiter. Er wollte arbeiten, brachte Fachwissen mit und war dafür ausgebildet, Maschinen und Werkzeuge reparieren. Wir haben in unserem Gewerbe Probleme, Nachwuchs zu finden und waren auf der Suche nach einem Lageristen mit Fachwissen. Wichtig war uns auch, dass er zu unserem Team passte.

Wie konnten Sie und Ihr Arbeitnehmer vom Anreizsystem für betriebliche Wiedereingliederung profitieren?

Franz Baumann hat bei uns eine neue Chance und damit eine neue berufliche Perspektive erhalten. Und wir profitieren von seiner Motivation und seinem Wissen. Das Erfolgshonorar von 20 000 Franken, das uns die Suva nach der erfolgreichen Einarbeitung ausbezahlt hat, setzen wir für allgemeine Zwecke ein.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Anreizsystem der Suva gemacht?

Für uns war das eine gute Lösung. Franz Baumann ist zwar bei gewissen Arbeiten handicapiert, da er keine allzu schweren Lasten tragen kann. Das ist aber kein Problem: Wir haben einen guten Teamgeist und die jüngeren Kollegen helfen ihm bei solchen Arbeiten. Zudem haben wir gute Hebevorrichtungen. Die Suva kam uns finanziell entgegen, indem sie dem Mitarbeiter eine kleine Rente ausrichtet, damit wir ihm einen Leistungslohn zahlen können. Dieser entspricht nicht ganz seinem 100-Prozent-Pensum.

Gab es Stolpersteine, die Sie bei einem nächsten Mal umgehen könnten?

Nein. Wir sind in unserem Betrieb grundsätzlich nicht voreingenommen. Wir haben im ganzen Betrieb schwächere und stärkere Mitarbeitende und helfen einander gegenseitig. Wir setzen die Mitarbeiter so ein, dass sie ihre Stärken nutzen können, auch wenn sie an anderen Orten allenfalls Defizite haben. Das ergibt einen guten Mix im Team. Bei uns erhalten alle eine Chance, die ins Team passen und die den Willen haben, bei uns zu arbeiten.

Sie scheinen ein soziales Team zu haben. So läuft es nicht in jedem Unternehmen.

Unser Betrieb engagiert sich seit jeher sozial. Dieses Engagement muss die Geschäftsleitung aber als Vorbild vorleben. Ansonsten würde es uns nicht gelingen, auf diese Art und Weise zusammenzuarbeiten. Die Haltung muss in der ganzen Führung und im Team stimmen.

Haben sie bereits andere Menschen wieder ins Arbeitsleben eingegliedert?

Ja, wir nehmen zum Beispiel am Pilotprojekt „2. Chance auf eine 1. Ausbildung“ teil und bilden damit einen Mann aus Schwarzafrika aus. Er ist ein total motivierter und guter Typ. Unsere Mitarbeitenden haben diesen Entscheid keine Sekunde hinterfragt und profitieren nun davon, eine neue Kultur kennenzulernen.

Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Voraussetzungen einer erfolgreichen Wiedereingliederung?

In der Führung braucht es viel Menschenkenntnis und ein gutes Gespür, ob ein Arbeitnehmer in den Betrieb passt. Von Seiten des Arbeitnehmers braucht es Motivation, Zuverlässigkeit und der Wille zur Wiedereingliederung. Natürlich können je nach Arbeitsplatz auch weitere Faktoren wichtig sein. Ich würde zum Beispiel nie einen Quereinsteiger einstellen, der keine Ahnung vom Gewerbe hat. Wenn er aber vom Handwerk kommt und davor einen ähnlichen Beruf ausgeübt hat, spielt es keine Rolle, ob er 100 Prozent Leistung erbringen kann. Er kann dieses Defizit mit anderen Qualitäten wettmachen.

Was ziehen Sie für ein Fazit?

Wir würden eine solche Weidereingliederung jederzeit wieder ermöglichen. Jemand, der eine solche Chance bekommt, der weiss, worum es geht und setzt sich entsprechend ein.

Neue Perspektive statt eine Rente

Der heute 62-jährige Sanitärinstallateur Franz Baumann rutschte 2015 beim Kürzen eines Rohres mit dem Sackmesser aus und durchtrennte sich die Sehne der linken Mittelhand. Er fiel für 13 Monate aus und konnte danach nicht mehr zum ehemaligen Arbeitgeber zurückkehren. Über einen Kollegen hatte er bereits Kontakt zu seinem heutigen Arbeitgeber, der Haustechnikdienstleisterin Bären Haustechnik AG in Wabern (BE). Er arbeitet heute 100 Prozent mit eingeschränkter Leistung. Da er deshalb nicht den vollen Lohn erhält, zahlt ihm die Suva eine kleine Rente. Die Suva hat 20 000 Franken investiert, um die Wiedereingliederung zu unterstützen. Dadurch konnte sie Kosten für künftige Rentenzahlungen von rund 42 000 Franken sparen.

„Es geht auch darum, Kosten zu sparen“

Das gesamte Kader der Glattbrugger Hirzel Haustechnik AG legte ein grosses Engagement an den Tag, damit es seinem verunfallten Flachdachspezialisten eine berufliche Perspektive ermöglichen konnte. Geschäftsleiter Roger Hirzel über die Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung und wie er in der Firma ein Zeichen setzen konnte.


Roger Hirzel weiss, wie er die Höhe der Versicherungsprämie beeinflussen kann. (Bild: Suva, Raffael Waldner)
Roger Hirzel weiss, wie er die Höhe der Versicherungsprämie beeinflussen kann. (Bild: Suva, Raffael Waldner)

Wie war Ihre erste Reaktion als Sie vom Unfall Ihres Arbeitnehmers erfahren haben?

Roger Hirzel: Zu Beginn war ich nicht beunruhigt, da es sich „nur“ um einen Sturzunfall handelte. Es war Winter und in dieser Zeit sind die Dacharbeiter weniger ausgelastet. Als es Frühling wurde und der Mitarbeiter noch nicht zurückkehren konnte, mussten wir einen neuen Dachspezialisten einstellen. Da wusste ich: Ich muss für den verunfallten Mitarbeiter eine Lösung suchen.

War es für Sie von Beginn weg klar, dass Sie sich um seine Wiedereingliederung bemühen werden? Weshalb?

Der zuständige Aussendienstmitarbeiter der Suva hat sich bei mir gemeldet und mir die Möglichkeiten der betrieblichen Wiedereingliederung aufgezeigt. Es war für mich schnell klar, dass ich mithelfe, dem Mitarbeiter eine neue Perspektive zu geben. Es geht schliesslich ja auch darum, Kosten zu sparen. Jede Rente, die die Suva nicht bezahlen muss, bedeutet für uns Betriebe tiefere Prämien.

Wie konnten Sie und Ihr Arbeitnehmer vom Anreizsystem für betriebliche Wiedereingliederung profitieren?

Der Arbeitnehmer konnte bis zu seiner Pension weiterarbeiten und hat so mit Stolz sein Rentenalter erreicht. Ich konnte vor allem ein Zeichen in der Firma setzen. Wenn einer über Jahrzehnte bei mir arbeitet, setze ich ihn nicht einfach auf die Strasse.

Was mussten Sie tun, damit der neue Arbeitsplatz geschaffen werden konnte?

Das gesamte Kader musste sich zusammensetzen und die Arbeitsabläufe so umstrukturieren, dass wir leichte Arbeiten für den Mitarbeiter finden konnten. Wir setzten ihn als Chauffeur ein, der Material zu den Baustellen fuhr und zusätzlich leichte Aufräumarbeiten absolvierte. In der wöchentlichen Teamsitzungen wurden jeweils die Arbeiten für ihn definiert.

Worin lagen die grössten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung?

Am schwierigsten war es, den Mitarbeiter nach dem Unfall aus seinem Loch zu holen. Zu Beginn hatte ich Angst, dass er nicht mehr in den Betrieb zurückkommen wird. Schlussendlich hat er den Kopf aber nicht in den Sand gesteckt, sondern hat sich aufgerafft und ist bis zur Pension geblieben.

Wie lief die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten?

Ich bin sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit. Wir haben durch die finanzielle Unterstützung der Suva einen Weg gefunden, der für alle Beteiligten stimmte. Der Mitarbeiter konnte bis zur Pension im Unternehmen bleiben, wir konnten ihm durch die finanzielle Unterstützung einen Arbeitsplatz schaffen und die Suva konnte eine Rente sparen.

Kann ein solcher Mitarbeiter abgesehen von seiner Arbeitsleistung für ein Team auch noch in anderer Hinsicht bereichernd sein?

Für das Team ist es zum einen wichtig zu sehen, dass wir langjährige Mitarbeiter nicht wegen eines Unfalls auf die Strasse stellen. Zum anderen wirkt es motivierend, wenn einer mit einem Handicap sein Bestes für die Firma gibt.

Neue Perspektive statt eine Rente

Der Flachdachspezialist verunfallte drei Jahr vor der Pensionierung während den Weihnachtferien. Der Mitarbeiter rutschte am Abend auf einer Eisfläche aus und verletzte sich schwer an der Schulter. Er fiel für mehr als acht Monate aus und konnte danach nicht mehr in den angestammten Beruf zurückkehren. Der Arbeitgeber schuf zusammen mit der Suva eine neue Stelle für ihn uns setzte ihn bis zur Pension als Chauffeur im Betrieb ein. Die Suva hat 20 000 Franken investiert, um die neue Stelle zu schaffen. Dadurch konnte sie Kosten von rund 300 000 Franken sparen.

 

Quelle: Suva
Artikelbild: Suva

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