Hochschule Luzern: Viele Firmen kennen ihre Risikobereitschaft nicht

Die meisten Schweizer Unternehmen sehen zwar die Bedeutung des Risikomanagements und treffen entsprechende Massnahmen. Über die eigene Risikobereitschaft – oder umgangssprachlich ausgedrückt: den Risikoappetit – herrscht jedoch oft Unklarheit. Das zeigt eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern und von SwissERM.

Ein effektives Risikomanagement kann Unternehmen dabei unterstützen, mögliche erfolgskritische Szenarien rechtzeitig zu antizipieren und sich darauf vorzubereiten. Doch inwieweit identifizieren, steuern und überwachen Schweizer Unternehmen ihre Risiken tatsächlich? Um Antworten auf diese Frage zu erhalten, haben das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern und die Swiss Enterprise Risk Management Association (SwissERM) die Studie „Enterprise Risk Management 2016“ durchgeführt.

Risikomanagement wird als wichtiges Thema erkannt

Die Analyse zeigt, dass in mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen das Management sich explizit zu ethischem und integrem Verhalten bekennt. „Dieser sogenannte ,tone at the top‘ stellt die Basis für ein erfolgreiches Risikomanagement dar“, sagt Risikoexperte Stefan Hunziker von der Hochschule Luzern. Wenn Verwaltungsrat und Geschäftsleitung eine Vorbildfunktion einnehmen und ihre Verpflichtung gegenüber ethischem Verhalten und Integrität signalisieren, können sie damit das Risikobewusstsein bei Mitarbeitern erhöhen.

Nachholbedarf haben viele Betriebe hingegen darin, ihre Risikopolitik und ihren Verhaltens- und Ethikkodex zu dokumentieren. Dem kommt nämlich nur die Hälfte der Unternehmen nach. Aus Sicht von Hunziker ist das problematisch: „Mit der Risikopolitik werden die Grundsätze festgehalten, wie Risiken identifiziert, bewertet und gesteuert werden. Fehlt ein solches Papier, fehlt eine wichtige Grundlage für das Risikomanagement.“

Die grösste Lücke im Bereich der Risk Governance besteht in der gezielten Schulung von Mitarbeitern auf ethische Unternehmenswerte. Weniger als ein Drittel der Umfrageteilnehmer gab an, Schulungen als Instrument zu nutzen.

Wenig Beachtung für Risikoappetit

Wenig Beachtung schenken die Unternehmen auch ihrem Risikoappetit, also ihrer Risikobereitschaft. Nur bei einem Viertel der befragten Firmen ist dieser Bereich vollständig dokumentiert. Knapp ein Fünftel hält die eigene Risikobereitschaft gar nicht fest (siehe Abbildung 2). „Das erstaunt, denn eigentlich wird das Risikomanagement sehr stark davon beeinflusst, wieviel Risiko ein Unternehmen einzugehen bereit ist. Daher müssten sich die Firmen auch gezielt damit auseinandersetzen“, sagt Hunziker.

Als positiv bewerten die Studienautoren wiederum, dass ein Grossteil der Unternehmen Risiken im Strategieentwicklungsprozess berücksichtigt (79 Prozent) und identifizierte Risiken einbezieht, wenn eine neue Strategie evaluiert wird (77 Prozent). Gleichwohl gibt es auch hier Verbesserungspotenzial: Nur in knapp der Hälfte der Firmen wirken Verantwortliche für das Risikomanagement regelmässig in Strategieentwicklungsprozessen mit.

Finanzielle Risiken an erster Stelle

Die finanziellen Risiken stehen bei der Mehrheit der Unternehmen an erster Stelle (siehe Abbildung 1). 90 Prozent der Firmen berücksichtigen diese bei der Risikoidentifikation mehrheitlich oder vollständig. Strategische Risiken werden hingegen nur von 78 Prozent beachtet. Am wenigsten Aufmerksamkeit erhalten Reputations- und Technologierisiken bzw. Chancen. Je ein Drittel der Unternehmen zieht diese Risikokategorien gar nicht oder nur teilweise in die Risiko-Chancen-Betrachtung mit ein.

In der Studie wurde auch analysiert, wie die Unternehmen ihr Risikomanagement überwachen und dessen Wirksamkeit feststellen: Mehrheitlich wird zu wenig hinterfragt und systematisch überprüft, ob das Risikomanagement funktioniert. So behalten sechs von zehn Unternehmen die Wirksamkeit nur in Ansätzen im Auge, während eines von zehn dieser gar keine Aufmerksamkeit schenkt.

Viel brachliegendes Potenzial

Aufgrund der Ergebnisse kommen die Studienverantwortlichen zum Schluss: Risikomanagement ist unbestritten zum vielbeachteten Thema in Schweizer Unternehmen geworden. „Allerdings liegt noch viel Potenzial brach“, sagt Hunziker. „Denn erst wenn die Firmen konsequent einen Bezug zum strategischen Management herstellen, die Risikobereitschaft klar definieren und die Wirksamkeit wiederkehrend prüfen, wird das Risikomanagement zu einem Führungsinstrument, das Mehrwert schafft.“


Bedeutung einzelner Risikokategorien

Dokumentation des Risikoappetits

 

Quelle: Hochschule Luzern – Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ
Artikelbild: © PORTRAIT IMAGES ASIA BY NONWARIT – shutterstock.com (Symbolbild)
Andere Bilder: © Hochschule Luzern / SwissERM

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