FinTechs und Finanzindustrie – eine Roland Berger-Studie

Sind FinTechs eine Konkurrenz für klassische Finanzdienstleister oder gibt es Ansätze für eine Zusammenarbeit? Mit dieser Frage befasst sich eine aktuelle Roland Berger-Studie, die zusammen mit Swiss Financier Startups erstellt wurde.

Das Ergebnis lautet: 86 Prozent der europäischen FinTechs setzen auf enge Zusammenarbeit mit etablierten Finanzdienstleistern. Sie sehen dabei Kundenvertrauen als den wichtigsten Erfolgsfaktor und die Stärke der traditionellen Anbieter.

Kooperation statt Konfrontation gefragt

Junge Unternehmen rechnen sich in den Segmenten Investitionen und Asset Management, Zahlungsverkehr und Crowdfunding die besten Chancen aus. Grossbritannien, Irland und Frankreich liegen bei Gründern am höchsten im Kurs – die Schweiz zeigt dagegen Nachholbedarf. Fintechs in der Schweiz schätzen das starke helvetische Netzwerk, den grossen Talentpool und insbesondere die starke Innovationskraft des Standortes. Das regulatorische Umfeld und die Investorensuche werden immer noch als eher schwierig eingeschätzt.

Rund 19 Milliarden Dollar flossen 2015 weltweit in FinTechs – ein Plus von fast 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Kalkül der Investoren: Technologiegetriebene Startups sollen mit innovativen Produkten und Services Marktanteile von Banken und Versicherungen erobern. Doch verstehen sich FinTechs ausschliesslich als Konkurrenten etablierter Unternehmen? 86 Prozent der jungen Firmen setzen nicht auf Konfrontation, sondern auf Kooperation mit den Branchenführern.

Kein Ersatz für klassische Finanzdienstleister

Zudem glauben zwei Drittel nicht, dass sie klassische Finanzinstitute ersetzen können. Von einer Zusammenarbeit versprechen sich die Gründer vor allem Zugang zu einer breiten Kundenbasis (78%). Das sind Ergebnisse der neuen Studie „FinTechs in Europe – Challenger and Partner“ von Roland Berger – in der Schweiz in Kooperation mit Swiss Finance Startups. Im Rahmen der Untersuchung befragte die Unternehmensberatung insgesamt 248 FinTechs aus 18 europäischen Ländern.

„FinTechs schätzen ihre Rolle auf dem Markt realistisch ein: Sie verändern die Finanzindustrie, glauben aber nicht an eine Revolution im Alleingang. Dieses Prinzip gilt auch für die Schweiz. Die helvetischen Studienteilnehmer sehen vor allem in den Segmenten Investitionen und Asset Management grosses Potential“, sagt Philipp Angehrn, Managing Partner von Roland Berger in Zürich.

FinTechs zielen in erster Linie auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Branchengrössen ab. Accelerator- (14%) und Inkubatormodelle (9%) sind unter ihnen weniger gefragt. Allerdings rechnen die befragten Jungunternehmer mehrheitlich, dass Banken und Versicherungen mit Übernahmen auf die neue Konkurrenz reagieren.

Geht es um die wichtigsten Kriterien für die Standortwahl, so achten FinTechs in erster Linie auf die gute Möglichkeit, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Danach folgen die Aufgeschlossenheit der Regulierungsbehörden sowie starke Netzwerke und Investoren vor Ort. Aktuell sehen Gründer die besten Bedingungen für ihr Geschäft in Grossbritannien, Irland und Frankreich.

Kundenvertrauen – klassische Finanzdienstleiter führen

FinTechs erachten das Vertrauen der Kunden (71%) als wichtigsten Faktor für den Erfolg in der Finanzbranche. Und genau in diesem Punkt sehen sie eine Stärke der etablierten Dienstleister. „Die krisenbehafteten Jahre haben ihre Spuren hinterlassen, dennoch bleiben die klassischen Anbieter nach wie vor erste Anlaufstelle für viele Firmen und Privatkunden“, kommentiert Martin Krause-Ablass, Principal von Roland Berger. Bei anderen wichtigen Kriterien wie der Transparenz von Angeboten und dem Komfort von Services wähnen sich FinTechs im Vorteil.

Darüber hinaus gehen 91 Prozent der jungen Unternehmen davon aus, die Bedürfnisse ihrer Kundschaft sehr gut bedienen zu können. Bereiche, in denen Banken und Versicherungen stark aufgestellt sind, wie finanzielle Ressourcen oder die Bekanntheit ihrer Marken, spielen für FinTechs hingegen eine untergeordnete Rolle. Fast drei Viertel meinen, dass umfassende Kenntnisse über regulatorische Rahmenbedingungen keine grosse Bedeutung für den Firmenerfolg haben, positionieren sie sich doch überwiegend in bisher weniger regulierten Bereichen.

Weiterhin sind FinTechs skeptisch, dass die etablierten Wettbewerber für einen digitalen Wandel tatsächlich bereit sind. Nur 15 Prozent erkennen hier gute Voraussetzungen bei Banken – bei Versicherungen sind es 14 Prozent. 95 Prozent sind überzeugt, über umfangreichere digitale Kompetenzen zu verfügen, als klassische Dienstleister.

Die grössten Potenziale für FinTechs

Für die Studienteilnehmer versprechen die Segmente Investitionen und Asset Management (55%), Zahlungsverkehr (54%) und Crowdfunding (52%) das grösste Wachstumspotenzial. Zwei Drittel der Unternehmen rechnen mit einem starken Marktwachstum in ihrem jeweiligen Bereich, wobei Anbieter von Crowdfunding- und Crypto/Blockchain-Lösungen am optimistischsten sind.

Dabei konzentrieren sich Jungunternehmer vor allem auf B2B-Angebote. Vermehrt sind die Startups aber interessiert, ihre Services neben Geschäfts- auch Privatkunden zur Verfügung zu stellen. „Europäische FinTechs fokussieren sich überwiegend auf neue Lösungen an einem Punkt der Wertschöpfungskette. Mehrheitlich operieren sie nur in einem Markt, planen aber in den kommenden Jahren in neue Länder zu expandieren“, erklärt Martin Krause-Ablass.

 

Artikel von: Roland Berger AG
Artikelbild: © Rawpixel.com – shutterstock.com

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