Bankenkrisen verhindern mit Frühwarnsystem?

Eine neue Roland Berger-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Banken ihre Kreditportfolios besser analysieren müssen. Es gäbe ein enormes Potenzial, entsprechende Ausfallrisiken mittels Frühwarnsystem zu erkennen.

In der Regel laufen Bankenkrisen nach dem gleichen Schema ab: In Zeiten guter Konjunktur vergeben die Banken grosszügig Kredite. Folgt dann aber der wirtschaftliche Abschwung und Kredite geraten unter Druck, sind sie in Bezug auf Zahlungsausfälle meist nicht ausreichend abgesichert. Das passierte 2008 bei der Subprime-Krise (USA) und während der europäischen Bankenkrise 2010. In entwickelten Volkswirtschaften treibt zudem die Niedrigzinspolitik das Kreditwachstum weiter voran.

Die Entwicklung in den Emerging Markets fällt wesentlich dramatischer aus: Dort wuchs der Anteil ausgegebener Kredite am BIP von 77 % im Jahr 2007 auf 128 % im Jahr 2015. Entsprechend nahmen auch die Risiken zu, die in einigen Märkten bereits zu dramatischen Kreditausfällen führten.

Eine umfassende Analyse dieser Entwicklungen zeichnen die Roland Berger-Experten in ihrer neuen Studie „Better safe than sorry – Mastering hidden risk in the loan portfolio“ nach. „Die Muster der wirtschaftlichen Entwicklungen, der Kreditzyklen und deren Auswirkungen auf Banken sind offensichtlich“, erklärt Adrian Weber, Partner und Bankenexperte von Roland Berger in Zürich. „Ist die Rezession erst einmal in vollem Gange, sind Banken doppelt betroffen. Die rückläufige Kreditnachfrage führt zu sinkenden Zinseinnahmen, und die Kreditausfälle verlangen wiederum mehr Risikovorsorge und höhere Rückstellungen.“

Einzelfall Schweiz

Trotz eines rekordnahen, durch das Hypothekargeschäft getriebenen Kreditvolumens von knapp 170 % des BIP gibt es bisher keine nennenswerten Ausfälle. Die Schweizer Kreditvolumina wachsen seit Jahren stärker als das Bruttoinlandprodukt (BIP). „Es gibt aber auch bei uns Handlungsbedarf. Die Überprüfung von Kreditportfolien und der Aufbau von effektiven Frühwarnsystemen sind vor allem in Zeiten einer wirtschaftlichen Abkühlung bedeutsam.

Gerade die Zweitrunden-Effekte des Frankenschocks, die auf die Schweizer Wirtschaft durchschlagen, sollten Banken in der Schweiz dazu bewegen, bestehende Kundendaten bestmöglich zu nutzen. So können potenzielle Ausfallrisiken frühzeitig erkannt und gesteuert werden“, führt Philipp Angehrn, Managing Partner von Roland Berger Schweiz, aus.

Kreditportfolio umfassend prüfen

Kreditinstitute weltweit sollten sich frühzeitig auf diese Szenarien vorbereiten und eine umfassende Analyse ihrer gesamten Kreditengagements vornehmen. Denn ein tiefgreifendes Verständnis jedes einzelnen Kredits bietet grosse Vorteile: Neben der höheren Transparenz in Bezug auf bestehende Risiken können auch potenzielle Ausfallkandidaten früher identifiziert werden. Zudem helfen diese Informationen, Prozesse und Richtlinien weiterzuentwickeln und so mögliche Marktveränderungen besser zu antizipieren.

„Banken verfügen über wesentlich mehr Informationen, als derzeit bei der Analyse des Kreditbestandes eingesetzt werden“, erläutert Weber. Allerdings wurden Kreditrisiken bisher nur anhand einiger meist vergangenheitsbezogener Finanzindikatoren analysiert, anstatt alle verfügbaren Informationen einfliessen zu lassen.

„Neben finanziellen Indikatoren können Transaktionsdaten, verhaltensbasierte Indikatoren und externe Datenquellen zu aussagefähigen Risikosignalen verdichtet werden“, sagt Weber. In Verbindung mit adäquat ausgestalteten Watchlist-Prozessen führt dies zu effektiven Frühwarnsystemen sowohl für Privat- als auch für Unternehmenskunden.

In sechs Schritten zum effektiven Frühwarnsystem

Für eine umfassende Bewertung von Kreditportfolien sind nach Ansicht der Experten von Roland Berger sechs Schritte erforderlich:

  1. Erstellung einer Liste von Risikoindikatoren: Kreditinstitute sollten zukunftsbezogene finanzielle und nicht-finanzielle Indikatoren sowie individuelle Verhaltensmuster und Transaktionsdaten von Kunden berücksichtigen.
  2. Anreicherung um externe Daten: Die internen Daten werden mit weiteren externen Informationen, etwa aus Unternehmensregistern oder Bonitätsdatenbanken, abgeglichen und um fehlende Informationen ergänzt. Hierbei sind effiziente Schnittstellen entscheidend für eine vollständige Automatisierung.
  3. Bewertung jedes einzelnen Risikoindikators unter Berücksichtigung von bank- und länderspezifischen Regularien, wie etwa unterschiedlichen Steuer- oder Insolvenzgesetzen.
  4. Quantitative Validierung: Die ausgewählten Risikoindikatoren müssen auf Basis historischer Daten validiert werden. Das Ergebnis ist ein spezifisches Set an Risikoindikatoren mit der höchsten Prognosefähigkeit.
  5. Automatisierung und laufende Weiterentwicklung: Die Ergänzung um weitere Indikatoren, das „Backtesting“ und im Feinschliff eine passgenaue Gewichtung der Einzelindikatoren verbessern das Frühwarnsystem fortlaufend.
  6. Überprüfung von Prozessen und Systemen: Die generierten Risikosignale sollten den Kundenberatern und der Marktfolge zur Verfügung gestellt werden; standardisierte Prozesse helfen, Risiken frühzeitig – d.h. vor den Wettbewerbern – zu adressieren und Kreditausfälle zu reduzieren.

 

Artikel von: Roland Berger AG
Artikelbild: © isak55 – shutterstock.com

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