Die drei ärgsten Feinde der Projektabwicklung

Klassisches Projektmanagement führt oft zu Verspätungen, Budgetüberschreitungen und Abstrichen am Inhalt. Doch wie genau kommt es dazu? Der Schlüssel liegt in der soliden Projektplanung.

Wenn man sich nicht bereits im Planungsstadium mit Unsicherheiten befasst, kann das erhebliche Auswirkungen auf die Projektleistung haben.

Wobei eine solide Projektplanung nicht heisst, dass man noch genauer plant. Doch was, wenn das Projekt bereits läuft? Welche Faktoren können uns daran hindern, unsere Projekte termingerecht fertigzustellen? Critical Chain Projektmanagement (CCPM) lehrt uns, dass während der Projektumsetzung vor allem drei Effekte die Projektleistung negativ beeinflussen:

1. Feind: Das Studentensyndrom

Das Studentensyndrom bezeichnet die Tendenz, Aufgaben erst auf den letzten Drücker zu erledigen – im Volksmund auch „Aufschieberitis“ genannt. Dies kann zu einem echten Problem werden, wenn ein Projekt aus zahlreichen Vorgängen besteht und jeder Vorgang eine eigene Sicherheit hat.

Wenn ein Projektmitarbeiter die Arbeit an seiner Aufgabe erst im allerletzten Moment beginnt, wird der Zeitpuffer des Vorgangs schon vollständig aufgebraucht sein, bevor die Bearbeitung überhaupt begonnen hat. Kommt es dann zu unerwarteten Verzögerungen, werden diese den Liefertermin des Projektes direkt beeinträchtigen.

Das Studentensyndrom ist einer der Hauptgründe, weswegen CCPM uns lehrt, nicht in jeden einzelnen Projektschritt eine Sicherheit zu gestatten. Stattdessen sollen die Zeitschätzungen für die einzelnen Vorgänge gekürzt werden. Wenn Projektmitarbeiter sich nicht sicher sind, ob sie eine Aufgabe rechtzeitig erledigen können, trauen sie sich nicht, Zeit zu verschwenden. Trotzdem sollen die Kürzungen natürlich im Rahmen des Machbaren bleiben.

Zum einen sind die Angaben nur „Schätzungen“, denn man weiss nie, wie lange eine Aufgabe wirklich dauert. Und: Kürzt man die Zeitschätzungen so sehr, dass eine termingerechte Erledigung vollkommen unmöglich erscheint, hat das schnell den entgegengesetzten Effekt und wirkt demotivierend. Indem die einzelnen Vorgänge angemessen gekürzt werden und die so gewonnene Zeit gebündelt wird, schafft CCPM einen einzelnen, grossen Zeitpuffer am Ende des Projektes, der nun jeder Aufgabe zur Verfügung steht. Dadurch wird der Einfluss des Studentensyndroms bedeutend verringert; zudem wird es viel einfacher, die wahren Auswirkungen von Verspätungen auf die kritische Kette und auf die Fertigstellung des Projektes insgesamt zu erkennen.

2. Feind: Das Multitasking

Multitasking ist ohne Zweifel die grösste Bedrohung in der Projektumgebung. Der Begriff Multitasking hat einen positiven Klang: Ein multitaskingfähiger Prozessor ist toll. Ein Manager, der viele Baustellen gleichzeitig im Blick hat und betreut, ist ein guter Manager.

Auch in der scherzhaften Aussage, dass nur Frauen multitaskingfähig sind, ist Multitasking positiv besetzt. Wer Multitasking als Belastung erlebt, an dieser Belastung leidet, durch sie seine Leistungsfähigkeit verliert, durch sie ausbrennt und erkrankt, war eben nicht stark genug für die Welt und für diese Aufgabe nicht geeignet. Ein neuer Mitarbeiter mit frischer Energie nimmt die Stelle ein … bis ihn ein ähnliches Schicksal ereilt. Im Arbeits- und Projektalltag ist Multitasking nämlich nicht so toll. Meistens kommt es in der schädlichen Variante vor: eine Aufgabe A wird zugunsten einer Aufgabe B unterbrochen, weil B gerade wichtiger / dringender ist.


Multitasking ist ohne Zweifel die grösste Bedrohung in der Projektumgebung. (Bild: © Eugenio Marongiu – shutterstock.com)

Bevor B jedoch fertiggestellt ist, wird auch B unterbrochen – zugunsten von C oder A … Multitasking entfaltet seine negativen Wirkungen nicht nur auf die Menschen, sondern auch auf die Arbeit selbst: Wer zwischen mehreren Aufgaben hin- und herwechselt, macht mehr Fehler (die später korrigiert werden müssen) und verbraucht mehr Arbeitszeit für jede davon betroffene Aufgabe (durch Setup-Zeiten sowie für Fehlerkorrektur).

Wo Multitasking also gängige Praxis ist, sind die Projekte teurer als sie müssten und dauern viel länger als sie müssten. Für die Effizienz des Ressourceneinsatzes und für die Geschwindigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ist Multitasking tödliches Gift. Um Multitasking zu verringern, reduziert  man die Anzahl aktiver Projekte (in der Regel um ca. 25%). Zu diesem Zweck werden einige Projekte vorerst eingefroren, bis andere abgeschlossen sind. Mit anderen Worten: An den eingefrorenen Projekten darf so lange nicht mehr gearbeitet werden, bis ein aktives Projekt abgeschlossen ist. Das Unternehmen kann – ohne Multitasking – viel mehr mit den gleichen Ressourcen leisten und sehr viel schneller sein.

3. Feind: Die Verkettungen von Vorgängen

Dass einzelne Vorgänge in Projekten voneinander abhängig sind, ist unvermeidlich. Im traditionellen Projektmanagement führen diese Abhängigkeiten allerdings dazu, dass  Verspätungen weitergegeben werden und Verfrühungen verloren gehen.

Es gibt zahlreiche Gründe, weswegen Verfrühungen verloren gehen. Das Studentensyndrom ist einer davon, ‚Parkinson’s Law‘ ein anderer. Dieses besagt, dass ‚sich Arbeit genau in dem Mass ausdehnt, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht‘. Ob diese Zeit darauf verwendet wird, noch einen Kaffee zu trinken oder dem Produkt ein paar unnötige Funktionen hinzuzufügen – in der Regel bleibt am Ende von der eingeplanten Zeit nichts mehr übrig.



CCPM ist darauf bedacht, diese Abhängigkeiten besser zu verwalten. Dies geschieht vor allem durch bessere Zuteilung und Verwaltung von Sicherheiten (Zeitpuffern). First list item Sicherheiten in den einzelnen Vorgängen werden mit gebündelten, expliziten Sicherheiten am Projektende ersetzt und Zwischenpuffer jeweils dort eingefügt, wo parallele, nicht-kritische Ketten in die kritische Kette einlaufen. Auf diese Weise gehen Verfrühungen nicht mehr unweigerlich beim nächsten Vorgang verloren, sondern sind im Projektpuffer (oder Zwischenpuffer) sichtbar. Zwar kann es natürlich immer noch zu Verspätungen kommen, doch etwaige Verfrühungen fallen nun ebenfalls ins Gewicht.

 

Artikelbild: © Ditty_about_summer – shutterstock.com

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Mehr zu Uwe Techt

Uwe Techt ist Geschäftsführer der VISTEM GmbH & Co. KG und gilt als Vorreiter im deutschsprachigen Raum für die Nutzung der Theory of Constraints (TOC) und des Critical Chain Projektmanagements. Als strategischer Denker für grundlegende Verbesserungen und Durchbruchsinnovationen ist der Topmanagement Coach auch gefragt als Speaker und Autor. Zuletzt von ihm erschienen ist das Fachbuch „PROJECTS that FLOW“. Weitere Informationen unter www.uwetecht.de sowie www.vistem.eu (Profilbild: everything possible - shutterstock.com)

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