Heute bin ich einmal jemand anderer

Gerne möchte ich Ihnen einen weiteren wirksamen Trick für bessere Ideen näher bringen.

Dazu schlüpfe ich heute in eine andere Gestalt.

Mein Name sei …

… Henriette von Rautenstrauch. Ich bin ein Alter-Ego von Petra Hennrich. Geboren wurde ich 1957 in – ach, das tut hier nichts zur Sache. Jedenfalls bin ich Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin und befinde mich als AutorInnen-Pseudonym in guter Gesellschaft.

Künstlerinnen und Künstler haben ja schon immer gerne Decknamen oder Pseudonyme verwendet. Einer, der das Spiel mit den erfundenen Namen besonders erfolgreich beherrschte, war der portugiesische Dichter Fernando Pessoa. Seine über 70 alternativen Namen waren nicht nur Pseudonyme, es waren regelrechte Alternativ-Ichs mit eigener Biographie, eigenen Vorlieben, Abneigungen, Macken und einem ganz individuellen Schreibstil. Heteronyme sagt die Literaturwissenschaftlerin in mir dazu.

Diese erfundenen Persönlichkeiten Pessoas – Ricardo Reis, Álvaro de Campos oder Caeiro, um nur die drei bekanntesten zu nennen – standen in engem Kontakt zueinander. Sie schrieben über die Werke der anderen Charaktere und äusserten sich zuweilen auch kritisch über Pessoa selbst. Seine Heteronyme schufen einige der grössten Meisterwerke des bedeutendsten Vertreters der portugiesischen Moderne.

Was in der Literatur funktioniert, kann auch in anderen kreativen Wirkbereichen nicht schaden. Freilich muss man dabei nicht ganz so weit gehen wie Pessoa, von dem man heute nicht mehr genau sagen kann, wo das Spiel aufhörte und der Wahn begann. Aber um die Welt mit anderen Augen zu betrachten, ist es durchaus nützlich, die Perspektive dieser „anderen Augen“ durch eine erfundene Persönlichkeit einzunehmen. Denn es fällt uns leichter, für andere zu denken und Ideen zu entwickeln, als für uns selbst. Dies wurde mittlerweile auch wissenschaftlich untersucht und nachgewiesen.


Künstlerinnen und Künstler haben ja schon immer gerne Decknamen oder Pseudonyme verwendet. (Bild: © Vasileios Karafillidis – shutterstock.com)

Die Probleme der anderen

In einer Studie von Evan Polman und Kyle Emich wurden die Teilnehmenden gebeten, folgende Denkaufgabe zu lösen: Ein Mann wird gefangen genommen und in einem hohen Turm festgehalten. Dort findet der Gefangene ein Seil, das genau halb so lang ist wie der Abstand seiner Zelle zum Boden. Er teilt das Seil in zwei Hälften und kann unverletzt entkommen. Wie stellt er das an?

Einer Hälfte der Teilnehmenden wurde zu Beginn gesagt, sie selbst seien die Gefangenen. Die andere Hälfte sollte sich vorstellen, jemand anderer sei in der misslichen Lage. Zwei Drittel der zweiten Gruppe (66%) konnte das Problem korrekt lösen. Aus der ersten Gruppe schaffte es nicht einmal die Hälfte (48%).

Wie würden Sie sich in der Situation befreien? Und was denken Sie, wie der Gefangene das Problem bewältigt hat? Schreiben Sie mir ein E-Mail, um die Lösung zu erfahren!

Es fiel den Teilnehmenden also leichter, eine kreative Lösung für eine andere Person zu finden, als für sich selbst. Der Abstand zum Problem schafft offenbar ein weiteres Blickfeld und ermöglicht Ideen jenseits des Tellerrandes eigener Erfahrungen und eigenen Wissens. Ob viele sich deshalb so gerne in anderer Leute Angelegenheiten einmischen?

Ausserirdische Ideen

In einer weiteren Studie der Wissenschaftler ging es um die künstlerische Kreativität – und um Aliens. Polman und Emich baten ihre Probandinnen, Ausserirdische zu zeichnen. Eine Gruppe bekam die Information, dass sie danach selbst eine Geschichte über diese fremden Wesen schreiben sollten. Die anderen wurden informiert, dass jemand anderer im Anschluss die Geschichte ihrer Aliens verfassen würde.

Sie können sicher schon erraten, was dann geschah. Die erste Gruppe, die Aliens für die eigene Geschichte entworfen hatte, zeichnete die Ausserirdischen eher konservativ. Sie gab ihren Kreationen häufig Eigenschaften, wie sie auch bei Lebewesen auf der Erde zu finden sind: symmetrisch angeordnete Gliedmassen, zwei Augen, ein Mund etc. Nicht besonders originell.

Die zweite Gruppe, die sich die Figuren für jemanden anderen einfallen liessen, gingen viel phantasievoller an die Aufgabe heran. Wieder zeigte sich, dass psychologische Distanz die Kreativität beflügelt.


Polman und Emich baten ihre Probandinnen, Ausserirdische zu zeichnen. (Bild: totallyjamie – shutterstock.com)

Ideenfindungstool: Die Marsmenschen sind gelandet

Um ausserirdische Ideen und Inspirationen geht es auch in dem Ideenfindungstool, das ich Ihnen heute vorstellen möchte. Wie alle Werkzeuge aus meinem Buch „Brainstorming for One“ können Sie es bequem alleine am Schreibtisch, im Labor oder in der Werkstatt benützen. Unterhaltsamer wird es allerdings vermutlich, wenn Sie sich dafür einen Partner oder eine Partnerin suchen.

Einsatz: als Einstieg in ein Problem oder zur konkreten Ideenfindung
Benötigt: Papier und Stifte
Dauer: 15 bis 30 Minuten
Ablauf:

  1. Stellen Sie sich vor, eine Delegation von Marsmenschen ist soeben vor Ihrer Haustür oder auf dem Parkplatz Ihres Unternehmens gelandet. Sie begrüssen die BesucherInnen und bitten sie herein. Die Ausserirdischen verstehen keinerlei irdische Sprachen. Nur mittels einfacher grafischer Symbole können Sie mit ihnen kommunizieren. Die Marsmenschen sind neugierig und wollen wissen, was Sie gerade beschäftigt.
  2. Entwickeln Sie eine kurze Rede aus grafischen Symbolen, um die Marsianer willkommen zu heissen und Ihr Unternehmen oder Ihre Familie vorzustellen. Stellen Sie dabei ein konkretes Problem dar, auf das Sie gerade Antworten suchen.
  3. Die Aliens wollen darüber nachdenken und nehmen Ihr Problem in ihr Raumschiff mit. Wenn Sie zu zweit sind, tauschen Sie nun Ihre Blätter. Versetzen Sie sich in die Rolle der Besucher und überlegen Sie, welche Ideen Sie als Marsmensch auf die gezeichnete Botschaft finden. Skizzieren Sie die Lösung unter der Problembeschreibung in Marsmenschen-Symbolik.
  4. Kehren Sie in Ihre menschliche Form zurück, tauschen Sie – wenn Sie mit einem Partner arbeiten – die Blätter, und analysieren Sie die Antwort. Was könnten die Ausserirdischen damit meinen? Welche Ratschläge wollen sie Ihnen geben? Überlegen Sie, was Sie von Ihren Gästen lernen könnten.

Oft hilf es uns, die Perspektive eines Fremden einzunehmen, um Lösungen für unsere Aufgaben zu finden. Ein anderer Blickwinkel – manchmal auch direkt geographisch – verschafft uns die nötige (psychologische oder auch physische) Distanz zu Problemen, die aus der Nähe zu verworren und kompliziert erscheinen.

Viel Spass beim Ausprobieren und ausserirdische Ideen wünscht Ihnen

Ihre Henriette von Rautenstrauch,
ein Alter-Ego von Petra Hennrich

Kontakt:

Petra Hennrich Creative Coaching

Lindengasse 14/3/5, 1070 Wien

E-Mail: ph@petrahennrich.at

Web: petrahennrich.at

Tel.: +43 660 34 09 471

 

Artikelbild: © Africa Studio – shutterstock.com

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Mehr zu Petra Hennrich

Petra Hennrich ist systemische Coachin, Trainerin und Autorin. Als „alter Hase“ in der Werbebranche mit über zwanzig Jahren Agenturerfahrung beschäftigt Sie sich seit vielen Jahren mit dem Thema Kreativität. Heute vermittelt sie das so gesammelte Wissen in Einzelcoachings und Seminaren. 2013 erschien Ihr Buch „Brainstorming for One. 50 Werkzeuge und Übungen für Ihre Kreativität“ (Junfermann Verlag, Paderborn). Porträtfoto: © Peter Rauchecker

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