Warum Menschen lesen

Am Anfang war das Wort. Aber was ist schon ein Wort, das nicht gelesen wird? Die Welt, in der wir werben, ist schnell und voller Information. Ihr Text kann da schon leicht einmal untergehen. Um ihn davor zu bewahren, brauchen Sie Ihre Leser nur zu locken … Und das geht mit fünf klaren Regeln!

Text ist immer noch der am meisten unterschätzte Wettbewerbsfaktor. Verwunderlich eigentlich. Leben wir doch in einer Zeit, in der ein fein gesponnenes Netz aus Botschaften und Inhalten den Wunschkunden umgarnen soll. Und alle anderen Marktteilnehmer gleich dazu.

Die Konkurrenz ist gross. Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Wunschkunden wird immer grösser. Trotzdem holpert der Leser über Inhalte von Newslettern hinweg und Kunden-Kommunikation verkommt zur Selbstspiegelung.

Und dann gibt es da noch das genaue Gegenteil, den Harry Potter der Werbemaschinerie: Gern gelesen, ungeduldig erwartet. Was unterscheidet diese Texte von einander? Warum lesen Menschen? Aber lesen Sie selbst. 

Was beim Lesen geschieht …

Lesen ist ein komplexer Vorgang, der sich in drei Stufen gliedert. Auf jeder Stufe des Lesens laufen Prozesse im Gehirn des Lesers ab. Kennt man diese, kann man sie als Texter bewusst mit „gestalten“.

Stufe 1: Wir erkennen Wörter.

Zunächst einmal lesen wir anders, als man denkt. Denn ein geübter Leser entziffert selten Buchstabe für Buchstabe. Vielmehr springt das Auge von Haltepunkt zu Haltepunkt. Und das in 200 bis 500 Millisekunden. Um dem Auge dabei nicht in die Quere zu kommen: Meiden Sie Fachbegriffe, komplizierte Wörter und unlesbare Schriften.

Stufe 2: Wir erkennen Sätze und Satzfolgen.

Der Leser muss auch verstehen, was er da liest. Je länger und komplizierter ein Satz ist, desto schwieriger wird das. Und dann steigt das Risiko, dass er den roten Faden verliert. Schachtelsätze und komplizierte Satzstrukturen sind also ein Hindernis dabei, den Inhalt des Gelesenen zu erkennen. Und auch zu behalten.

Stufe 3: Wir aktivieren das Gelesene.

Schliesslich – und als letzter Schritt – sollte sich ein Wort mit dem vorhandenen Wissen des Lesers verbinden. Das geschieht nur, wenn wir es kennen. Lesen Sie „Rasenmäher“, wird das Bild eines Rasenmähers aus Ihrem Gehirn abgerufen. Lesen Sie „Hrrdlbrmpft“, sehen Sie nichts. Weiss ich also, wie und wo Wörter im Gehirn wirken, kann ich meinen Text auch lesefreundlicher gestalten. 


Warum lesen Menschen? (Bild: © Andreas G. Karelias – shutterstock.com)

Warum wir überhaupt Informationen aufnehmen

Es gibt Gründe, warum sich Menschen mit Informationen beschäftigen. Immer. In allen Medien. Denn Interesse ist wahrnehmungspsychologisch definiert. Finden Sie hier heraus, warum Menschen lesen und Ihr Text wird nicht mehr weggelegt werden. 

1. Schnelle Auswertbarkeit

Tatsache ist: Wir beschäftigen uns lieber mit Informationen, die wir schnell auswerten können. Und das Auge erfasst Bilder vor dem Text. Formulieren Sie Ihre Sätze also kurz, einfach und klar. Gestalten Sie Ihren Text mit gut erfassbarer Struktur. Gerne können Sie Bilder und Hervorhebungen durch Fettung nutzen! Das sticht ins Auge und kommt sofort beim Leser an!

2. Was der Bauer nicht kennt…

Sie kennen das bestimmt … Da hat man sich endlich für ein bestimmtes Automodell entschieden. Und auf einmal fallen Ihnen dazu positive Anzeigen und Testberichte in allen Zeitschriften auf! Dieses Phänomen nennt sich selektive Wahrnehmung. Das Gehirn sortiert Informationen. Und es sortiert Unbekanntes oder unserer Wahrnehmung nicht Entsprechendes oft gleich mit aus. Was uns bekannt vorkommt, kommt also besser an. Wir müssen uns nicht erst in ein neues Themengebiet einlesen und einfinden. Das bedeutet Zeitersparnis und weniger Mühe für den Leser.

Sorgen Sie in Ihrem Text also dafür, dass Sie nicht aussortiert werden! Schaffen Sie Bezüge zu Ihrer Zielgruppe. Dies geschieht durch Sprachstil, Sprachbilder und Wortwahl geschaffene Assoziationen im Gehirn. Fühlen Sie sich also in den Leser ein. Auch bekannte Klänge, die an Sprichwörter oder Songtitel erinnern, erhalten hohe Aufmerksamkeit.


Sorgen Sie in Ihrem Text also dafür, dass Sie nicht aussortiert werden! (Bild: © GWImages – shutterstock.com)

3. Machen Sie dem Leser Druck!

Angst und Druck sind starke Motive, sich mit Informationen zu beschäftigen. Sie wirken, wenn das Finanzamt schreibt, Gerichtspost ins Haus flattert oder eine betriebliche Mitteilung die eigene Karriere betrifft. Denn Druck ist ein starker Motivator für Werbeleser. Aber Vorsicht: Leser reagieren auf allzu durchsichtige Angstmache schnell verärgert! Wer in seinem Text jedoch „gesetzten“ Druck abbaut, gewinnt wiederum Aufmerksamkeit.

Erzeugen Sie positiven Druck! Spielen Sie mit der Angst beim Leser, etwas zu versäumen oder nicht ganz „up-to-date“ zu sein. Nur noch diese Woche, limitierte Auflage oder Wussten Sie schon … das sind kleine Tricks mit grosser Wirkung. Denn sie gestalten Ihren Text noch spannender. Und – Hand aufs Herz – ein bisschen Druck ist nie verkehrt!

4. Wir suchen nach Vorteilen. 

Warum kaufen Menschen Blumenzwiebeln? Bestimmt nicht aufgrund der „rauen Schale“. Sie wünschen sich einen bunten, blühenden Garten und wollen sich jeden Tag daran erfreuen! Sie Merken schon: Produktmerkmale sind nicht gleich Vorteile für den Leser. Möchten Sie etwa, dass Ihr Verkaufstext gelesen wird: Dann verkaufen Sie keine Merkmale, verkaufen Sie Vorteile. Denn erkennt ein Leser Vorteile für sich, steigt sein Interesse.

Übrigens ist ein auf den Leser bezogener Vorteil ein Nutzen. Bei einem Produkt achten Sie also darauf: Verwandeln sie dessen Merkmale in einen Nutzen für den Leser.  Der „superleichte“ Sportschuh fühlt sich somit an, als würde man barfuss laufen.

5. Lust auf mehr … Neugierde wecken

Wer Neugier erzeugt, erhält Aufmerksamkeit. In der Werbung nutzt man sie durch Rubbelbilder oder Stanzungen, die eine Botschaft in Teilen vermittelt. Im Text geht’s darum, nur die halbe Wahrheit zu verraten. Denn das erzeugt Spannung! Und der Leser fragt sich: „Wie geht es denn nun weiter?“


Wer Neugier erzeugt, erhält Aufmerksamkeit. (Bild: © Anelina – shutterstock.com)

Entdecken Sie, testen Sie, Probieren Sie … Das hat in uns allen schon die Neugierde geweckt! Auch starke Teaser und aktivierende Anschreiber wecken Laune weiter zu lesen. So sind der nächste Klick oder ein rasches Umblättern garantiert! Aber nicht übertreiben: Ist die Spannung zu gross und wird nicht gelöst, wird aus Lust schnell Frust. Und das bedeutet dann: wegwerfen beziehungsweise wegklicken. Die Lösung von Rätseln sollte also immer naheliegend sein und nicht zu viel Zeit beanspruchen.

Was heisst das jetzt für Ihren Text? Modern bleiben!

Klar, wahr, fair und schnell. Das müssen Ihre Texte heute sein. Klartext ist zu allererst gefordert. Vergessen Sie Floskelei wie „gerne“, „unverbindlich“, „einfach einmal“. Und nutzen Sie präzise, bildhafte Begriffe. Viele Unternehmen haben ein Problem mit der Klarheit. Etliche haben auch eines mit der Wahrheit. In Zeiten des Social Web und der Bewertungsportale kommt alles, was nicht wahr ist, ans Licht. Also bleiben Sie fair: Bleiben Sie bei der Wahrheit.



Denn mit Fairness begegnen Sie dem Leser auf Augenhöhe. Und das ist wichtig bei einer Kommunikation, die stets an Geschwindigkeit zulegt. Klauen Sie dem Leser keine unnötige Zeit. Dann Menschen wollen schnell verstehen, worum es geht. Und dann lesen Sie auch gerne.

Kurz gesagt …

Ob in den alten oder in den neuen Medien der Kundenkommunikation: Sprache bleibt ein häufig unterschätzter Wettbewerbsfaktor, ein wunderbares Werkzeug oder aber eine Riesenchance, sich alles zu „versauen“. Sie haben es mit Ihrem Stift in der Hand. Bringen Sie die Leute zum Lesen!

 

Artikelbild: © Stokkete – shutterstock.com

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Mehr zu Stefan Gottschling

Stefan Gottschling ist leidenschaftlicher Autor, Texter, Berater und Trainer. Er ist seit über 20 Jahren im Marketing tätig und schreibt Bücher über das Texten („Stark texten, mehr verkaufen“, „Texten!“, „Lexikon der Wortwelten“). Er hat als Trainer bis heute viele Tausend Zuhörer begeistert, ist Geschäftsführer des SGV Verlags und des Texterclubs. Der Club ist Akademie und gleichzeitig eine der grossen deutschsprachigen Communitys für erfolgreiche Texte. Gottschlings Seminare, Bücher und Medien über das Schreiben gehören zu den Standardwerken der Texterausbildung.

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