Droht ein neuer Finanz-Crash durch Investmentfonds?

Die Finanzkrise der Jahre 2007/2008 ist noch längst nicht vergessen. Seit dem globalen Börsenbeben nach dem Kollaps von Lehman Brothers & Co. beobachten die internationalen Finanzinstitutionen intensiv das Geschehen auf den Finanzmärkten und versuchen, drohende Gefahren frühzeitig zu erkennen.

Jüngst erregte der Internationale Währungsfonds (IWF) Aufsehen mit dem Hinweis auf mögliche Risiken durch Investmentfonds.

Die Warnung findet sich in dem Anfang April veröffentlichten „Global Financial Stability Report“. In dem halbjährlich erscheinenden Bericht wird das globale Finanzsystem regelmässig einer Risikobewertung unterzogen.

Ein scheinbarer Widerspruch

Dass Investmentfonds zu besonderen Risiken auf den Finanzmärkten führen sollen, erscheint zunächst kaum nachvollziehbar. Denn gerade Fonds zeichnen sich ja gegenüber anderen Wertpapieren, die an Finanzmärkten gehandelt werden, durch das Prinzip der Risikostreuung aus. Sie investieren nicht in einen einzelnen Titel, sondern in eine Vielzahl an Werten. Durch diese Risikomischung wird das Gesamtrisiko eines Fondsportfolios geringer als bei einem Einzelinvestment. Daher wird diese Anlageform immer wieder für Kleinanleger empfohlen, die bessere Renditechancen bei begrenztem Risiko nutzen wollen. Als Instrument zur Vermögensbildung und Altersvorsorge erfreuen sich Investmentfonds vor diesem Hintergrund grosser Beliebtheit.

Paradoxerweise sehen die IWF-Experten genau in diesem ungestümen Interesse eine Gefahr. Es ist die schiere Masse der Investmentfonds, die die Stabilität des weltweiten Finanzsystems gefährden könnte. Seit der Finanzkrise hat die Anlageform einen ungeahnten Boom erlebt. Nachdem der Ruf von Zertifikaten ruiniert war und die Zinsen für herkömmliche Bankeinlagen immer weiter sinken, sucht das Kapital privater und institutioneller Investoren nach Alternativen. Fonds boten und bieten eine gerne genutzte Möglichkeit. In den acht Jahren nach der Finanzkrise hat sich die in Investmentfonds investierte Geldsumme nahezu verdoppelt. Sie belief sich Ende vergangenen Jahres im globalen Massstab auf gigantische 30 Billionen US-Dollar. Fonds sind zu einem bedeutenden Faktor an den Finanzmärkten geworden.

Fondsmanager kleben am Index

Was den Autoren des IWF-Stabilitätsberichts dabei Sorgen macht, ist die Gleichförmigkeit des Investmentverhaltens. Zwar behaupten viele Fonds, dass sie eine aktive Investmentpolitik betrieben, die den Markt schlagen wolle. Doch die Realität sieht vielfach anders aus. Auch sehr viele aktiv gemanagte Fonds kleben am Index. Das heisst, ihre Anlagepolitik orientiert sich stark am jeweiligen Vergleichsindex und weicht kaum davon ab. Die Fondsmanager folgen in ihrem Handeln mehr oder weniger der Marktentwicklung. Dies führt unter anderem dazu, dass viele Fonds keine besseren Ergebnisse liefern als der Markt.


Die Fondsmanager folgen in ihrem Handeln mehr oder weniger der Marktentwicklung. (Bild: © Nonwarit – shutterstock.com)

Am ausgeprägtesten ist dies bei den sogenannten Exchange Traded Funds – kurz ETF – festzustellen. Bei ihnen gehört die Indexnachbildung quasi zum Konzept und Konstruktionsprinzip. Das Fondsmanagament agiert hier bewusst passiv – es beschränkt sich darauf, Papiere in exakt der Zusammensetzung und Gewichtung zu erwerben, in der sie auch im Vergleichsindex enthalten sind. ETF sind wegen ihrer niedrigen Kosten, ihres transparenten Aufbaus und ihrer guten Nachvollziehbarkeit besonders gefragt. Es handelt sich um das am stärksten wachsende Fondssegment. Stellten sie vor einigen Jahren noch eine Quantité négligeable an den Finanzmärkten dar, erreichen sie mittlerweile ein Volumen von mehr als drei Billionen US-Dollar. Die Potenziale sind dabei noch längst nicht ausgeschöpft.

Wenn die gute Stimmung umschlägt 

Solange die Zeichen an den Börsen weiter auf steigende Kurse stehen, ist die Welt der Fondsmanager und Investoren in Ordnung. Dann erhöht sich auch der Wert der Fondsanteile, das Fondsinvestment bleibt attraktiv, es fliesst viel neue Liquidität von Anlegern in den Markt, was wieder zu steigenden Kursen führt usw. In einem solchen Umfeld können Fondsmanager nicht viel verkehrt machen. Sie müssen sich einfach nur an den Markt anhängen und tun, was alle tun.

Es ist diese Form der „Schwarmintelligenz“, die derzeit das Geschehen an den Börsen zu bestimmen scheint. In den letzten Wochen gab es an vielen Börsenplätzen neue Kursrekorde. Der Zustrom an Liquidität und die niedrigen Zinsen treiben dabei sowohl die Kurse von Aktien als auch die von Renten immer weiter nach oben.

Dies muss aber nicht so bleiben. Wenn sich die Entwicklung einmal umkehren sollte, dann könnte genau der gegenteilige Effekt eintreten. Sinkende Kurse würden dann zum Abzug von Liquidität aus den Märkten führen, was wieder einen Verkaufsdruck erzeugen könnte, der den Kursverfall beschleunigen würde, und so fort. Der Börsen-Crash wäre in einem solchen Szenario praktisch vorprogrammiert. Die Fonds mit ihren gigantischen Volumina und dem herdengleichen Investmentverhalten ihrer Manager würden dann praktisch als Katalysatoren und Verstärker dieser Entwicklung fungieren. Das ist die Befürchtung, die der Financial Stability Report zum Ausdruck bringt.

Strengere Regulierung verhindert Korrekturen 

Ein weiterer Faktor tritt nach Ansicht der IWF-Experten kritisch hinzu. In früheren Zeiten wirkten die Banken gleichsam als Korrektiv in Zeiten starker Kursausschläge. Sie nahmen zum Beispiel bei sinkenden Kursen viele Papiere in der Hoffnung auf spätere Kursgewinne in ihren Bestand. Dadurch wurde das Tempo des Kursverfalls oft deutlich abgebremst und die Märkte stabilisierten sich relativ schnell wieder. Doch heute fallen die Banken in dieser Funktion praktisch aus. Schuld daran – wiederum ein Paradoxon – ist die strengere Regulierung seit der Finanzkrise.

Nachdem das Bankensystem weltweit fast am Abgrund stand, wurden die Möglichkeiten der Institute beim Eigenhandel stark eingeschränkt. Bei spekulativen Geschäften gelten heute wesentlich strengere Regeln und höhere Eigenkapitalanforderungen. Die Institute sind entsprechend zurückhaltend. Die einzigen Marktakteure, die hier einspringen könnten, sind Hedgefonds. Sie besitzen aber nicht das Volumen und die Marktposition, um diese Aufgabe wirklich erfüllen zu können.



Paradox: Risikovermeidung erhöht das Risiko

Sicher wäre es voreilig, von einem bevorstehenden Crash zu sprechen, auch wenn manche „Börsenauguren“ gerne Horrorszenarien an die Wand malen. Tatsächlich gibt es derzeit keine Anzeichen für eine grundlegende Kurswende. Aber die Empfindlichkeit und Anfälligkeit der Märkte ist zweifelsohne grösser geworden. Heute genügt bereits ein beiläufiger Nebensatz eines Notenbank-Chefs oder ein unerwartetes politisches Ereignis, um für Unruhe zu sorgen. Sie kann sich im Extremfall in einem sich selbst verstärkenden Prozess zu einem regelrechten Crash auswachsen. Bei allen Kursrekorden – die Luft an den Finanzmärkten ist dünner geworden. Fazit: Wenn alle das Risiko meiden wollen und sich wie ein Schwarm verhalten, vergrössert sich das Risiko unter Umständen gerade dadurch.

 

Oberstes Bild: © hxdbzxy – shutterstock.com

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem großen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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