Ressourcenschonend nachhaltig wirtschaften: Repair Cafés

Die kalkulierte Alterung von mechanischen und elektronischen Produkten der Konsumgüterindustrie, fachsprachlich Obsoleszenz genannt, ist inzwischen vielen Verbrauchern bekannt.

Ob der Kühlschrank nun aus minderwertigen Materialien gebaut wird oder aber der Rasenmäher absichtlich Schwachstellen besitzt oder gar der elektronische Chip so programmiert ist, das sich die Betreibersoftware für einen Gegenstand nach einer bestimmten Zeit von selbst zerstört: Käufer ärgert dieses gezielt konsumentenfeindliche Verhalten massiv, denn die absichtlich herbeigeführte Verkürzung der Lebensdauer von Geräten kostet den Verbraucher nicht nur eine Menge Zeit und Nerven, sondern überdies auch Geld.

Schon allein aus Gründen der Nachhaltigkeit ist das mittlerweile Usus gewordene Prinzip, in kurzen Abständen künstlich einen neuen Bedarf zu erzeugen, vollkommen inakzeptabel. Hierdurch wird der natürliche Bestand an kostbaren und teilweise nur begrenzt zur Verfügung stehenden Materialien (z. B. Erdöl) unnötig aufs Spiel gesetzt – letztlich wird er verschleudert für Dinge, die niemand benötigt. Hinzu kommt, dass die unnötige Produktion zu allem Überfluss einen Haufen Müll versursacht, nicht selten handelt es sich dabei um schwer abbaubaren oder nur mit hohem Energieaufwand zu recycelnden Müll.

Nicht zu unterschätzen bei all diesen Dingen ist die Psychologie. Letztlich bedeutet die kalkulierte Obsoleszenz als Strategie zur Steigerung des Absatzes für den Verbraucher eine nicht hinnehmbare Einschränkung seiner Freiheit. Statt individuell darüber entscheiden zu können, wie lange er ein Gerät behalten und nutzen möchte, ernennen sich ungewollt andere zum Entscheider des Konsumenten. Besonders tragisch ist es da, wenn die Geräte nur einen kleinen Fehler haben, ansonsten aber voll funktionsfähig sind. Auch das Nichtwissen oder fehlende Erfahrung sind grosse Hemmschwellen. Dann nämlich kann es passieren, dass ein kleiner, ob nun rein zufällig oder als Resultat von Obsoleszenz auftretender, Fehler urplötzlich einen Gegenstand unbrauchbar macht.

Um diesem ärgerlichen Kreislauf von Kauf, Verschleiss und Erneuerung zu entkommen, haben sich vor einiger Zeit einige pfiffige Menschen zusammengeschlossen, um defekte Geräte und Produkte wieder instandzusetzen. Unter dem Oberbegriff Repair Café firmierend, sind in den letzten Jahren allein in der Schweiz in neun Städten solche Einrichtungen entstanden. In der Regel werden sie von Ehrenamtlichen betreut, die für die Lösung der oft hoch komplexen Aufgaben auf Experten zurückgreifen, die sich dieser Herausforderung stellen.

Die Fachkräfte – ob es sich nun dabei um Techniker, Elektriker oder IT-Fachkräfte handelt – arbeiten in der Regel ohne Entgelt. Statt ihre Aufgabe „nur“ als Dienstleistung zu begreifen, steht bei ihnen oft der Lerneffekt im Vordergrund. Sie leiten in den sogenannten Repair Cafés, die öffentlich zugänglich sind und zu denen praktisch jeder sein defektes Gerät bringen kann, die Nutzer zur Selbsthilfe an. Hier kann jeder die Erfahrung machen, wie aus Ahnungslosigkeit mit etwas Mühe und gutem Willen Kompetenz entsteht.


Schon allein aus Gründen der Nachhaltigkeit ist das Verhalten vollkommen inakzeptabel. (Bild: © Huguette Roe- shutterstock.com)

Die Mehrzahl der Repair Cafés verfügt über eine Grundausstattung an Werkzeugen, was die Praktikabilität enorm steigert, da man, bevor man aktiv wird, nicht erst teure Werkzeuge kaufen muss. Ergänzend hierzu steuern viele Helfer ihre eigenen Instrumente bei. Nicht selten ist es auch möglich, dass die Fachkräfte Ersatzteile mitbringen, die sie dann zu einem deutlich günstigeren Preis als im Laden abgeben. Es versteht sich von selbst, dass bei dieser Form der Hilfe zur Selbsthilfe niemand eine Garantie oder Haftung übernimmt. Andererseits: Was hat man zu verlieren? Mit etwas Glück kann ein tot geglaubter Gegenstand wieder zum Leben erweckt werden. Und wer über defekte Neuware verfügt, kann und sollte den Weg über die Nutzung des Garantieanspruchs beim Hersteller nutzen.

Sieht man einmal von dem vordergründigen positiven Effekt ab, mit vergleichsweise wenig Aufwand wieder ein funktionsfähiges Gerät zu erhalten, haben die Repair Cafés noch weitere positive Seiten. Sie brechen das vielfach anonyme Verhältnis der Nachbarn zueinander auf und sorgen dafür, dass man sich kennenlernt. Die regelmässigen Treffen fördern die Kommunikation zwischen allen Teilnehmern und stiften auf diese Weise Gemeinschaft. Dies spiegeln zum Beispiel die gemeinsamen Kaffe- und Kuchen- bzw. Grillrunden, die den vordergründigen Zweck der Zusammenkunft, Reparaturen durchzuführen, vielfach bereichern. Konsumkritische wache Geister treffen auf Gleichgesinnte zum gegenseitigen Austausch.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass mittlerweile auch viele Kinder und sogar ganze Schulklassen die Repair Cafés besuchen, um hier der Konsummentalität und Wegwerfgesellschaft bewusst den Rücken zu kehren. Neben den ganz praktischen Dingen, etwas der Funktionsweise bestimmter Geräte, ihren physikalischen Zusammenhängen und Anforderungen an die Gestaltung, stärkt das Gefühl, mit den eigenen Händen etwas reparieren und somit quasi neu erschaffen zu können, das Selbstwertgefühl.

Das Konzept der Repair Cafés basiert auf dem Gedanken des Austauschs von Fertig- und Fähigkeiten, weswegen jede Art des freiwilligen Engagements unbedingt begrüsst wird. Insbesondere für Senioren und Studenten stellen die Repair Cafés ein interessantes Betätigungsfeld dar. Sie bieten die einzigartige Gelegenheit, die eigenen Talente für andere einzusetzen, sie zu stärken und weiter zu entwickeln. Wer jeden jetzt denkt, Repair Cafés seinen lediglich der Ort, an dem „Überflieger“ gefragt sind, der irrt. Einfaches handwerkliches Grundwissen und ein gesunder Menschenverstand sind völlig ausreichend, um hier mitzuwirken.



Auf der Homepage der Verbraucherinitiative Konsumentenschutz findet man weitere Informationen zum Thema. Auch gibt es dort eine Adressliste mit Repair Cafés anderen Städten und einen Veranstaltungskalender, der regelmässig aktualisiert wird. In der Schweiz existieren Repair Cafés in Zürich, Genf, Basel, Bern, Brugg/Windisch, Brugg, Niedau/Biel, Sion, Solothurn und Thun. Weitere Informationen zum Konzept und den Zielen der Repair Cafés hält die Webseite repaircafe.org bereit, dort finden sich auch Kontaktadressen und die Bankdaten für all diejenigen, die das Projekt finanziell unterstützen möchten.

 

Oberstes Bild: © Jean-Philippe WALLET – shutterstock.com

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