Bedingungsloses Grundeinkommen oder negative Einkommensteuer – was ist der richtige Weg?

Die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen macht sich dafür stark, dass jeder Schweizer, auch ohne arbeiten zu müssen, immer genug Geld hat, um gut über die Runden zu kommen. Sie arbeitet darauf hin, dass dieser Plan bis zum Jahr 2050 umgesetzt wird.

Das hört sich erst einmal ziemlich verlockend an – Freizeit bis zum Abwinken, kein frühes Aufstehen, keine stressige Arbeit, tun und lassen, was einem Spass macht. Über die Folgen einer solchen Regelung sind sich die Experten aber nicht einig. Erste Tests, die in kleinen Siedlungen in Afrika und Südamerika durchgeführt wurden, zeigten Erstaunliches: Die Menschen wurden selbstbewusster und fingen an, das Geld auch in sinnvolle Projekte zu investieren, die ihnen ein Auskommen über das Grundeinkommen hinaus sicherten. Die meisten waren aber weiterhin von den Transferleistungen abhängig.

Die Einschätzungen, wie sich die Schweiz mit der Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens entwickeln würde, gehen weit auseinander. Die Spanne geht von einer blühenden Oase voller engagierter Bürger bis hin zu einem Land mit antriebslosen Menschen, das den Anschluss an die internationale Entwicklung verpasst.

Ende 2013 wurde die Forderung nach einem bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz in der Bundeskanzlei eingereicht. Sie sieht die monatliche Zahlung eines festen Betrags an alle Bürger vor, um ihnen die Basis für eine menschenwürdige Existenz mit Teilhabe am öffentlichen Leben zu schaffen. Die Zahlungen sollen pro Monat 2.500 CHF für jeden Erwachsenen und 625 CHF für jedes Kind betragen. Zuvor hatten mehr als 100.000 Bürger diesem Plan zugestimmt und die Petition unterschrieben. Jetzt muss das Parlament darüber beraten und eine Empfehlung abgeben und im Herbst 2016 wird es eine Volksabstimmung zu diesem Thema geben.


Kritiker der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen fürchten die Entwicklung einer antriebslosen Gesellschaft. (Bild: Edler von Rabenstein / Shutterstock.com)


Jeder soll ein Grundeinkommen erhalten

Durch die bedingungslose Zahlung eines festen monatlichen Betrags an jeden Bürger ohne Anrechnung von Einkommen oder Vermögen unterscheidet sich das Grundeinkommen von der Sozialhilfe, die nur Bedürftigen gezahlt wird, die nicht selbst für sich und die Familie sorgen können. Die Schweiz wäre der erste und einzige Staat auf der Welt, der so ein Modell verwirklichen würde.

Die Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommens sehen bei dieser Initiative das Problem, dass keine Anreize mehr vorliegen würden, zu arbeiten oder eine Arbeit zu suchen, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Die Verringerung des Verwaltungsaufwands, der sonst bei der Sozialhilfe anfällt, wäre dagegen zu vernachlässigen.

Wer finanziert das Grundeinkommen

Die Initiative geht von 200 Milliarden CHF pro Jahr für das Grundeinkommen aller Schweizer Bürger aus. 70 Milliarden würden von den heutigen Transferleistungen übernommen. Der Rest soll bereits in den heutigen Erwerbseinkommen enthalten sein beziehungsweise durch Steuern oder andere Abgaben aufgebracht werden.

Welche Alternativen sind denkbar?

Manche Volkswirtschaftler warnen vor einem bedingungslosen Grundeinkommen und schlagen Alternativen vor. Die sogenannte negative Einkommensteuer wäre eine Möglichkeit, den Verwaltungsaufwand zu verringern und Anreize für eine Arbeitsaufnahme auch in ärmeren Haushalten zu schaffen. Haushalte mit einem geringen Einkommen würden also keine Steuern zahlen, sondern Geld entsprechend ihren Einkünften bekommen. Sollten sie komplett mittellos sein, würden diese Personen Transferleistungen erhalten, die sich nach dem Existenzminimum richten.

Die Höhe des Existenzminimums würde sich im Unterschied zum Grundeinkommen nicht auf eine Person beziehen, sondern auf die Grösse des Haushalts. Das Einkommen von Haushalten würde steuerlich nicht berücksichtigt werden und der Grenzsteuersatz würde weniger als 100 Prozent betragen.

Im Endeffekt sind sich das bedingungslose Grundeinkommen und die negative Einkommensteuer mit der Berücksichtigung niedriger Einkommen relativ ähnlich. Die Finanzierung beider Systeme muss allerdings noch geregelt werden. Dass dies möglich ist, zeigen die Steuersysteme in den Vereinigten Staaten von Amerika (Working Tax Credit) und Grossbritannien (Earned Income Tax Credit), bei denen Geldzahlungen an Haushalte mit niedrigen Einkommen vorgesehen sind. Allerdings müssen erst einmal Arbeitseinkommen generiert werden, bevor Leistungen vom Staat erbracht werden. Personen, die nicht arbeiten, sind von diesen Zahlungen also ausgeschlossen, wohingegen beim bedingungslosen Grundeinkommen alle Bürger gleichermassen von Beträgen in gleicher Höhe profitieren würden.

Existenzminimum unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse

Zwei Veränderungen sind denkbar um die negative Einkommensteuer finanzieren zu können: Einerseits könnte ein breiteres Einkommenskonzept bei der Berechnung der negativen Steuer Anwendung finden, bei dem es mehr um die Bedürftigkeit der einzelnen Person geht. Ein Teil des vorhandenen Vermögens könnte dem Einkommen zugerechnet werden, was bei der Berechnung der Sozialhilfe bereits der Fall ist. Eine Person, die zwar kein regelmässiges Einkommen bezieht, aber über Vermögen wie Sparguthaben oder ein eigenes Haus verfügt, erhält so kein oder weniger Geld vom Staat. Ausserdem könnten verschiedene Lebenshaltungskosten, wie zum Beispiel die Kosten für die Renovierung des eigenen Hauses, nicht mehr in Abzug gebracht werden.



Andererseits könnte das Existenzminimum auch von der Lebenssituation abhängen, in der sich der Bürger gerade befindet. Ein Student, der zum Beispiel noch im Haus seiner Eltern wohnt, benötigt weniger Geld, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten als ein 45-jähriger Arbeitsloser, der bereist ausgesteuert ist. Die Bereitschaft zur Teilnahme an Massnahmen, um besser vermittelbar zu werden und wieder einen Arbeitsplatz zu finden, wäre allerdings Voraussetzung für die Leistungserbringung.

Die Finanzierung existenzsichernder Zahlungen mittels negativer Einkommensteuer wäre unter der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse besser möglich. Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens macht da keine Unterschiede.

 

Oberstes Bild: Die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz hat viele Befürworter und Kritiker. (Gutzemberg / Suttersock.com)

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