Die Samwer-Brüder - Erfolgsstory oder Riesenblase? - Teil 2

Vor dem Börsengang von Rocket Internet (RI) und Zalando häuften sich kritische Stimmen in der Öffentlichkeit und in den Medien. So hat sich die Sendung „Frontal 21“ des deutschen Senders ZDF sehr kontrovers mit Oliver Samwer auseinandergesetzt.

Es war das erste offizielle Fernseh-Interview überhaupt, das einer der Samwer-Brüder gegeben hat. In der Regel sind alle drei sehr medienscheu. Auch der Chefredakteur des Startup-Magazins „Gründerszene“, Joel Kaczmarek, analysiert in seinem Buch „Die Paten des Internets“ die Strategien von RI und was dahintersteckt.


Dies ist ein Bericht in zwei Teilen:

Die Samwer-Brüder – Erfolgsstory oder Riesenblase? – Teil 1

Die Samwer-Brüder – Erfolgsstory oder Riesenblase? – Teil 2


Der wesentliche Vorwurf an die Adresse von RI ist, dass das Unternehmen die Ideen von anderen schlichtweg kopiere und aggressiv am Markt umsetze. Namen, Online-Auftritte und Geschäftsmodelle der Klone sind oft nahezu identisch mit den Originalen. In den USA, vor allem im Silicon Valley, heissen die Samwer-Brüder nur noch „Copycats“. Es gibt sogar Stimmen in Amerika, die davor warnen, dass Deutschland durch die Samwer-Brüder einen schlechten Ruf bekommen und nicht mehr als innovativ angesehen werden könnte.

Beispiel Alando: Die erste grosse Gründung orientierte sich am Konzept und Erscheinungsbild der Auktionsplattform Ebay. Das Layout wurde bis ins Detail übernommen, aber nicht, weil es keine Alternativen gab, sondern weil Samwer der Meinung war, damit den Erfolg von Ebay nachahmen zu können. Was auch gelang. Die deutsche „Version“ war so erfolgreich, dass Ebay Alando bereits nach sechs Monaten aufkaufte – für 43 Millionen Dollar.

Mit dem Klingeltonanbieter Jamba verlief die Geschichte ähnlich. Samwer kopierte einfach die Idee eines japanischen Unternehmens. Allerdings kam es schon bald zu Problemen mit minderjährigen Kunden, denn Jamba verkaufte nicht einzelne Klingeltöne, sondern Abonnements, ohne dass dies explizit in den AGB bzw. Verträgen ersichtlich wurde. Es hagelte unzählige Beschwerden von Eltern, die zum Teil auf gerichtliche Prozesse hinausliefen. Da kam ein Kaufangebot des amerikanischen Unternehmens Verisign gerade recht – es übernahm Jamba nach kurzer Zeit für 273 Millionen Dollar.


CC BY-SA 2.0)

Ein grosser Vorteil von Samwers Arbeitsweise ist die Geschwindigkeit, mit der Konzepte international durchgezogen werden. In den USA und China hält sich das Unternehmen noch zurück, weil es sich dort wenig Chancen ausrechnet.


CC BY-SA 2.0)

Stattdessen sucht RI sich einfach andere Märkte und aufstrebende Staaten wie Brasilien oder Nigeria. Das Startup Zalando beispielsweise entwickelte sich innerhalb von fünf Jahren nicht nur zu einem der grössten Online-Händler in Deutschland. RI positionierte es in ähnlicher Weise in Märkten, die besonders wachstumsstark sind und viel Umsatz versprechen. Als Beispiele mögen Lamoda in Osteuropa, Dafiti in Südamerika, Zando in Südafrika oder Zalora in Südostasien dienen.

Wie aggressiv RI vorgeht, zeigt ein Beispiel aus Nigeria. Dort ist der Online-Modeshop Konga zuhause. Die Samwer-Brüder haben sich kurzerhand die passenden Domains mit diesem Namen in vielen anderen afrikanischen Staaten gesichert, so dass es für Konga sehr schwer ist, in den Nachbarländern Fuss zu fassen. Das gleichartige Samwer-Unternehmen Jumia dagegen wächst und wächst. In der Türkei soll RI angeblich falsche Angebote auf einer Webseite platziert haben, um an die Kundendaten der Konkurrenz zu kommen. Der türkische Betreiber berichtet von mehr als 100 solcher Versuche. Oliver Samwer bestreitet dies vehement.

Neben den mittlerweile nicht unerheblichen Eigenmitteln profitiert RI bei seinen Geschäften auch von Beteiligungen finanzstarker Investoren. Dazu zählen das schwedische Unternehmen Kinnevik, Holtzbrinck Ventures, die Einzelhandelskette Tengelmann sowie die amerikanische Firma Summit Partners. In Deutschland greift RI auch gerne auf staatliche Subventionen zurück, wenn sich die Möglichkeit bietet.

Etwas zwielichtig ist die „Steuerpolitik“ der Samwer-Brüder. Von den 1’500 Niederlassungen weltweit, an denen sie beteiligt sind, haben mehr als 100 ihren Sitz im kleinen aber feinen Luxemburg bzw. im US-Bundesstaat Delaware, die beide für sehr, sehr unternehmerfreundliche Steuersätze bekannt sind. Im ZDF-Interview wischte Oliver Samwer eine entsprechende Frage einfach beiseite, indem er erklärte, Luxemburg etwa sei für Investoren besser, man selber aber zahle Steuern komplett in Deutschland. Überzeugen konnte er mit dieser Antwort nicht.



Anfang Oktober 2014 gingen Zalando und RI im Abstand von einer Woche an die Börse. Der Medienrummel vorab und die Erwartungen der Anleger waren immens. Man sprach von Meilensteinen für die Online-Wirtschaft in Deutschland. Allerdings erwiesen sich beide Papiere – etwa im Vergleich zum Facebook-Börsenstart – zunächst als Rohrkrepierer. Die Kurse brachen schon nach kurzer Zeit ein. Der Ausgabepreis für eine RI-Aktie lag bei 42,50 Euro, am Ende des ersten Tages an der Börse waren es nur noch 37,00 Euro. Zalando verlor sogar 15 Prozent an Wert und schloss mit 18,30. Die Unternehmen haben trotzdem stattliche Summen mit dem Börsengang eingenommen – Zalando rund 600 Millionen Euro, Rocket Internet etwa 1,6 Milliarden. Die Zukunft wird zeigen, ob das Konzept der Samwer-Brüder aufgeht. Bis jetzt machen fast alle Ableger des Unternehmens nur Verluste.

 

Oberstes Bild: © gopixa – shutterstock.com

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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