Sind Sie eine Menschine?

Sie klingt schon eigenartig, die Wortneuschöpfung „Menschine“, die an den Zusammenhang zwischen Mensch und Maschine erinnert. Und doch treffen wir immer wieder auf Leute, die sich zumindest im Berufsleben irgendwie als eine Mischung aus Mensch und Maschine verstehen, sich als Werkzeug zur Erfüllung fremder Ziele fühlen und manchmal sogar bis in den ganz privaten Haushalt hinein wie ein ferngesteuertes Räderwerk funktionieren müssen.

In der Folge fühlen sich viele solcher Frauen und Männer bereits nach wenigen Jahren ausgebrannt, sind vom gefürchteten Burn-out-Syndrom bedroht oder fühlen sich anderweitig nicht mehr wirklich wohl. Wie aus Menschen möglichst unablässig funktionierende Arbeitsmaschinen werden, warum sich mancher freiwillig in diese Doppelstellung begibt und wie der Weg aus dem Dilemma zwischen eigenen Lebenszielen und dem Anspruch der Arbeitswelt gelingt, beschreibt dieser Beitrag.

Wenn Arbeit zum alleinigen Lebensinhalt wird

Arbeit ist wichtig. Sie dient nicht nur der Selbstverwirklichung und der Einnahme einer bestimmten Stellung in einem gesellschaftlich-wirtschaftlichen System, sondern für viele auch in erster Linie zur Erzielung von Arbeitseinkommen. Dieses wird für den eigenen Unterhalt und die Erfüllung persönlicher Wünsche ebenso gebraucht wie zur Sicherung der Lebensverhältnisse in der Familie und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Diese Doppelfunktion der Arbeit führt nicht selten dazu, dass Menschen am Firmeneingang gewissermassen ihre Persönlichkeit abgeben und dann für die Zeitdauer der Arbeit als willfährige Maschine mit fest umrissenen Aufgaben dienen. Die gesteckten Ziele sind dann selten auch ganz persönliche Ziele, sondern vielmehr die des Unternehmens. Einmal als ebenso fleissige wie willenlose Arbeitsobjekte enttarnt, bieten sich solche Menschen immer wieder dazu an, zur Zielscheibe neuer, höherer Zielstellungen und Normen zu werden, die sie dann meist auch willig und uneingeschränkt erfüllen.

So lange, bis die Grenzen des Machbaren und über lange Zeiträume hinweg Vertretbaren ausgereizt sind. Dann finden sich solche zur Maschine gewordenen Menschen schnell in einer immer schneller und höher drehenden Spirale aus Anforderung, Leistungserfüllung, neuen Anforderungen und letztlich dem Zusammenbruch wieder. Einmal am Ende der Spirale angekommen, versagt die Menschine ihren Dienst und bricht unter den Anforderungen zusammen.

Arbeit war dann über lange Zeit hinweg der einzige Lebensinhalt. Das private Leben wurde um die Anforderungen der Berufstätigkeit herumgestrickt, Zeit für sich selbst, für Freunde und für die Familie wurde immer knapper und die Anforderungen der Arbeit bestimmten den Tagesablauf über alle Massen.


Die richtige Gewichtung der Arbeit in der Lebensgestaltung ist eine Aufgabe, die auch den Vorgesetzten und Unternehmern zufällt. (Bild: Photographee.eu / Shutterstock.com)
Die richtige Gewichtung der Arbeit in der Lebensgestaltung ist eine Aufgabe, die auch den Vorgesetzten und Unternehmern zufällt. (Bild: Photographee.eu / Shutterstock.com)


Freiwillig in der Tretmühle

Nicht selten begeben sich Menschen freiwillig in derartige Tretmühlen. Sie haben es nicht gelernt, Anforderungen an sich selbst an den eigenen Fähigkeiten auszurichten, haben nicht gelernt, gesunden Widerspruch zu üben, und sind zumeist in einer familiären Atmosphäre der Hörigkeit und des steten Leistungsdrucks schon ab der Schule aufgewachsen. Die Anforderungen der Elternhäuser werden ersetzt durch die Anforderungen der Vorgesetzten, das zaghafte und seltene Lob der Eltern wird von der Zuwendung der Kollegen und Vorgesetzten ersetzt. Gelegentliche Lohnerhöhungen schaffen einen zusätzlichen Reiz und durch die scheinbare Anerkennung fühlen sich solche Menschen gebraucht und wichtig.

Erst dann, wenn sie beispielsweise länger erkranken, stellen sie oftmals verwundert fest, dass sie auch in ihrem Arbeitsbereich einfach zu ersetzen sind. In der falschen Wahrnehmung ihres eigenen Selbstwertes werfen sie nach der Rückkehr noch mehr persönliche Kraft in die Arbeit und wollen so auf eine unablässige, aber gleichfalls zermürbende Weise beweisen, dass sie in ihrer Position unersetzbar sind.

Freiwillig werden noch mehr Aufgaben übernommen, mehr Leistungen erbracht und gern auch zusätzliche Schichten gefahren. Auch hier droht nach einiger Zeit der Zusammenbruch, da das System der Arbeit solche freiwilligen Einsätze zwar fördert, aber weder belohnt noch sinnvoll eingrenzt. Die volle Hingabe an Beruf und Arbeit wird durch ein System gefördert, in dem der Einzelne nichts zählt, die Leistung aber alles aufwiegt.

Raus aus dem Menschinen-Dasein

Der Weg heraus aus dem Dilemma zwischen eigener Anspruchslosigkeit und den Forderungen des Arbeitslebens gelingt nur selten. Oftmals haben sich die als Menschinen fungierenden Arbeiter dermassen ins System der Arbeit integriert, dass sie ohne dieses kaum eine Befriedigung finden können. Die zunehmende persönliche Vereinsamung fördert einen Prozess, in dem sich Menschen aus unterschiedlichen Gründen ganz der Arbeit verschreiben.

Oftmals kann hier die Familie der Rettungsanker sein, der die Betroffenen daran erinnert, dass es ausser der Arbeit noch andere Lebensinhalte gibt. Auch Hobbys oder die Mitgliedschaft in Vereinen sind durchaus dazu geeignet, eine andere Sichtweise auf die eigenen Lebensinhalte zu gewinnen. Wichtig für den Ausstieg aus dem Dasein als Menschine ist immer das Vorhandensein einer sozialen Einbindung in möglichst viele und unterschiedliche Gruppen ausserhalb des Arbeitsumfeldes.

Wer mit dem Ausstieg aus der Spirale des maschinengewordenen Menschseins zu lange wartet, muss damit rechnen, über kurz oder lang an der Aufgabe der eigenen persönlichen Interessen zu scheitern. Dann wird der Ausstieg aus dem Arbeitsleben aufgrund physischer oder psychischer Erschöpfungszustände und Krankheiten bald ein dauerhafter sein. Das führt nicht selten dazu, dass solche Menschen die Sinnhaftigkeit ihres Lebens nicht mehr erkennen und in der Folge oftmals auch den selbst gewählten Abschied aus dem Leben einer Auseinandersetzung mit den Ansprüchen der eigenen Persönlichkeit vorziehen. Eine Warnung an alle, die den Sinn und den Wert der Arbeit überschätzen und falsch einordnen. Eine Warnung aber auch an Vorgesetzte und Unternehmer, die ihre Mitarbeiter als willfährige Erfüllungsgehilfen der eigenen Ziele missverstehen.

 

Oberstes Bild: © StockLite – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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