Flexible und mobile Arbeit in der Schweiz

In den Managementwissenschaften gilt flexibles und mobiles Arbeiten als Nonplusultra. Unternehmen, die entsprechende Möglichkeiten dafür bieten, sind besonders für junge Arbeitnehmer attraktiv. Wir geben einen Überblick darüber, wie es aktuell um die Arbeitsflexibilität in der Schweiz bestellt ist.

Die Forderung nach Flexibilität, Mobilität und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance hat Konjunktur – spätestens seit die Generation Y im Arbeitsleben angekommen ist und auch dort die Bedingungen und Werte fordert, mit denen sie aufgewachsen ist. In den Unternehmen treffen ihre Wünsche allerdings nicht auf breiter Front auf Gegenliebe. Trotzdem positionieren sich Schweizer Arbeitgeber in puncto Flexibilität im internationalen Vergleich recht gut.

Präsenz- oder Vertrauenskultur in Unternehmen?

Im Hinblick auf flexible und mobile Arbeit stehen sich in der Schweiz und anderswo zwei gegensätzliche Fraktionen gegenüber. Vertreter der traditionellen Präsenzkultur führen als Begründung für ihre Position ins Feld, dass die neuen Arbeitsformen einen zu hohen Koordinationsaufwand erfordern würden, die soziale Einbindung der Mitarbeiter in die Unternehmen nicht mehr in ausreichendem Mass gegeben sei und Möglichkeiten für Sanktionen und Kontrolle fehlten. Auch Sicherheitsbedenken – beispielsweise im Hinblick auf Datenlecks – spielen bei ihren Argumenten eine Rolle. Technologiefirmen wie die Swisscom oder Microsoft Switzerland gestalten mit ihrer Hard- und Software dagegen aktiv den Wandel. Aus ihrer Sicht führt die neue Flexibilität zu grösserer Produktivität, motivierteren Mitarbeitern und einer neuen Vertrauenskultur in den Unternehmen.

Implementierung mobiler Arbeit – ein komplexes Thema

Auch ausserhalb des Technologiesektors gibt es viele Schweizer Unternehmen und Verbände, die sich für Telearbeit und Homeoffice-Strukturen begeistern können. Der Kaufmännische Verband (KV) der Schweiz unterstützt flexible und mobile Arbeit, die unter anderem zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitrage. Allerdings müssten mit den neuen Arbeitsformen auch die richtigen Zielstellungen verbunden sein. Problematisch sei, wenn die Unternehmen entsprechende Massnahmen nur aus Kostengründen initiierten oder die Mitarbeiter den Büroalltag ins Homeoffice verlagerten und dort genauso viele Überstunden generierten wie zuvor. Experten betrachten die Implementierung zeitlich und örtlich flexibler Arbeitsmodelle generell als eine komplexe Angelegenheit, mit der sich seit Längerem auch Forschungsprogramme an verschiedenen Hochschulen befassen.


Der Trend in den Unternehmen geht zu flexiblen und mobilen Arbeitsformen. Schweizer Firmen bieten hier ein recht positives Bild. (Bild: Nopporn / Shutterstock.com)
Der Trend in den Unternehmen geht zu flexiblen und mobilen Arbeitsformen. Schweizer Firmen bieten hier ein recht positives Bild. (Bild: Nopporn / Shutterstock.com)


Arbeitsflexibilität – in der Schweiz bisher eher ein Nischenthema

Beispielsweise haben Wissenschaftler der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) ein „Flex-Work-Phasenmodell“ entwickelt, das unterschiedliche Stufen flexibler und mobiler Arbeit und damit verbundene Herausforderungen aufzeigt. Der Organisationspsychologe und FHNW-Projektleiter Johann Weichbrodt und sein Team förderten interessante Details zutage: Nur 10 % der Firmen interessieren sich überhaupt nicht für das Thema Arbeitsflexibilität. In 16 % der Unternehmen sind flexible und mobile Arbeitsformen weitgehend etabliert. Die restlichen 74 % bewegen sich zwischen „klassischer ortsgebundener Arbeit“ und „Umbruchphasen“.

In der öffentlichen Verwaltung spielt Arbeitsflexibilität dagegen bisher so gut wie keine Rolle – 15 % aller Behörden haben sich mit diesem Thema bisher überhaupt noch nicht beschäftigt, in weiteren 63 % kommt sie allenfalls als Ausnahmeerscheinung und in speziellen Fällen vor. Sogenannte „Netzwerkunternehmen“ – also Firmen, in denen flexible und mobile Arbeit vollständig etabliert ist – gibt es mit Ausnahme einiger KMU bisher schweizweit nicht. Trotzdem liegt die Schweiz im Hinblick auf die Arbeitsflexibilität etwas über dem Durchschnitt in Europa.

Flexibilität und Vertrauen als Motivation für höchste Leistung

Die Firma Spectrum Consulting in Holzhäusern/Kanton Zug versteht sich als ein solches „agiles“ KMU. Das Unternehmen betreut seit 2006 vor allem Kunden aus der Versicherungsbranche bei der Implementierung von SAP-Finanzmodulen und anderen IT-Projekten. Sein Gründer Patrick Büchi sieht Arbeitsflexibilität als einen wesentlichen Bestandteil agiler Führung und als Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg in einem projektgebundenen und sehr zyklischen Unternehmensalltag. Die Mitarbeiter von Spectrum Consulting sind virtuell vernetzt und kooperieren unter anderem mit Chats und Videokonferenzen. Daneben gibt es regelmässige persönliche Treffen, bei denen es jedoch primär um Teambuilding und sozialen Austausch geht. Büchi weiss aus Erfahrung, dass die flexible und mobile Arbeit zu einer besseren Mitarbeiterbindung führt. Die vollständige individuelle Flexibilität signalisiert den Angestellten, dass sie jeweils die beste Person für ein Projekt sind, was sie zu hohen und höchsten Leistungen motiviert.

Klare Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit

Grossunternehmen – etwa Swissair oder SBB – versuchen, den Wunsch der Mitarbeiter nach grösserer Flexibilität mit den Anforderungen der Firma so weit wie möglich abzustimmen. Nicht alle Stellen eignen sich für flexible und mobile Arbeitsformen – wichtig ist, dass das Unternehmen die Machbarkeit ebenso wie die Grenzen entsprechender Modelle eindeutig, transparent und für die Mitarbeiter nachvollziehbar kommuniziert. Trotzdem geht die Swissair davon aus, dass flexible und mobile Arbeit den Bedürfnissen der Mitarbeiter in der modernen Arbeitswelt entspricht. Auch die Spitzenmanager der Airline können Homeoffice-Lösungen in Anspruch nehmen.

Die SBB bieten den Teilnehmern von Konferenzen grundsätzlich auch digitale Einwahlmöglichkeiten an. Bei Terminen, die physische Präsenz erfordern, achtet der Betrieb darauf, dass An- und Abreise für alle Teilnehmer ausserhalb der Hauptverkehrszeiten möglich sind. Ein SBB-Sprecher stellt ausserdem heraus, wie wichtig es sei, bei der Implementierung flexibler und mobiler Arbeitsformen klare Grenzen zwischen Freizeit und Arbeitszeit zu ziehen. Die SBB bereiten ihre Schritte in Richtung Flexibilisierung jeweils sehr gründlich vor. Im letzten Jahr hat beispielsweise ein entsprechendes Pilotprojekt mit mehreren Hundert Mitarbeitern stattgefunden.

 

Oberstes Bild: © Jakub Zak – Shutterstock.com

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