Limitiert der Besitzerwechsel bei "La Liberté" die Pressefreiheit?

Keine Frage, der Kanton Freiburg weist einige spezifische, prägnante Merkmale auf. So zählt der in der Romandie gelegene Kanton zu den mittelgrossen, wobei die Bevölkerungsdichte mit 178 Einwohnern pro Quadratkilometer deutlich unter dem eidgenössischen Durchschnitt liegt. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) ist Freiburg einer der Kantone in der Schweiz, die am schnellsten wachsen; in den Jahren 2000 bis 2010 ist die Bevölkerung um 17,6 % gestiegen. Seit Mitte 2014 leben im deutsch- und französischsprachigen Kanton bereits mehr als 300’000 Einwohner.

Der Kanton Freiburg bietet als Region zudem mit seinen historischen Städten, moderner Kunst, atemberaubenden Berglandschaften sowie sonnigen Badeseen eine ungemein hohe kulturelle und landschaftliche Vielfalt. Auffällig ist dabei die Unterteilung des Kantons in einen eher ländlichen Süden bzw. Südosten und einen vergleichsweise dicht besiedelten, urbanisierten Norden bzw. Nordwesten.

Ausgeprägt ist hier aber vor allem eins: Qualitätsjournalismus. Die Freiburger Zeitung „La Liberté“, die schon des Öfteren mit ihren pointiert-kritischen Artikeln auch im benachbarten Ausland für Aufmerksamkeit sorgte, gilt bereits seit Jahren als das journalistische Aushängeschild der Romandie und als eine der besten und seriösesten Regionalzeitungen in der gesamten Schweiz. Jetzt haben die Besitzverhältnisse bei der Freiburger Traditionszeitung gewechselt. Das wirft wiederum Fragen zum neuen Standing sowie zur Unabhängigkeit auf.

Besitzerwechsel: Der Staat wird quasi zum Medienunternehmer

Dass es irgendwann zu diesem Umbruch respektive Besitzerwechsel kommen würde, haben die Spatzen bereits seit Jahren von den Dächern gepfiffen. Als die Freiburger Paulus-Schwestern, seit rund 14 Jahrzehnten Besitzerinnen der Zeitung, schliesslich vor zwei Jahren ankündigten, dass sie die Zeitungsdruckerei schliessen würden, werteten dies nicht wenige Branchenkenner als ein Zeichen für einen bevorstehenden Abschied auf Raten. Jetzt ist es amtlich: Die Zeitung wird schrittweise verkauft.

Dabei übernehmen das Energieunternehmen Groupe E sowie die Freiburger Kantonalbank insgesamt ein Drittel der Aktien. Auf den ersten Blick eigentlich kein verwerflicher Vorgang. Wenn man aber bedenkt, dass beide Firmen quasi dem Kanton Freiburg gehören, wird die Sachlage schon reichlich prekär. Erst hinter vorgehaltener Hand, seit Anfang Oktober auch in der Öffentlichkeit, werden diese neuen Besitzverhältnisse mehr als argwöhnisch beäugt und auch kommentiert.


Bringt der Besitzerwechsel bei "La Liberté" eine Gefahr für die Pressefreiheit mit sich? (Bild: Voronin76 / Shutterstock.com)
Bringt der Besitzerwechsel bei „La Liberté“ eine Gefahr für die Pressefreiheit mit sich? (Bild: Voronin76 / Shutterstock.com)


Kritiker befürchten einen Verlust an Pressefreiheit

Da der Staat nämlich durch die Übernahme rund eines Drittels der Aktien durch die kantonseigenen Unternehmen indirekt zum Medienunternehmer avanciert und mittel- bis langfristig auch die Aktienmehrheit anstreben respektive übernehmen könnte, ist vielen Protagonisten ein Dorn im Auge. Einige Kritiker sehen ein derartiges Szenario sogar als Angriff auf die Pressefreiheit und befürchten, dass der Kanton bzw. letztendlich die Staatsmacht die für ihre qualitativ hochwertigen Inhalte bekannte „La Liberté“ quasi kontrolliert. Schliesslich sei auch schon über staatliche Hackerangriffe auf Medienunternehmen berichtet worden.

Auch die Politik selbst macht jetzt mobil im Kampf um die Pressefreiheit und nicht zuletzt um die seriöse und hintergründig recherchierte Berichterstattung in dieser Freiburger Zeitung. Als Vorreiter fungiert hier der SVP-Kantonsrat Emanuel Waeber, der im Grossen Rat eine Anfrage deponiert hat, die den Staatsrat zu einem klaren Bekenntnis zur Pressefreiheit drängt. Und nicht nur das. Geht es nach dem Willen Waebers, sollten die Leser Aktien bzw. Aktienpakete erwerben können. Ein Modell dieser Art wird bereits von den „Freiburger Nachrichten“ vorgelebt; rund 4000 Aktionäre hat die Zeitung aktuell bereits. Bei „La Liberté“ selbst werden durchaus Sympathien für diesen Vorschlag gehegt. Chefredakteur Louis Ruffieux betont in diesem Zusammenhang denn auch, dass es für ihn und die gesamte Redaktion in erster Linie entscheidend sei, dass die Zeitung unabhängig bleibe und die journalistische Qualität durch unternehmerische Eingriffe zum Beispiel in Form von Sparmassnahmen nicht nachhaltig leide.

Liegt die staatliche Kontrolle der Zeitung im Bereich des Möglichen?

Bei näherer Betrachtung erscheint das Szenario einer staatlichen Kontrolle des Freiburger Blatts und damit der Pressefreiheit an sich aber auch nicht überaus realitätsnah. Zum einen wirft die Zeitung nach wie vor Gewinn ab, obwohl andere Printmedien massiv Leser verlieren. Wieso sollten die neuen Besitzer-Konzerne dann überhaupt weitreichende Veränderungen realisieren wollen? Zudem herrscht in Freiburg aus parteipolitischer Sicht mit rund zwölf aktiven Parteien eine ausgeprägte Vielfalt vor. Da wäre es schwer für jemanden, die Kontrolle über das beliebte und renommierte Blatt anzustreben. Auch Chefredakteur Ruffieux sieht im Moment keine Gefahr, dass der Verkauf der Zeitung die publizistische Unabhängigkeit negativ beeinflussen könnte.

Zudem verfügt „La Liberté“ dank ihres auch im Ausland erworbenen Renommees quasi über internationale Beobachter, die bei einer staatlich gesteuerten Einflussnahme sicherlich nicht lange die Füsse still halten würden. Nicht umsonst bezeichnet der ehemalige Schweiz-Korrespondent Richard Aschinger das Blatt als Qualitätstitel. Und der als Historiker und freier Journalist tätige Jean Steinauer preist die Inhalte als substanziell und originell an. Dabei sei eines der Markenzeichen der Zeitung der kritische, stets unerschrockene Umgang mit den eidgenössischen Behörden, urteilt auch Patrick Mülhauser, der sich als Freiburg-Korrespondent mit den dortigen Gegebenheiten und Machtverhältnissen gut auskennt.

Der unabhängige, viel gelobte Qualitätsjournalismus scheint sich in Freiburg – Besitzerwechsel hin, Besitzerwechsel her – also keineswegs zu verabschieden. Zumindest ständen die prinzipiellen Voraussetzungen für einen solchen Versuch äusserst schlecht. Und die Öffentlichkeit würde lauthals protestieren; zumal die Freiburger laut Studien stolz sind auf ihre journalistische Perle. Die Eingabe des SVP-Kantonsrates Waeber erscheint daher auf den ersten Blick eher schon ein wenig wie ein künstlich initiiertes Profilierungsprojekt, bei dem mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Aber: Auch im Zuge der Snowden-Affäre ging es plötzlich der Pressefreiheit an den Kragen …

 

Oberstes Bild: © Qvist – Shutterstock.com

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