Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps

Eine alte Weisheit, die sich in Zeiten der modernen Kommunikation dann doch eher als überholt und verwaschen darstellt. Wer bis vor einigen Jahren Arbeit und Freizeit noch erfolgreich voneinander trennen konnte, findet sich heute in einer Welt wieder, in der man dank Smartphone quasi immer und für jeden erreichbar ist.

Auf diesem Wege schleicht sich eine Vermischung von Arbeit und Freizeit in das Leben ein, die nicht nur Manager und Selbstständige, sondern auch zunehmend ganz normale Arbeitnehmer erreicht. Immer erreichbar zu sein scheint heute ganz normal, dürfte aber nicht nur aus gesundheitlichen Aspekten heraus gefährlich sein.

Schlaf gut, Leben

Gustav Meindel ist 53. Der Teamleiter einer in Graubünden aktiven Servicefirma hat sich bis weit nach der Jahrtausendwende erfolgreich gegen Computer und Natel zumindest im privaten Bereich gewehrt. Seine ersten Kontakte mit den elektronischen Kommunikationsgeräten erlebte der Spezialist erst 2005. Damals hatte sein Unternehmen für die Arbeitsplanung und Abrechnung im Servicebereich moderne Computer mit entsprechender Software zur Verfügung gestellt. Gerade als sich Meindel mit den Programmen und der allgemeinen Handhabung der Technik vertraut gemacht hatte, wurden auch Natels für die mobile Erreichbarkeit der Servicemitarbeiter angeschafft. Diese Diensttelefone blieben wohlweislich nach Arbeitsschluss in der Firma.

Zwei Jahre später hatte Meindel seinen ersten Computer im Haus, das private Natel folgte auf dem Fuss. Und heute verfügt der Teamleiter über ein vom Arbeitgeber gesponsertes Smartphone, über ein Laptop und ein modernes Tablet. Die Gabe des Arbeitgebers kam nicht von ungefähr. Zur Weihnachtsfeier 2013 wurden alle Teamleiter mit Smartphones und einem attraktiven Vertrag beschenkt. Die Kosten dafür trägt das Unternehmen. Bis heute. Dafür garantierten die Teamleiter, dass sie jederzeit erreichbar sind und so eilige Aufträge auch schnell weitergeben können. Natürlich sind sie deshalb auch per Mail erreichbar und dürfen dann auch schon mal zu nachtschlafender Stunde den ersten Einsatz für den Folgetag vorbereiten.

Für Meindel bedeutete das, dass er täglich vor dem Zubettgehen noch einmal die letzten Mails checkte oder dem Vorgesetzten schnell noch mal den tagesaktuellen Stand der Arbeiten durchstellte. Erst dann sagte der Vater dreier Kinder seiner Frau und dem Leben Gute Nacht. Zumindest für ein paar Stunden.

Heute Lust auf ein Dinner?

Während Meindel in seiner Freizeit auf diesem Weg auch von der Arbeit eingeholt wurde, spielte die Freizeit auch ins Arbeitsleben. Mitten in der Arbeit klingelte das Smartphone und ein Bekannter fragte an, ob man sich mit den Familien am Abend zu einem guten Dinner in the Dark treffen wolle. Meindel überlegte nicht lang, sondern sagte zu. Zwischenzeitlich musste er seine Frau und die erwachsenen Kinder informieren, die Plätze im Restaurant sichern und schon einmal darüber nachdenken, was er wohl anziehen könne.

So vermischt sich heute das Leben mit dem Smartphone in ein zeitlich undefinierbares Gemisch aus Arbeit und Freizeit, aus persönlichen Interessen und dienstlichen Anweisungen und vielen Lebensbestandteilen mehr.


Die Trennung von Arbeitszeit und Freizeit muss auch in Zeiten von Smartphones & Co. strikt durchgesetzt werden. (Bild: TATSIANAMA / Shutterstock.com)
Die Trennung von Arbeitszeit und Freizeit muss auch in Zeiten von Smartphones & Co. strikt durchgesetzt werden. (Bild: TATSIANAMA / Shutterstock.com)


Wem nutzt das?

Den Nutzen der ständigen Erreichbarkeit haben ohne Zweifel die Unternehmen. Wenn Mitarbeiter auch über ihre Arbeitszeit hinaus ständig erreichbar sind, können sie auch ständig zur Arbeit herangezogen werden. Manchmal ist das nur eine kurze Anfrage, manchmal werden Mitarbeiter aber auch aus dem Feierabend oder gar aus den Ferien auf Arbeit berufen. Ohne Natel und Smartphone wäre das kaum möglich.

Wen interessieren da schon Arbeitszeiten, wenn die Kollegen praktisch immer erreichbar sind. Selbst die Abrechnung der auf diesem Weg geleisteten Arbeit fällt meist aus, denn wer möchte gegenüber seinem Dienstherrn schon kleinlich sein? Auf diese Weise werden unbemerkt Arbeitsleistungen und Überstunden erbracht, die kaum nachvollziehbar, geschweige denn abrechenbar wären. Und immerhin telefoniert ja so mancher Arbeitnehmer wie etwa Gustav Meindel auch auf Kosten des Unternehmens. Und das auch im Privatbereich.

Der Gesundheit und der Erhaltung der Arbeitskraft nützt die ständige Erreichbarkeit in keinem Fall. Zunehmend mehr Leute wie Meindel arbeiten immer unkonzentrierter, stehen ständig unter Strom und zeigen nicht selten auch schon so etwas wie Suchtverhalten bezüglich der Nutzung der Kommunikationsmittel. Der Arbeitsleistung ist das in aller Regel abträglich.

Klare Regeln schaffen

Sowohl für betroffene Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber wird es Zeit, klare Regeln für die Erreichbarkeit der Kolleginnen und Kollegen zu schaffen. Einigen grossen Unternehmen ist das bereits gelungen. Dort herrschen klare Regeln, wann Mitarbeiter erreichbar sind und wann nicht. Das kann so weit gehen, dass auch dienstliche Mails zu bestimmten Zeiten von den betrieblichen Rechnern nicht mehr an die privaten Smartphones weitergeleitet werden.

Dahinter steht die Erkenntnis, dass eine zunehmende Vermischung von Arbeit und Freizeit weder den Arbeitsergebnissen noch dem Unternehmen oder den Mitarbeitern wirklich dient. Erfolgreich davor drücken können sich bisher viele Selbstständige, die auch trotz besseren Wissens ständig erreichbar sind. Bis zum Zusammenbruch. Dem geht Gustav Meindel mittlerweile erfolgreich aus dem Weg. Seit Mitte 2014 ist für ihn jetzt Dienst wieder Dienst und Schnaps wieder Schnaps.

 

Oberstes Bild: © g-stockstudio – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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