Politische Krise zwingt russische Wirtschaft in die Knie

Es ist noch nicht sicher, ob sich die Machtprobe mit dem Westen im Ukraine-Konflikt für Russland politisch auszahlen wird. Wirtschaftlich rutscht das Riesenreich in eine tiefe Krise – und diese könnte noch verschlimmert werden, sollte die EU tatsächlich weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen das Land verhängen. Die russische Zentralbank musste deshalb jüngst sogar einen Schritt gehen, der gegen die Massnahmen gerichtet ist, welche der Rest der Erde in diesen Monaten für angemessen hält.

Russland hat mit einer starken Inflation zu kämpfen. Durch die geopolitischen Spannungen haben die Investoren das Vertrauen in das Land und seine Währung verloren. Güter aus dem Ausland werden immer teurer, wodurch die Preise explodieren. Die Zentralbank schraubte den Leitzins deshalb um 50 Basispunkte auf 8 % in die Höhe. In den letzten fünf Monaten hatte es bereits zwei weitere, zum Teil deutliche Erhöhungen gegeben. Als Vergleich: Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Leitzins für den Euroraum wegen der anhaltenden Deflationsgefahr in Südeuropa vor Kurzem auf 0,15 % nach unten gedrückt. Russland und Europa trennen im Moment nicht nur politische Einstellungen.

„The Economist“: Putins Politik kostet Russland eine Billion US-Dollar

Welch drastische Folgen die Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin für die Wirtschaft hat, konnte die britische Fachzeitung „The Economist“ aufzeigen. Demnach kosten die falschen Entscheidungen im Kreml das Land umgerechnet eine Billion US-Dollar. Russland sei bei den Investoren rund um den Globus aufgrund der anhaltenden Spannungen derzeit unbeliebter als der Iran, Argentinien oder Simbabwe, heisst es in dem Artikel. Die Autoren legten hierfür das „Kurs-Gewinn-Verhältnis“ (KGV) der börsennotierten Unternehmen in den Staaten zugrunde. Je höher die Zahl ist, desto vorteilhafter für die Firma und das Land, weil Geldgeber offenbar bereit sind, ein Vielfaches des jährlichen Gewinns zu investieren. Das russische KGV liegt laut Quelle derzeit bei 5,2. Argentinien, das hauchdünn vor dem Staatsbankrott steht, schafft immerhin 6,1. Simbabwe kommt auf mehr als 12,0. Die anderen „Schwellenländer“, die kurz davor stehen, zum Westen aufzuschliessen, haben ein durchschnittliches KGV von 12,5.

Von kommender Weltwirtschaftsmacht zum „DOG“

Russland wurde von der Investmentbank Goldman Sachs noch vor wenigen Jahren als eine der künftigen Weltwirtschaftsmächte gekennzeichnet. Man sprach von den sogenannten BRICS-Staaten – also Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika – um die Schwellenländer zu beschreiben, die bald schon die wichtigsten Wirtschaftsmächte des Globus sein würden. Russland hat sich allerdings vorläufig aus dieser Riege verabschiedet. Laut „The Economist“ kommen die russischen börsennotierten Unternehmen durch das schwache KGV auf einen Gesamtwert von 735 Milliarden Dollar. Hätte das Land das durchschnittliche BRICS-KGV, so läge diese Zahl bei 1,77 Billionen Dollar.

Als Vergleich: Alle russischen Unternehmen, die derzeit an der Börse aktiv sind, haben in etwa den Wert, auf den die US-Unternehmen Apple und Google alleine kommen. Die Autoren formulieren deshalb überspitzt, Russland sei nun ein „DOG“ – die Billion Dollar sei ein „Discount for Obnoxious Government“, also ein „Abschlag für eine unerträgliche Regierung“.


Die Entscheidungen der Putin-Regierung haben die Ukraine-Krise verstärkt. (Bild: Dragon Grkic / Shutterstock.com)
Die Entscheidungen der Putin-Regierung haben die Ukraine-Krise verstärkt. (Bild: Dragon Grkic / Shutterstock.com)


Probleme schon vor der Krise

Tatsächlich ist es aber zu einfach, die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme des Landes auf die Entscheidungen der Putin-Regierung im Rahmen der Ukraine-Krise zu reduzieren. Diese hat sie bestenfalls verstärkt. Tatsächlich hatten sich vor allem westliche Investoren schon zuvor in grossem Umfang aus Russland verabschiedet. Sie bemängelten wiederholt die mangelnde Rechtsstaatlichkeit in dem Land, die grassierende Inflation und die zentrale Lenkung der Wirtschaft aus Moskau. Russland ist deshalb über alle Massen von der Rohstoffförderung und dem entsprechenden Export abhängig. Jede politische Krise, bei der die Regierung z. B. mit einem Stopp der Gaslieferungen drohe, bedeute zugleich immer auch schwere Probleme für die Gesamtwirtschaft. Dadurch, dass der Wechselkurs des Rubels seit geraumer Zeit auf Tiefflug sei (Inflation), könne der Westen das Land mit Handelssanktionen zudem besonders hart treffen. Das Land brauche westliche Devisen, weshalb eine mögliche Einstellung der Rohstofflieferungen nichts als eine leere Drohung sei. Putin könne diese Probleme mit einer klugen Politik ändern, schliessen die Autoren von „The Economist“. Allerdings würde es das Land derzeit vorziehen, sich in aussenpolitische Abenteuer zu stürzen.

Sanktionen könnten bald kommen

Diese „Abenteuer“ könnten sich bald schon rächen. Die EU ist laut übereinstimmenden Medienmeldungen nicht mehr weit davon entfernt, umfassende Wirtschaftssanktionen gegen das Land zu verhängen. Deutschland gibt dabei in Gestalt von Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel den Ton an: Das Ziel sei es, vor allem die Oligarchen zu treffen. Diese sollen sich gegen Putin wenden und ihn so zum Einlenken bewegen.

 

Oberstes Bild: © Fenton – Shutterstock.com

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