SNB: Das wirtschaftliche Umfeld für die Schweiz wird schlechter

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sieht das wirtschaftliche Umfeld deutlich pessimistischer als noch in der Jahresmitte. Ihre Wirtschaftsprognosen für die Schweiz wird sie möglicherweise nach unten korrigieren. In einem ausführlichen Interview mit der „NZZ am Sonntag“ sprach SNB-Präsident Thomas Jordan über die Ursachen für diesen Perspektivwechsel.

Jordan war gerade von einer Reise in die USA zurückgekommen. In Jackson Hole im US-Bundestaat Wyoming treffen sich traditionell die wichtigsten internationalen Notenbanker. Auch die Debatten und Analysen des hochkarätig besetzten „Wirtschaftsorakels“ dürften sich in Jordans Ausblick auf die wirtschaftliche Zukunft niederschlagen. Der SNB-Präsident betont, dass sein Haus alles unternehmen werde, um für monetäre Stabilität in der Schweiz zu sorgen. Als problematisch erweisen sich vor allem das Niedrigzinsumfeld, die Dynamik des Immobilien- und Hypothekenmarktes sowie die Deflationsgefahr.

Europäische Wirtschaftsentwicklung beeinflusst auch die Schweiz

Im Interview kam unter anderem zur Sprache, dass Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), in Jackson Hole gefordert hatte, dass die europäischen Regierungen die hohe Arbeitslosigkeit entschiedener bekämpfen müssten, und ankündigte, dass die Geldpolitik der EZB „noch expansiver“ werden müsse. Jordan meinte dazu, dass er die Geldpolitik der EZB zwar nicht kommentieren wolle, die Schweiz jedoch ebenfalls von einer gut funktionierenden europäischen Wirtschaft profitiere. Durch geldpolitische Massnahmen allein würden sich die ökonomischen Probleme Europas allerdings nicht lösen lassen – Jordan verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Strukturreformen sowie die Budget-Konsolidierung in bestimmten Euro-Ländern wichtig blieben.

Franken-Mindestwechselkurs zum Euro – Schutzschild gegen Deflation

Eine Auswirkung von Draghis Statement bekam die Schweiz unmittelbar zu spüren: Der Kurs des Euro gegenüber dem Franken ist danach gefallen. Jordan betonte, dass der Franken immer noch hoch bewertet und die Durchsetzung des Mindestwechselkurses von CHF 1,20 für die monetäre Stabilität der Schweiz eine absolut zentrale Frage sei. Eine erneute Aufwertung des Franken würde erneut die Gefahr der Deflation heraufbeschwören. Interventionen der SNB am Devisenmarkt, um den Wechselkurs stabil zu halten, habe es in den letzten zwei Jahren jedoch nicht mehr gegeben.
Ein Indikator für zum Teil massive Überbewertung des Franken ist die Inflation in der Schweiz und in der Euro-Zone, die derzeit auf äusserst niedrigem Niveau praktisch identisch sind. Die SNB sieht sich in der Pflicht, mittelfristig Preisstabilität zu garantieren. Ob die aktuelle Schweizer Geldpolitik dafür zu restriktiv ist und ob Korrekturen nötig sind, wird sich in der Zukunft zeigen. Auch eine Anhebung des Euro-Wechselkurses auf CHF 1,25 schloss Jordan in diesem Zusammenhang nicht aus.

Die makroökonomischen Risiken sind gewachsen

Mitte September wird die SNB ihre Neubewertung der Konjunkturaussichten publizieren. Dazu, ob die SNB an ihrer Prognose eines Wirtschaftswachstums von 2 % für 2014 festhält oder sie nach unten korrigiert, hat sich Jordan noch nicht geäussert. Er stellte jedoch fest, dass die makroökonomischen Risiken in den letzten Wochen gewachsen seien. Eine Rolle spielen hier die aktuellen geopolitischen Konflikte sowie die Tatsache, dass die Konjunktur vor allem in Europa und Lateinamerika schwächer ist als von der SNB ursprünglich angenommen.


Entspannung im Immobilienmarkt – jedoch keinesfalls Entwarnung. (Bild: dwph / Shutterstock.com)
Entspannung im Immobilienmarkt – jedoch keinesfalls Entwarnung. (Bild: dwph / Shutterstock.com)


Entspannung im Immobilienmarkt – jedoch keinesfalls Entwarnung

Positiv wertete der Notenbanker dagegen die Entwicklung auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Der Preisanstieg und die Zunahme der Hypothekenvergaben für Wohn- und Gewerbeimmobilien zeigten eine geringere Dynamik. Die Gefahr einer Überhitzung des Marktes und der Entstehung spekulativer Blasen ist damit geringer. Jordan bescheinigte dem antizyklischen Kapitalpuffer und der Selbstregulierung der Banken hier eine gute Wirksamkeit. Für eine Entwarnung sei es jedoch viel zu früh, Ungleichgewichte seien nach wie vor gegeben – der SNB-Präsident forderte die Banken in diesem Kontext explizit zur Vorsicht auf.

Nachholbedarf bei der Abwicklungssicherheit der Banken

Für jene Schweizer Banken, die sich auf Inlandsgeschäfte fokussieren, betrachtet Jordan den Hypotheken- und Immobilienmarkt nach wie vor als das grösste Risiko. Bei den Grossbanken gehe es dagegen vor allem darum zu verhindern, dass bei einer Insolvenz das gesamte Finanzsystem darunter leide. Die Notfallpläne und strukturellen Änderungen, die Credit Suisse und UBS – massgeblich aufgrund entsprechender Vorgaben der US-amerikanischen Finanzbehörden – in Angriff genommen haben, sind laut Jordan ein wichtiger „Schritt in die richtige Richtung“. Für die strukturellen Anpassungen und die operationelle Umsetzung der Notfallpläne sei allerdings noch Zeit erforderlich. Nachholbedarf in dieser Hinsicht sieht er sowohl bei den Schweizer als auch bei den internationalen Bankkonzernen.

Coco-Bonds als Sicherheitsnetz für den Insolvenzfall

Ausserdem müssten die Banken über genügend Fremdkapital verfügen, das sie im Ernstfall schnell und ohne juristische Probleme in Eigenkapital umwandeln können, so dass eine Abwicklung ohne staatliche Hilfen möglich ist. Die Grossbanken wollen dies durch die Ausgabe von Wandelanleihen, sogenannten Coco-Bonds, sicherstellen. Die Schweizer Vorschriften zu ihrer Emission waren international richtungsweisend. Im internationalen Financial Stability Board geht die Debatte inzwischen in die gleiche Richtung, wobei bisher nicht klar ist, welche quantitativen Minimalvorgaben für diese Kapitalform im internationalen Kontext gelten werden.

Währungsreserven von 500 Milliarden Franken

Die Schweizer Währungsreserven belaufen sich derzeit auf rund 500 Milliarden Franken. Zum grössten Teil sind sie in niedrig verzinsten Staatsanleihen angelegt. Falls die Zinsen steigen, werden sich auch die Bewertungen dieser Reserven ändern. Jordan stellte jedoch heraus, dass das Zinsumfeld nur einen kleineren Teil der Schweizer Währungsrisiken beeinflusst – wichtiger seien die Schwankungen der Währungskurse sowie der Goldpreis. Steigende Zinsen würden mittelfristig Bewertungsverluste der Währungsreserven kompensieren und im Übrigen auch für die SNB im Ausland attraktiv sein. Die Aktienquote bei den Währungsreserven liegt derzeit bei 15 %, sie unterliegt einer jährlichen Überprüfung.

 

Oberstes Bild: © Alexander Mak – Shutterstock.com

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