Fachkräftemangel: Frauen als Lösung?

Der Fachkräftemangel gehört in der Schweiz inzwischen zu den Schlagwörtern, die man so oft gehört hat, dass man das Problem kaum noch wahrnimmt. Der Mangel ist dabei jedoch eigentlich schlimmer als jemals zuvor: Laut einer Studie der UBS fehlen eine halbe Million Personen mit einer hochqualifizierten Ausbildung. Dies bestätigt auch Clelia Bieler, die für die Nachwuchs-Ausbildung an der Hochschule für Technik FHNW zuständig ist, im Gespräch mit „Bilanz.ch“. Insbesondere in den IT- Berufen sowie bei den technischen Jobs herrsche Mangel. Bieler präsentiert einen neuartigen Lösungsansatz: Frauen.

Frauen studieren falsch

Frauen würden falsch studieren, erklärt Bieler. Es greife für die Hochschulen und das Erwerbsleben die Formel: Je höher die Ausbildung, desto weniger Frauen. In den klassischen Männerdomänen würden diese nach wie vor regieren. In den Master-Studiengängen für Maschinenbau oder Elektrotechnik seien beispielsweise nur fünf % der Studierenden weiblich. Zudem gebe es ein weiteres Problem: In ihrem Haus, schildert Bieler, würden sich die weiblichen Studenten, die sich für die Informatik entscheiden, mit Vorliebe für Studiengänge wie „iCompetence“ einschreiben, in denen Design und Management eine wichtige Rolle spielen. Diese Ausbildungsentscheidungen würden dann ihren Niederschlag auf dem Arbeitsmarkt finden. Der Fachkräftemangel wäre kleiner, wenn sich mehr Frauen für tatsächlich technische Berufe entscheiden würden, erklärt die Expertin.

Problem kann nur langfristig gelöst werden

Man arbeite an Lösungsansätzen, versichert Bieler. Man setze bereits vor der Universität an, um „sowohl Mädchen als auch Buben“ für die technischen Berufe zu begeistern. Insbesondere die heranwachsenden Frauen sollen darin bestärkt werden, einen „geschlechtsuntypischen“ Beruf zu ergreifen. Dies sei allerdings ein „langfristiger Prozess“, der noch „eine ganze Generation dauern“ könne. Zudem brauche man Unterstützung: Eltern, Schule und das persönliche Umfeld müssten diesbezüglich noch sensibler werden. Grundsätzlich seien Mädchen nämlich nicht weniger an technischen Berufen interessiert als Jungen.

Berufswelt muss familiärer werden

Schneller könne man dem Fachkräftemangel durch Frauen begegnen, wenn sich die Berufswelt ändere, so Bieler. Diese sei heute nach wie vor auf die Männer und nicht auf die Familie zugeschnitten. Die Verantwortung für jene falle in die Zuständigkeit der Frau. Diese sei deshalb sehr viel weniger risikobereit in Karrierefragen als der Mann. Dies deuteten „Studien an“. Hochqualifizierte Frauen entschieden sich lieber für einen sicheren Arbeitsplatz als für einen Job, der ihrer Bildung gerecht werde, um die eigene Familie auch in schlechten Zeiten zuverlässig versorgen zu können. Vereinfacht ausgedrückt: Selbst die Frauen, die eigentlich als dringend benötigte Fachkräfte arbeiten könnten, tun dies nicht, weil die entsprechenden Berufe Zweifel wecken, ob man im Notfall die Familie angemessen unterstützen könne.



Mögliche Sofortmassnahmen

Es gebe allerdings diesbezüglich einige Möglichkeiten, die Unternehmen sofort ergreifen könnten, um hier Abhilfe zu schaffen, weiss Bieler. So sollten mehr Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Insbesondere bei der Finanzierung von diesen gebe es einen erheblichen Nachholbedarf. Frauen würden deshalb sehr oft nur in Teilzeit arbeiten. Darüber hinaus seien die Arbeitszeiten zu starr. Würde man sie flexibler gestalten, könne man leicht mehr Frauen ansprechen, die z.B. schulpflichtige Kinder haben. In Fragen der Arbeitsplatzsicherheit gebe es ebenfalls Nachholbedarf. Dies gelte insbesondere für den wissenschaftlichen Bereich, in dem praktisch alle Jobs befristet seien. Ein solcher Kontrakt kollidiere zwangsläufig mit der Familienplanung. Zusätzlich würden viele Posten in den Chefetagen nach wie vor mit Männern besetzt, obwohl es gleich gut oder sogar besser qualifizierte weibliche Bewerber gegeben habe.

Frauenquote eine mögliche Lösung

Bieler schlägt deshalb eine Frauenquote vor. In Norwegen, wo eine entsprechende Quote für Verwaltungsräte gekommen sei, habe man in den vergangenen zehn Jahren eine sehr gute Erfahrung damit gemacht. In der Schweiz betrage der Anteil von Frauen in Kaderpositionen zwar bereits 33 %. Allerdings stagniere der Wert seit 2002. Eine Quote könnte den Stillstand hier durchbrechen, doch letztlich sei dies „eine politische Frage“.

Gesellschaft müsse einen Wertewandel durchlaufen

Etwas verklausuliert spricht Bieler einen weiteren Punkt an, der folgt, sobald Frauen in die höheren Positionen strömen. Die Arbeitswelt für den Mann würde sich zwangsläufig ebenfalls ändern. Viele dürften dann in Teilzeitpositionen wechseln. Entsprechende Hilfestellungen gebe es bereits. So habe der Bund beispielsweise das Programm „Der Teilzeitmann“ aufgelegt. Um es umsetzen, müsse es aber einen Wertewandel in der Gesellschaft geben. Oft würden Männer, die in Teilzeit arbeiten, um Familienaufgaben zu übernehmen, noch skeptisch betrachtet. Dies müsse stattdessen akzeptiert und sogar begrüsst werden. Diesbezüglich könne man ebenfalls von anderen europäischen Ländern lernen, wo der Staat Männer, die sich um die Familie kümmern wollen, aktiv unterstütze. Die gesellschaftliche Skepsis sei dadurch gewichen.

 

Oberstes Bild: © kurhan – Shutterstock.com

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