Die neue Tech-Macht: Stehen wir vor der digitalen Ära der Megakonzerne?

Die Entwicklung war erst schleichend, aber nun hat sie so sehr an Fahrt gewonnen, dass sie sich beim besten Willen nicht mehr leugnen lässt: Google, Facebook und Amazon (um nur die Speerspitze zu nennen) kaufen neue Firmen zu, als gäbe es keine Monopolregelungen. Langsam, aber sicher beginnt die Macht dieser Konzerne sich derart zu zementieren und einen solchen Einfluss auf die politische und soziale Sphäre zu nehmen, dass man sich an die „goldene“ Ära der mächtigen Wirtschaftskonglomerate der 1960er-Jahre, vornehmlich in den USA, erinnert fühlt.

Das psychologisch Interessante daran: Auch wenn die politische Macht der Grosskonzerne seitdem natürlich durchgehend und ungebrochen wirksam war, traf sie doch bei der Öffentlichkeit häufig auf Misstrauen und den Ruf nach Einschränkungen der neoliberalen Einflussnahme. Diese öffentliche Skepsis scheint angesichts der neuen Monopole fast völlig verstummt zu sein – vielleicht deshalb, weil deren Omnipräsenz in praktisch unser aller Leben einfach zu offensichtlich ist, um eine glaubwürdige Kritik zuzulassen. Vielleicht aber auch, weil alle genannten Unternehmen digital operieren, selbst wenn sie ultimativ zunehmend in den Hardwarebereich vordringen. Dadurch werden sie im wahrsten Sinne des Wortes weniger „angreifbar“.

Doch nicht nur in dieser Hinsicht unterscheiden die neuen Mega-Player sich von den grossen, multinationalen Hardware-Konzernen des letzten Jahrhunderts. Diese wuchsen, indem sie Unternehmen und Geschäftszweige aus den unterschiedlichsten Branchen und Industriezweigen zukauften, um sich auf diese Weise so breit wie möglich aufzustellen, Risiken zu minimieren und Wettbewerbsvorteile zu sichern. Die hergestellten und vertriebenen Produkte hatten oftmals inhaltlich nichts miteinander zu tun; dennoch gab es keine Sorge hinsichtlich eines nicht mehr zu subsumierenden Markenimages.

Zum Ende des Jahrhunderts hin änderte sich dies vor allem in Hinblick auf die neuen, grossen Mediakonzerne, für die Information und Entertainment die Ware waren, welche auf den unterschiedlichsten, crossmedialen Kanälen veräussert wurde. Dennoch, auch hier ging es unmittelbar um Mehrwert und Profit.

Letzterer steht natürlich immer noch im Hintergrund der Akquise-Strategien von Google, Facebook & Co. Doch die Betonung liegt auf dem Begriff „Hintergrund“. Denn vordergründig wird immer eindeutiger klar, dass die Formation der neuen Grosskonzerne einer anderen, völlig neuen Logik folgt. Zusammenfassen lässt sich die Motivation mit „Plattform-Generierung“. Gemeint ist damit, dass in Zukunft nur diejenigen Spieler auf dem freien Markt gewinnen werden, die die Software- und Technologie-Plattformen zur Verfügung stellen, welche den Brückenschlag zwischen verschiedenen Industrien schaffen.

Dabei geht es im Speziellen um die Schnittstelle zwischen Hardware und Software. Betrachtet man die neuerlichen Zukäufe und Outbranching-Bemühungen von Google & Co., lässt sich beobachten, dass sie genau an ebendieser Schnittstelle angesiedelt sind. Sie ermöglichen diverse Anwendungsmöglichkeiten sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich und lassen sich in den unterschiedlichsten Industrien andocken.


US-Firma Salesforce, gegründet 1999 von Marc Benioff. (Bild: Ken Wolter / Shutterstock.com)
US-Firma Salesforce, gegründet 1999 von Marc Benioff. (Bild: Ken Wolter / Shutterstock.com)


Ein prominentes Beispiel ist die US-Firma Salesforce, 1999 gegründet von Marc Benioff, der damit gleichzeitig das sogenannte Cloud Computing begründet hat. Das Unternehmen setzt jährlich etwa drei Milliarden Dollar um, hat mehr als 100’000 Kunden, ist eines der am schnellsten wachsenden globalen Unternehmen und hat seit 2008 zehn andere, bereits etablierte Firmen geschluckt, um so sein Software- und Serviceangebot breiter aufzustellen. Die Cloud Software wird in Konsequenz von einer so breiten Anzahl an Unternehmen aller Industriezweige genutzt, dass man von einer alles penetrierenden Plattform sprechen kann.

Eine sehr ähnliche erfolgreich implementierte Geschäftsentwicklungsstrategie lässt sich bei den globalen Riesen YouTube und WordPress beobachten. Sie sind Plattformen, von denen aus andere Firmen ihre Media-Operationen realisieren können, ohne sich mit einem eigenen Hardwarepark zu belasten oder riskante Investitionen unternehmen zu müssen. Der Preis: Eine nur sehr subtil fühlbare Abhängigkeit und die oben schon erwähnte unreflektierte Akzeptanz der Omnipräsenz einiger weniger Marken und Unternehmen.

Dies gilt zumindest für den B2B-Bereich. Im B2C-Bereich sieht das Businessmodell, mit dem die neuen Konglomerate Gewinn über ihre Plattformen machen wollen, etwas anders aus. Im Endeffekt ist es sehr alt und klassisch: Werbung. Die neu erworbenen Plattformen wie etwa Instagram in Falle von Facebook oder eine der Neuerwerbungen von Google, nämlich Nest, werden zunächst aufgebaut und der Muttermarke angeglichen. In dieser Phase sind sie umsonst und bleiben es zumindest in einer hochwertigen Basisversion (das sogenannte Freemium-Konzept) lang genug, um hinreichend Nutzer anzuziehen und deren Daten über komplexe Tracking-Instrumente („User Traction“) sammeln zu können, was für Werbekunden interessant ist.

Auch hier gilt der übergreifende Plattformgedanke: Je mehr Dienste in einer Hand sind, deren Nutzervorteil von einer Verzahnung profitiert, desto grösser die Plattform, die als nutzerindividualisierte Werbefläche angeboten werden kann.

Zusammenfassend geht es den neuen Monopolisten im B2C-Bereich bei der Neuakquise nicht mehr um Firmen, die unmittelbar Gewinn erwirtschaften, sondern um Bausteine zu Plattformen, die dann insgesamt mehr Nutzer anziehen und so aufgrund der zur Verfügung stehenden User-Daten immer wertvoller werden. Der Wettbewerb zwischen Google, Facebook und Amazon ist also keiner um Marktanteile von Produkten, sondern um die Marktdurchdringung mit Software, Schnittstellen und Plattformen. Je grösser Letztere werden und je reibungsloser sie sich nutzen lassen, desto erfolgreicher wird man damit am Ende sein.

 

Oberstes Bild: © Gil C – Shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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