Der ewige Streit um das Homeoffice

Homeoffice – ein Begriff aus der Postmoderne der Arbeitswelt spaltet erneut Befürworter und Ablehner. Und nicht selten werden auch aus Befürwortern letztlich die Ablehner. So hat beispielsweise die Chefin von Yahoo ihre Homeworker wieder zurück ins Firmenbüro beordert, ausnahmslos. Nicht ohne Grund und nicht ohne nützliche Nebeneffekte. Kontrolliert im Büro arbeitet es sich vielleicht doch effektiver als mehr oder minder allein gelassen am heimischen Notebook.

An einem exemplarischen, aber sicherlich nicht allzu ernst zu nehmenden Beispiel will ich das Homeoffice als Arbeitsplatz der ausgesiedelten Homeworker von beiden Seiten kennenlernen und bewerten.

Ich liebe Homeworking

Kurz nach neun klingelt der Wecker, neben meinem Bett liegt das Notebook. Es ist noch offen und dämmert im Schlaf des Stand-by-Modus vor sich hin. Meine erste Bewegung dient der Return-Taste, ausser mir selbst wird jetzt auch mein elektronisches Arbeitstier wieder wach.

Da bin ich wohl gestern doch mitten in der Erarbeitung der neuen Dokumentation für den business24.ch-Blog eingeschlafen. Naja, nach einem spannenden Fernsehfilm und drei Bier schläft man schon einmal ein, während das Notebook an meiner Seite im Bett leise vor sich hin säuselt.

Es gab ja auch keinen Grund, die Dokumentation über den Tag hinweg fertigzustellen. Erstens war eitel Sonnenschein in jeder Beziehung. Das Wetter prima, das Strandbad nicht weit und die üblichen Kontakte zu den Kollegen kann man ja via Smartphone auch vom Liegestuhl aus führen.

Freie Wahl der Arbeitszeit heisst eben auch freie Verantwortung für die Freizeit. Oder eher doch für die Arbeit? Naja, auch egal.

Mittlerweile ist es zehn, der erste Kaffee blubbert durch die Kaffeemaschine und vielleicht sollte ich jetzt doch einmal den Schlafanzug gegen etwas Bequemes für den Alltag tauschen. Vielleicht Schlabber-T-Shirt und Jogginghose? Klar, das geht.

Gegen elf sitze ich dann endlich hinter meinem Buchstabenkeyboard und versuche, sinnvolle Sätze auf den Bildschirm zu hämmern. Frühstück vergessen, fällt mir ein, Mittag ist auch gleich.

Also Jogginghose aus, Jeans an, Jacke über das Schlabber-T-Shirt und mal fix zur Imbissbude um die Ecke. Dort treffe ich Tina. Tina macht so ziemlich das Gleiche wie ich, nur eben am Arbeitsplatz in der Firma. Muss ja schrecklich sein. Aber Tina ist nicht schrecklich und genauso Single wie ich. Also Einladung ausgesprochen, was, um drei Uhr am Nachmittag geht nicht? Ach, da sitzt sie noch im Büro. Okay, dann eben irgendwann nach 18 Uhr.

Kurz vor eins bin ich wieder zu Hause und weiss, dass ich jetzt langsam unter Druck komme. Die Dokumentation soll heute fertig und morgen Vormittag abgegeben sein. Morgen Mittag dann Tele-Konferenz mit dem Auftraggeber über die Ergebnisse und eventuelle Nachbesserungen. Langsam wird’s eng. Auch in der Jeans. Also Röhre wieder aus, Jogginghose wieder an.

Eine Stunde lang tippe ich jetzt hoch konzentriert und bringe alle, auch meine Systeme, auf Hochtouren. Schnell noch ein paar Online-Recherchen. Das dauert. Schön wäre es, jetzt einen Kollegen fragen zu können. Aber dazu müsste ich erst in der Firma anrufen und einen passenden Kollegen finden. Obwohl ich einmal in der Woche im Meeting bin, kenne ich kaum einen von denen so richtig. Also selbst weiterrecherchieren, prüfen und vergleichen.

Um drei Uhr fällt mir ein, dass gegen sechs Tina kommt. Ein schweifender Blick über mein Refugium aus vollen Aschenbechern, umgekippten Coladosen, jeder Menge Papier und einer eher lieblos aufgefädelten Gardine verrät mir, dass auch in Sachen Hausarbeit Nachholbedarf besteht. Und eine Flasche Wein oder so wäre vielleicht auch nicht schlecht.


Gut dass ich zu Hause arbeiten kann. Da kann ich wenigstens auch einkaufen, wann ich will, und zwischen der Arbeit auch den Haushalt schmeissen. (Bild: eurobanks / Shutterstock.com)
Gut dass ich zu Hause arbeiten kann. Da kann ich wenigstens auch einkaufen, wann ich will, und zwischen der Arbeit auch den Haushalt schmeissen. (Bild: eurobanks / Shutterstock.com)


Nur gut, dass ich zu Hause arbeiten kann. Da kann ich wenigstens auch einkaufen, wann ich will, und zwischen der Arbeit auch den Haushalt schmeissen.

Kurz vor sechs ruft Tina an. Sie kommt nun doch nicht. So richtig böse darüber bin ich auch nicht, immerhin ist meine Dokumentation immer noch nicht fertig. Im Büro unter Kollegen und den wachsamen Augen des Chefs wäre mir das vielleicht nicht passiert. Also bis in die Nacht arbeiten und morgen vielleicht doch spätestens um sieben aufstehen und dann ernsthaft arbeiten. Ist vielleicht kein schlechter Plan für einen Homeworker.

Tag zwei

Die Dokumentation ist fertig, ich bin es auch. Bis morgens um vier habe ich geschwitzt, zwei Stunden Schlaf und eine kalte Dusche mussten mich ins Reich der Lebenden zurückholen. Jetzt bin ich mehr oder weniger fit, drucke meine Dokumentation über business24.ch aus und bringe sie pünktlich zu Bürobeginn selbst in die Firma. Zwar hätte ich auch das online erledigen können, aber ich denke, ein paar Gespräche mit Kollegen aus Fleisch und Blut und ein inspirierender Arbeitstag mit etwas mehr Produktivität machen mich heute doch glücklicher.

In der Mittagspause treffe ich Tina. Heute klappt es dann doch mit der Verabredung. Aber nicht vor 18 Uhr. Immerhin will ich bis vier in der Firma arbeiten, dann einkaufen und schnell die Wohnung in Ordnung bringen. Ich freue mich auf Tina, den Feierabend und auf eine entspannt geordnete Arbeitszeit bis dahin. Mal sehen, wann ich dann wieder mal Lust auf die Arbeit im Homeoffice habe.

PS: Der Autor arbeitet in Wirklichkeit als freiberuflicher Online-Redakteur. Der Arbeitstag beginnt meist gegen acht Uhr, wird selten unterbrochen und dauert bis 16 Uhr an. Nach vier Stunden Freizeit mit der Familie, wird wieder das von der Wohnung getrennte Büro aufgesucht und noch einmal bis etwa Mitternacht am Wort gefeilt. Die Wochenenden bleiben dafür meist ganz der Familie und den Freunden vorbehalten. Auch so kann Homeworking funktionieren. O. H.

 

Oberstes Bild: © MJTH – Shutterstock.com

author-profile-picture-150x150

Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

website-24x24
jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});