Wo sind sie, die charismatischen Führungskräfte?

Der entscheidende Faktor für wirtschaftlichen Erfolg ist, anders als es in den meisten Unternehmen gelebt wird, der Mensch. Und dessen Zufriedenheit und Performance werden in weiten Teilen von den Führungskräften angespornt – oder eben nicht.

Der Mensch an sich fühlt sich in Unternehmen oftmals nicht verstanden und respektiert, was daran liegt, dass Leistungen nicht angemessen honoriert werden, er nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden und menschlich nicht anerkannt wird. Viele Mitarbeiter haben längst innerlich gekündigt und machen Dienst nach Vorschrift. Der Frust der Arbeitnehmer steht und fällt auch mit den Vorgesetzten. Die sind zwar meist durchsetzungsfähig, belastbar und kompetent, doch um ihre Führungsqualitäten ist es häufig nur mässig bestellt. Stattdessen ist Druck auszuüben fester Bestandteil der Unternehmenskultur und wird von oben nach unten und innerhalb der Belegschaft weitergegeben.

Da muss man sich zwangsläufig fragen: Wo sind sie geblieben, die charismatischen Führungskräfte, die des Führens willens und kundig sind und über die erforderlichen Führungsqualitäten sowie soziale Kompetenz verfügen?

Idealtypische Formen der Herrschaft nach Max Weber

Der deutsche Soziologe, Jurist und Nationalökonom Max Weber hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, warum sich Menschen beherrschen lassen, und daraus drei idealtypische Formen der Herrschaft entwickelt: die traditionelle oder patrimoniale Herrschaft, die charismatische Herrschaft und die bürokratische oder rationale Herrschaft. Die traditionelle bezieht ihre Legitimation aus dem Glauben an Traditionen, während die Basis der bürokratischen Herrschaft die uneingeschränkte Legitimation von Gesetzen, Regeln und Zuständigkeiten ist und die charismatische auf der entwickelten Persönlichkeit einer Führungskraft und der durch sie geschaffenen Ordnung fusst. Diese Erkenntnisse hat die Führungslehre aufgegriffen und daraus drei grundlegende Führungsstile entwickelt.

Kennen Sie die? Die drei grundlegenden Führungsstile

Sie heissen patriarchalischer, bürokratischer und charismatischer Führungsstil und weisen signifikante Merkmale sowie Vor- und Nachteile im Zusammenspiel mit den Mitarbeitern auf.

Der patriarchalische Führungsstil

Der patriarchalische Führungsstil zeichnet sich durch eine uneingeschränkte Alleinherrschaft aus. Die Unternehmensstruktur ist streng hierarchisch gegliedert. Von den Mitarbeitern wird Gehorsam und Disziplin erwartet, sie werden nicht an Entscheidungsprozessen beteiligt. Der Vorteil des autoritären Führungsstils liegt in einer klaren Trennung von Führungsebene und Mitarbeitern: Der Vorgesetzte entscheidet und kontrolliert die Arbeit der Mitarbeiter. Aufgrund seiner uneingeschränkten Handlungsfreiheit verfügt der patriarchische Chef über die Möglichkeit, zeitnah zu handeln. Das Verhältnis von Über- und Unterordnung führt allerdings zu einem unterkühlten und distanzierten Arbeitsverhältnis und auch dazu, dass die Mitarbeiter keine Notwendigkeit sehen, sich eigene Gedanken zu machen, was zulasten der Motivation, der Leistung und der Unternehmenskultur geht.


Der bürokratische Führungsstil orientiert sich an bereits vorhandenen Führungsinstrumentarien, an unternehmensinternen Richtlinien. (Bild: jorgen mcleman / Shutterstock.com)
Der bürokratische Führungsstil orientiert sich an bereits vorhandenen Führungsinstrumentarien, an unternehmensinternen Richtlinien. (Bild: jorgen mcleman / Shutterstock.com)


Der bürokratische Führungsstil

Beim bürokratischen Führungsstil konzentriert sich auch die Führungskraft auf die bürokratischen Regeln, aus denen sie ihren Führungsanspruch ableitet. Der bürokratische Führungsstil orientiert sich an bereits vorhandenen Führungsinstrumentarien, an unternehmensinternen Richtlinien, Vorgaben und Dienstanweisungen. Dies gilt auch für den Bereich der Mitarbeiterführung, wo sich die bürokratisch geprägte Führungskraft an konkreten Stellenbeschreibungen abarbeitet und Abweichungen nicht vorstellbar sind. Ebenso wie beim autoritären Führungsstil sind die Arbeitsbedingungen klar strukturiert. Auch hier sind Mitarbeiter vonnöten, die „mit angelegten Ohren Dienst nach Vorschrift“ machen und nicht durch neue Ideen und Kreativität die Ordnung durcheinanderwirbeln.

Es geht auch anders: der charismatische Führungsstil

Was bleibt, ist der charismatische Führungsstil, der eine starke persönliche Ausstrahlung zugrunde legt. Nicht nur in Krisenzeiten vermittelt die charismatische Führungskraft Zuversicht und motiviert die Mitarbeiter, die unternehmerischen Angelegenheiten nach vorne zu bringen. Der charismatische Führungsstil wird getragen von einem kooperativen Verhalten seitens des Vorgesetzten, der die Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbindet und Aufgaben delegiert. Die bei den anderen Führungsstilen vorhandene Fremdkontrolle durch den Chef wird durch Eigenkontrolle und Eigenverantwortung ersetzt. Das führt aufseiten der Mitarbeiter zu einem besseren Verständnis in Bezug auf unternehmensinterne Abläufe und Prozesse und erhöht die Motivation sowie das Leistungsvermögen. Der Vorgesetzte kann sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren und wird entlastet.

Insgesamt wirkt sich ein charismatischer Führungsstil angenehm auf das Betriebsklima aus und fördert gute Ergebnisse. Das setzt allerdings auch Mitarbeiter voraus, die trotz fehlender Kontrolle in der Lage sind, eigeninitiativ und eigenverantwortlich zu arbeiten. Mitarbeiter, die auf Weisungen des Chefs angewiesen sind, keine eigenen Ideen entwickeln und ihren Arbeitsalltag nicht selbstständig strukturieren können, werden mit einem charismatischen Vorgesetzten nur wenig anfangen können.

Charismatische Führung – was ist das?

Eine charismatische Führungskraft wird sich auf weiche Art bei den Mitarbeitern durchsetzen, was nicht mit der Charaktereigenschaft eines Softies gleichzusetzen ist. Die charismatische Führungskraft hat ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, ein gutes Selbstwertgefühl und eine in sich ruhende, gefestigte Persönlichkeit. Sie ist in der Lage, Aufgaben an Mitarbeiter zu delegieren, ohne einen Macht- und Autoritätsverlust zu fürchten. Sie kann mit Kritik von mitdenkenden Mitarbeitern umgehen und wertschätzt sie als Möglichkeit der Qualitätsverbesserung. Getreu dem Motto „Mitarbeiter fördern und fordern“ gelingt es der charismatischen Führungspersönlichkeit, als Leader eine Atmosphäre aus Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu schaffen, die wiederum einen enormen Einfluss auf das Leistungsvermögen der Mitarbeiter ausübt.

Wer sich als Führungskraft mit Vorbildfunktion versteht, wird durch seine fachlichen und menschlichen Qualitäten, seine Persönlichkeit und eine Zusammenarbeit auf partnerschaftlicher Ebene Mitarbeiter lenken und führen, ohne Druck aufbauen oder andere Machtspiele einsetzen zu müssen.

 

Oberstes Bild: © wavebreakmedia – Shutterstock.com

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