Berufliche Visionen: Träumen Sie noch oder machen Sie schon? (Teil 1)

In den letzten Monaten ist ein Buch zum Bestseller geworden, das von den fünf Dingen handelt, die Sterbende am meisten bereuen. Ganz oben auf dieser Liste steht das Bedauern, aus den falschen Gründen (beruflich) nicht das gemacht zu haben, was man eigentlich wirklich tun wollte.

Träumen Sie noch oder machen Sie schon? (Teil 1)
Träumen Sie noch oder machen Sie schon? (Teil 2)

Das kommt Ihnen bekannt vor? Viele von uns finden sich irgendwann an einem Arbeitsplatz wieder, den wir eigentlich nicht ungern ausfüllen; der seine sehr befriedigenden Momente hat; an dem wir von netten Kollegen und alles in allem kompetenten Vorgesetzten umgeben sind; und der auch irgendwie inhaltlich mit dem verwandt ist, was uns mal leidenschaftlich und brennend interessiert hat. Trotzdem bleibt ein Gefühl der Leere – denn ultimativ ist der Job einfach nicht das, was wir eigentlich immer hatten tun wollen.

Sie trösten sich damit, dass das Leben eben voller Kompromisse ist und dass Sie ja nicht wirklich unglücklich sind. So wird der Leidensdruck nie so hoch, dass er zum Handeln zwingen würde. Dennoch steigt die Erinnerung an lange zurückliegende berufliche Ambitionen von Zeit zu Zeit hoch – nur dass es Ihnen jedes Mal illusorischer und unverantwortlicher erscheint, Ihre exzellent bezahlte und sichere Beschäftigung aufzugeben, um einem scheinbaren Jugendtraum hinterherzulaufen.

Andererseits: Manchmal sehen Sie andere Menschen eben dies tun. Sie werden, was sie immer sein wollten. Sie realisieren das Potenzial, von dem sie genau wissen, dass es nach wie vor in ihnen steckt. Es ist also theoretisch möglich, Schluss zu machen mit einem Job, der Sie nie mehr als vage zufriedenstellen wird, und das Risiko eines Neuanfangs zu wagen – zu jedem Zeitpunkt, aus jeder Lebenslage. Die Frage ist nur: Wie?

In dieser dreiteiligen Serie haben wir die zehn Denkmuster zusammengestellt, die Menschen davon abhalten, ihre wahren beruflichen Visionen zu erfüllen. Sind diese psychologischen Barrieren erst einmal beiseitegeräumt, wird es wesentlich einfacher, das meist nur scheinbare Risiko der Selbstverwirklichung einzugehen.

1. Sie haben aufgehört, Ziele zu definieren.

Sie setzen sich keine eigenen, klar definierten und ambitionierten Meilensteine mehr und haben aufgehört, strategisch an der Erfüllung eines Lebensplanes zu arbeiten. Erfolg fliegt Ihnen zu, aber eher zufällig – nicht, weil Sie sich als Dramaturg des eigenen Stücks begreifen. Eigentlich driften Sie dahin, auf dem hohen Niveau jemandes, der von aussen betrachtet einen exzellenten Job macht.

To do: Nehmen Sie sich eine Woche Auszeit. Leisten Sie sich das Gedankenexperiment, Ihr weiteres berufliches Leben exakt so zu choreografieren, wie Sie es selbst als ideal empfinden würden. Skizzieren Sie dann so detailliert und realistisch wie möglich die notwendigen Schritte zur Umsetzung dieses Entwurfs, als würden Sie jemand anderem Empfehlungen aussprechen – jemandem, den Sie sehr gerne mögen.

So umgehen Sie eine der häufigsten selbstzerstörerischen Mechanismen: dem tief verwurzelten Gefühl, berufliche Erfüllung (sprich: Glück) eigentlich nicht zu verdienen. Betrachten Sie den entstandenen Plan. Stellt es, nüchtern betrachtet, wirklich so ein grosses Risiko dar, ihn umzusetzen?


Erschöpfung. (Bild: ratch / Shutterstock.com)
Erschöpfung. (Bild: ratch / Shutterstock.com)


2. Sie erschöpfen sich in der Planung.

Eigentlich reden Sie seit Jahren davon, noch einmal von vorn zu beginnen. Wer Ihnen das erste Mal zuhört, wie Sie voller Leidenschaft, Überzeugung, Wissen und offensichtlicher Kompetenz von den Dingen sprechen, die Sie eines Tages tun werden, kann sich gar nicht vorstellen, dass Sie nicht schon längst den Griffel hingeworfen und gekündigt haben, um endlich Ihren Jobtraum umzusetzen. Ihre Freunde aber hören diesen hoffnungsvollen Monologen nun schon seit Jahren mit wachsender Ermüdung zu.

To do: Wenn wir über Dinge sprechen, fühlen sie sich bereits „getan“ an. Die tatsächliche Umsetzung kann nach einer ausführlichen verbalen Skizze des eigenen Vorhabens entspannt auf den nächsten Tag (die nächste Woche, den nächsten Monat) verschoben werden – denn die Absicht ist ja offensichtlich da und deutlich kommuniziert. Je länger aber dieses alternative Universum nur in Ihren Gedanken existiert, desto unwirklicher wird es, bis es sich langsam in einen ganz persönlichen Mythos verwandelt. Hören Sie damit auf, über Ihren Traum zu sprechen, damit Sie wieder die Leere spüren, die seine Nichterfüllung in Ihnen tatsächlich hinterlässt.

Beginnen Sie stattdessen, anfangs vielleicht winzige, für niemand anderen als Sie sichtbare Schritte zu seiner Verwirklichung zu unternehmen (ähnlich den ersten Joggingschritten auf dem Weg zur dauerhaften Fitness). Recherchieren Sie realistisch den Markt für Ihre Start-up-Idee. Erstellen Sie einen Businessplan und eine Finanzierungsstrategie, die es Ihnen nicht länger erlauben, sich hinter „fehlenden Mitteln“ zu verstecken. Investieren Sie die Energie, die Sie zuvor in die Kommunikation des Wunsches gesteckt haben, in eine tatsächliche Strategie zu seiner Umsetzung.

3.Sie vergleichen sich kontinuierlich mit anderen.

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass es jüngere Menschen mit weniger Eignung gibt als Sie, die genau den Traum leben, der für Sie bisher unerfüllt geblieben ist. Etwas in Ihnen fragt ununterbrochen: „Warum ist das bei X so reibungslos gelaufen?“; „Warum kennt Y immer genau die richtigen Leute?“; und am schlimmsten: „Wieso kann es denn für mich nicht so laufen wie für Z?“

To do: Die harte Wahrheit ist diese: „Hätte ich doch“-Persönlichkeiten hören nicht auf, sich an anderen zu messen, während „Ich tue es einfach“-Charaktere sich von anderen abzusetzen versuchen. Hören Sie mit der Selbstzerfleischung auf – sie bringt Sie nicht weiter. Es ist völlig egal, ob Sie älter, weniger erfahren oder mit weniger natürlichem Talent gesegnet sind als diejenigen, die Ihren Traum leben. Denn es geht um Ihr Leben, Ihre einzigartige Chance, innerhalb dieser Daseinsspanne genau das zu tun, was Sie glücklich macht.

Das können Sie nur erreichen, wenn Sie sich endlich ganz und gar auf die Ausbildung der dafür nötigen eigenen Ressourcen konzentrieren, diese ausbauen, ausprobieren, manchmal scheitern, das Scheitern analysieren und daraus gestärkt hervorgehen, um weiterzumachen. Sie werden feststellen, dass all die Menschen, die scheinbar etwas haben, das Ihnen fehlt, sich von Ihnen eigentlich nur durch eine Sache unterscheiden: den Mut und die Lust, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren und den Rest der Welt auszublenden.

 

Oberstes Bild: © talitha_it – Shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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